Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.06.2016 (I-1 U 240/19):

  1. Privat- oder Firmenparkplätze, die ausdrücklich oder stillschweigend für jedermann zugelassen sind und tatsächlich so genutzt werden, sind öffentlich im Sinne des Straßenverkehrsrechts.
  2. Auf einem allgemein zugänglichen Parkplatzgelände gilt die Grundregel „rechts vor links“ (Senat a.a.O.). Vorfahrt- und Vorrangregeln gelten aber nur dort, wo angelegte Fahrspuren eindeutigen Straßencharakter haben. Für die Anwendung der Vorfahrtregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO bei einem Parkplatz ist nur dann Raum, wenn die „Fahrbahnen“ zwischen den einzelnen Abstellreihen den Charakter von Straßen haben und die Vorrangfrage zwei Parkplatzbenutzer betrifft, die bei dem Befahren der Fahrbahnen mit Straßencharakter an einer Kreuzung oder Einmündung gleichzeitig zusammentreffen.
  3. Auf öffentlichen Parkplätzen obliegen wegen der ständig zu erwartenden Ein- und Ausparkvorgänge jedem Kraftfahrer besonders hohe Sorgfalts- und Rücksichtspflichten. Auf einem Parkplatz gilt das Gebot erhöhter Vorsicht und gegenseitiger Rücksichtnahme. Konkret muss ein Fahrzeugführer angesichts der ständig wechselnden Verkehrssituationen auf einem Parkplatz bei stetiger Bremsbereitschaft mit Schrittgeschwindigkeit fahren. Schritttempo bedeutet eine sehr langsame Geschwindigkeit, die der eines normal gehenden Fußgängers entspricht, also in der Größenordnung zwischen 4 bis 7 km/h.
  4. Besonderheiten des Verkehrs auf einem Parkplatzgelände können dazu führen, dass der Berechtigte nicht auf die Beachtung seines Vorrechtes „rechts vor links“ durch andere Verkehrsteilnehmer vertrauen darf. Zwar kann der Vorfahrtberechtigte normalerweise von der Annahme der Beachtung seines Vorrechtes durch einen Wartepflichtigen ausgehen. Dieser für den Verkehr an Kreuzungen und Einmündungen von Straßen entwickelte Vertrauensgrundsatz kann aber wegen der typischen Verhältnisse auf einem Parkplatzgelände, die gekennzeichnet sind von nur schmalen Fahrspuren zwischen den einzelnen Parkreihen und unübersichtlichen „Kreuzungen“ und „Einmündungen“, und wegen sonstiger besonderer Einzelumstände gänzlich in Wegfall geraten.
  5. Ein Geschädigter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder weitergehend Kredit zur Schadenbehebung aufzunehmen. Eine solche Pflicht kann sich nur ausnahmsweise aus der Vorschrift des § 254 BGB ergeben (BGH NJW-RR 2006, 39). Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 22. Januar 2007, AZ: I-1 U 151/06 mit Hinweis auf Urteil vom 29. Oktober 2001, AZ: 1 U 211/00 und weiteren Nachweisen). Es ist grundsätzlich Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung zu finanzieren. Leistet der Haftpflichtversicherer trotz Aufforderung keinen Vorschuss zur Auslösung des Kraftfahrzeuges aus der Reparaturwerkstatt, hat er für einen entsprechend langen Zeitraum Nutzungsausfall zu zahlen (hier 71 Tage).
  6. Bei der Bemessung der Höhe der Nutzungsausfallentschädigung besteht ein Schätzungsermessen nach § 287 ZPO. Im Rahmen dieses Ermessens darf der Tatrichter aus Gründen der Praktikabilität und der gleichmäßigen Handhabung typischer Fälle auch bei älteren Fahrzeugen mit den in der Praxis anerkannten Tabellen arbeiten. Dies gilt auch dann, wenn das Fahrzeug darin altersbedingt nicht mehr aufgeführt ist. Dem Alter des Fahrzeuges ist durch eine Herabstufung in der für den Pkw einschlägigen tabellarischen Entschädigungsgruppe Rechnung zu tragen. Bei einem Fahrzeugalter von mehr als 10 Jahren ist eine Mindereinstufung um zwei Gruppenwerte vorzunehmen.