Bundessozialgericht, Urteil vom 23.04.2015 (B 2 U 5/14 R):

1. Eine Handballspielerin kann während des Trainings in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert sein, wenn sie Beschäftigte eines das Management ihrer Mannschaft betreibenden Vereins ist.

2. Die Zahlung eines Entgelts ist keine zwingende Voraussetzung für den Versicherungsschutz von Sportlerinnen und Sportlern.

Der für Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung zuständige 2. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 23. April 2015.

Pressemitteilung:

1) Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass es sich bei dem Ereignis vom 29.1.2009 ‑ Verletzung während des Handballtrainings ‑ um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt als Beschäftigte nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII gesetzlich versichert. Sie hat infolge dieser versicherten Tätigkeit einen Unfall erlitten, der zu einem Gesundheitserstschaden geführt hat. Die Klägerin erfüllte durch ihre konkrete Verrichtung vor dem Unfallereignis ‑ das Handballtraining ‑ den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit als Beschäftigte. Eine Beschäftigung iS des SGB VII wird ausgeübt, wenn die konkrete Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus einem zu Grunde liegenden Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen. Anhaltspunkte einer Beschäftigung sind nach § 7 Abs 1 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Diese Voraussetzungen lagen hier ‑ jedenfalls im Verhältnis zum Beigeladenen ‑ vor. Die Klägerin hat mit dem Beigeladenen, dem Handball-Sportmanagement-A. einen gesonderten Vertrag abgeschlossen, ohne Vereinsmitglied des Beigeladenen zu sein. Die konkrete Ausgestaltung der Rechte und Pflichten in diesem Vertrag führt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin sich in das Unternehmen des Beigeladenen eingegliedert hat und dass sie in ihrer Tätigkeit dessen Weisungen unterstand. Das Weisungsrecht des Beigeladenen ging über rein persönlich wirkende Bindungen einer Hochleistungssportlerin, die sich nur auf sportliche Tätigkeiten beziehen, (deutlich) hinaus. Die Klägerin erfüllte durch ihre Teilnahme am Training damit eine aus der Beziehung zum Beigeladenen resultierende Hauptpflicht als Beschäftigte des Handball-Sportmanagements-A. In der gesetzlichen Unfallversicherung bedarf es für den Versicherungstatbestand der Beschäftigung grundsätzlich nicht der Zahlung eines Entgelts. Entgegen der Rechtsansicht der Revision gilt dieser Grundsatz auch im Bereich sportlicher Tätigkeiten. Der Versicherungsschutz bei sportlicher Betätigung hängt damit nicht davon ab, dass der Spieler bzw die Spielerin für die sportliche Betätigung eine Vergütung erhält. Maßgeblich für das Vorliegen einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII sind vielmehr die genannten Kriterien: Eingliederung in die Organisation des Arbeitgebers und Weisungsabhängigkeit. Zwar kann die Zahlung eines Arbeitsentgelts Indiz für ein Beschäftigungsverhältnis sein, sie ist umgekehrt jedoch nicht konstitutives Tatbestandsmerkmal. Auf die Einordnung der zum Handballverein SV A. e.V. bestehenden Beziehungen kommt es für die positive Feststellung des Versicherungstatbestandes daher nicht mehr an. Es kann damit dahinstehen, ob zusätzlich ein Versicherungstatbestand aus dem Verhältnis zum eigentlichen Sportverein resultierte, wovon das LSG offenbar ausging. Hierbei wäre dann allerdings fraglich, ob die Klägerin mit dem Handballspielen nicht lediglich einer (gesteigerten) Pflicht als Mitglied des SV A. nachgekommen sein könnte. Die Beklagte ist im Übrigen sowohl für den Sportverein als auch für den Beigeladenen zuständiger Versicherungsträger.

SG Reutlingen – S 7 U 1918/10 –
LSG Baden-Württemberg – L 8 U 1324/13 –
Bundessozialgericht – B 2 U 5/14 R –