Landesssozialgericht Niedersachsen-Bremen: Beschluß vom 22.09.2015 (L 4 KR 2796/15 B ER):

Zum Anspruch auf Kostenübernahme für Cannabis-Extrakt-Tropen zur Behandlung einer Schmerzerkrankung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren:

Ein Sachleistungsanspruch innerhalb des Regelleistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung besteht nicht. Denn eine Therapie mit Cannabis-Extrakt-Tropfen gehört nicht zur vertragsärztlichen Versorgung.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat bisher für eine Therapie mit Cannabis-Extrakt-Tropfen noch keine positive Empfehlung ausgesprochen, um diese als vertragsärztliche Leistung anzuerkennen.

(…)

Bei dieser Sachlage nimmt der Senat in Anbetracht der zahlreichen, im Eilverfahren nicht aufklärbaren medizinischen Tatsachenfragen vorliegend eine Interessenabwägung vor. Denn in einem Fall des § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V soll die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage gestützt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2009, 1 BvR 120/09, Rz. 11). Ist dies wegen der Eilbedürftigkeit – wie im vorliegenden Fall – nicht möglich, kann nach einer Folgenabwägung für die beeinträchtigten Rechtsgüter entschieden werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt: Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden. Art. 19 Abs. 4 GG verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 2009, 1 BvR 120/09, Rz. 11, vgl. auch: Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. Juni 2013, L 5 KR 91/13 B ER).

Aufgrund der bestehenden Schmerzen ist es dem Antragsteller nicht zuzumuten, bis zum Vorliegen einer (ggf. begutachtungsintensiven) Hauptsacheentscheidung zu warten. Auch die Berücksichtigung der Interessen der Versichertengemeinschaft und die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots stehen dem nicht entgegen, denn die Kosten der streitbefangenen Therapie sind allenfalls geringfügig höher als schulmedizinische Schmerztherapien. Mithin ist das Interesse des Antragstellers höher zu gewichten. Hiernach war der Beschwerde in erkanntem Umfange zu entsprechen.