Landessozialgericht München, Urteil vom 02.07.2013 (L 15 VS 9/10):

1. Die gesteigerte Gesunderhaltungspflicht der Soldaten begründet regelmäßig die Wehrdiensteigentümlichkeit iS des § 81 Abs 1 Alt 3 SVG einer ärztlichen Behandlung. Wird die Behandlung aber wegen einer wehrdienstfremden lebensbedrohlichen Erkrankung durchgeführt, erfolgt die Behandlung nicht wegen der gesteigerten Gesunderhaltungspflicht, sondern wegen des privaten Überlebensinteresses.

2. Das abstrakte Befehlsempfängerverhältnis gegenüber dem Truppenarzt kann die Wehrdiensteigentümlichkeit einer ärztlichen Behandlung eines Soldaten nicht (mehr) begründen.

3. Die freie Heilfürsorge und damit korrespondierend der Ausschluss der freien Arztwahl können die Wehrdiensteigentümlichkeit einer ärztlichen Behandlung eines Soldaten regelmäßig nicht allein begründen. Nur dann, wenn der zu behandelnde Soldat deutlich macht, dass er mit der militärärztlichen oder vom Militärarzt vorgeschlagenen zivilen Behandlung nicht einverstanden ist und eine andere Behandlung wünscht und dafür objektiv nachvollziehbare Gründe bestehen, kann von einer Wehrdiensteigentümlichkeit ausgegangen werden.

4. Die Bedingungen, unter denen die truppenärztliche Behandlung durchgeführt wird, können im Einzelfall die Wehrdiensteigentümlichkeit einer ärztlichen Behandlung begründen, wenn die Behandlungsbedingungen von denen im Zivilleben abweichen. Eine Wehrdiensteigentümlichkeit ist nicht schon dann gegeben, wenn die Bundeswehr der Träger der Behandlungseinrichtung ist.

5. Ob die Aufklärung des behandelten Soldaten ordnungsgemäß erfolgt ist und die Behandlung lege artis durchgeführt worden ist, ist bei der Beurteilung der Wehrdiensteigentümlichkeit kein rechtlich relevanter Gesichtspunkt. Der Zusammenhang mit dem Wehrdienst wird nicht deswegen enger, weil die Behandlung und/oder die Aufklärung nicht lege artis, sondern fehlerhaft durchgeführt worden sind.

6. Eine ärztliche Behandlung mit einem unerwünschten Ergebnis kann einen Unfall iS des § 81 Abs 1 Alt 2 SVG darstellen.

7. Unfälle eines Soldaten außerhalb der tatsächlichen Dienstausübung können über den Wortlaut des § 81 Abs 1 Alt 2 SVG hinaus versorgungsbegründend sein, wenn ein enger innerer Zusammenhang mit der Dienstausübung besteht. Dieser Zusammenhang ist nach den Grundsätzen der Wesentlichkeitstheorie zu ermitteln.

8. Eine vom Schutzbereich des SVG umfasste Ursache ist immer dann rechtlich wesentlich, wenn nicht die andere(n), nicht dem Schutzbereich des SVG unterfallende(n) Ursache(n) eine überragende Bedeutung hat (haben) und die vom Schutzbereich des SVG umfasste Ursache nicht völlig in den Hintergrund drängt (drängen).

9. Eine Verrichtung außerhalb der zeitlichen Grenzen der tatsächlichen Dienstausübung, die mit gespaltener Handlungstendenz bzw mit gemischter Motivationslage vorgenommen wird, also sowohl eine privatwirtschaftliche als auch eine wehrdienstbedingte Handlungskomponente aufweist, stellt eine durch das Versorgungsrecht geschützte Tätigkeit dar, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre.

10. Eine mehrwöchige Strahlentherapie kann, auch wenn sie in ihrer Gesamtheit (Summationseffekt) zu einem Schaden führt, keinen Unfall im Sinne des SVG darstellen, da die schädigende Einwirkung nicht innerhalb der zeitlichen Grenzen einer Arbeitsschicht erfolgt ist.