Das Oberlandesgericht München befaßte sich in seinem Urteil vom 22.11.2012 (23 U 3830/12) mit Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen wegen einer beim Stockkampf zweier minderjähriger Kinder erlittenen Verletzung und lehnte eine Haftungsfreistellung des Schädigers ab.

In dem zugrundeliegenden Verfahren machte der Kläger gegen den Beklagten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend, da der Beklagte den Kläger im Rahmen eines Stockkampfs verletzt hatte.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.

Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Berufung. Er rügte, die Rechtsprechung des BGH zum Haftungsausschluß bei Kampfspielen und Wettkämpfen sei vorliegend nicht anwendbar. Der Kläger verfolgte daher seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Darüber hinaus beantragte er erstmals in zweiter Instanz, den Beklagten zur Zahlung von 962,71 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte verteidigte das landgerichtliche Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das Oberlandesgericht München erkannte auf einen teilweisen Erfolg und befand, daß dem Kläger ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 60,76 € sowie ein Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 € aus § 823 Abs. 1, § 249, § 253 Abs. 2 BGB zustehe.

Eine Körperverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB liege vor. Diese sei auch rechtswidrig gewesen, insbesondere fehle es an einer rechtfertigenden Einwilligung. Die Verletzung der körperlichen Integrität wäre nur dann durch eine Einwilligung gerechtfertigt, wenn der Kläger mit der konkreten Verletzung einverstanden gewesen wäre (vgl. BGH NJW-RR 1995, S. 857, 858). Dies sei nicht ersichtlich und wird insbesondere auch vom Beklagten nicht behauptet.

Der Beklagte habe auch fahrlässig gehandelt. Maßgeblich sei, ob ein normal entwickelter Junge vergleichbaren Alters die Gefährlichkeit hätte voraussehen und danach hätte handeln können (Sprau in: Palandt, BGB, 71. Auflage 2012, § 828 Rz. 7, Grüneberg in: Palandt, a.a.O. § 276 Rz. 17). Bei einem zwölfjährigen Jungen sei ohne weiteres davon auszugehen, daß er die Gefährlichkeit des Spiels mit 1,5 m langen Holzstöcken erkennen und das Risiko erheblicher Verletzungen vorhersehen und danach habe handeln können.

Bereits eine Sorgfaltspflichtverletzung könnte aber schon dann ausscheiden, wenn die Verletzungen im sportlichen Wettkampf bei einem regelgerechten, dem Fairneßgebot entsprechenden Einsatz des Gegners entstanden seien (BGH NJW 2010, 537, 538; offengelassen von BGH NJW 2003, 2018, 2019 ob dies die Frage der Tatbestandsmäßigkeit oder der Rechtswidrigkeit betrifft).

Grundlage hierfür sei aber, daß dem Spiel bestimmte, für jeden Teilnehmer verbindliche Regeln zugrunde liegen würden, die von vornherein feststehen würden, unter denen somit die Teilnehmer zum Spiel antreten und die insbesondere durch das Verbot von Fouls auch auf den Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Spieler selbst ausgerichtet seien (BGH NJW-RR 1995, S. 857, 858 m.w.N). Solche feste Regeln lägen hier indes nicht vor. Einzige zwischen den Parteien vereinbarte „Regel“ sei es gewesen, nicht auf den Kopf zu schlagen. Von einem geschlossenen Regelsystem, das schwerwiegende Verletzungen der Teilnehmer verhindern solle, könne damit nicht ausgegangen werden.

Auch ein konkludenter Haftungsverzicht des Klägers liege nicht vor. Ein Haftungsverzicht setze einen Verzichtswillen voraus. Ein solcher könne jedoch allenfalls angenommen werden, wenn die Beteiligten den Eintritt einer Verletzung wie diejenige, zu der es letztlich gekommen sei, ersichtlich in Erwägung gezogen hätte (BGH NJW-RR 1995, S. 857, 858). Daß die beteiligten Kinder mit einer Kopfverletzung tatsächlich gerechnet hätten, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Daß dem Beklagten nach § 828 Abs. 3 BGB die zur Erkenntnis der Verantwortung erforderliche Einsicht gefehlt hätte, sei nicht dargetan (vgl. Sprau in: Palandt, a.a.O., § 828 Rz. 6 dazu, daß die mangelnde Einsichtsfähigkeit vom Schädiger zu beweisen ist). Gerade umgekehrt habe der Beklagte selbst vorgetragen, beide Parteien seien sich der Gefährlichkeit des Spiels bewußt gewesen.

Eine Inanspruchnahme scheide vorliegend auch nicht nach § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr oder der bewußten Risikoübernahme aus (vgl. dazu BGH NJW-RR 2006, 672, 674):

Treuwidrig handele danach der Geschädigte, der versuche, auf einen anderen denjenigen Schaden abzuwälzen, den er bewußt in Kauf genommen habe, obschon er ebenso gut in die Lage hätte kommen können, in der sich der Schädiger befinde und sich dann aber ebenfalls dagegen gewehrt haben würde, Ersatz leisten zu müssen (BGH, NJW-RR 2006, 672, 674; BGH NJW 2003, S. 2018, 2019). Diese Fallgruppe sei nach Rechtsprechung des BGH aber nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, wie bei Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen oder anderen besonders gefährlichen Sportarten einschlägig. Allerdings reichten die Grundsätze über die sportlichen Kampfspiele hinaus und könnten auch bei Spielen Jugendlicher, bei denen es zu einem Körpereinsatz kommt, Anwendung finden (BGH NJW-RR 1995, S. 857, 858; BGH NJW-RR 2006, S. 672, 674). Jedoch komme auch unter dem Aspekt von Treu und Glauben eine völlige Haftungsfreistellung nur in Betracht, wenn dem Spiel zumindest ein festes Regelwerk, das auch auf den Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Spieler gerichtet ist, zugrunde liege (BGH NJW-RR 1995, S. 857, 858; BGH NJW-RR 2006, S. 672, 674). Bereits daran fehle es vorliegend, wie bereits aufgezeigt.

Darüber hinaus sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Inanspruchnahme auch dann nicht treuwidrig, wenn der Schädiger Versicherungsschutz genieße. In diesem Fall sei der Schädiger selbst keinem Haftungsrisiko ausgesetzt, seine Inanspruchnahme durch den Geschädigten verstoße nicht gegen § 242 BGB (BGH NJW 2008, 1591, 1592; BGH NJW 2010, S. 537, 538). Unstreitig bestehe ein Haftpflichtversicherungsschutz des Beklagten. Nicht von maßgeblicher Bedeutung sei insoweit, daß es sich nicht um eine gesetzliche, sondern um eine private Haftpflichtversicherung handele. Eine Differenzierung nach gesetzlicher oder privater Haftpflichtversicherung lasse sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2003, S. 1591, 1592) nicht entnehmen. Der maßgebliche Aspekt, daß der Schädiger keinem unzumutbaren Haftungsrisiko ausgesetzt ist, weil die Versicherung für ihn einstehe, gelte bei privater wie bei gesetzlicher Haftpflichtversicherung in gleicher Weise.

Der Beklagte sei daher dem Kläger grundsätzlich gemäß §§ 249 ff BGB für den kausal verursachten Schaden ersatzpflichtig. Allerdings müsse sich der Kläger ein Mitverschulden in Höhe von 50 % anrechnen lassen, so daß der Schadensersatzanspruch nur in Höhe von 60,76 Euro bestehe.

In welchem Ausmaß eine Kürzung des Anspruchs vorzunehmen sei, bedürfe einer umfassenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Eine gänzliche Haftungsfreistellung komme nur ausnahmsweise in Betracht (BGH NJW-RR 2006, S. 672, 674; BGH NJW-RR 1995, S. 857, 858). Vorliegend sei zu berücksichtigen, daß beide Kinder sich auf genau gleiche Weise an dem Spiel beteiligt hätten. Die dem Kläger zugefügte Verletzung hätte ohne weiteres auch umgekehrt vom Kläger dem Beklagten beigebracht werden können. Kläger und Beklagter waren in etwa gleich alt, so daß weder der Kläger noch der Beklagte ein signifikant höheres Maß an Einsicht in die Gefährlichkeit des Spiels gehabt hätten. Dies rechtfertige, einen Mitverschuldensanteil des Klägers von 50 % anzusetzen.

Daß der Kläger einen Eigenanteil an den Kosten der Krankenbehandlung von 121,52 Euro zahlen habe zahlen müssen, sei unstreitig

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB zu, allerdings nur in Höhe von 1.500 €. Das Schmerzensgeld sei unter umfassender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzusetzen und müsse in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzung stehen (Grüneberg in: Palandt, a.a.O., § 253 Rz. 15).

Vorliegend sei zu berücksichtigen, daß der Kläger einen Schneidezahn verloren habe, eine prothetische Versorgung lebenslang notwendig sein werde, der Kläger nach dem Unfall zunächst sehr starke Schmerzen zu erleiden hätte und der Kläger im Tatzeitpunkt erst 13 Jahre alt gewesen sei. Allerdings sei eine prothetische Versorgung durch Brücke oder Implantat möglich, so daß keine dauerhafte Entstellung zu befürchten sei. Außerdem habe der Beklagte nur fahrlässig gehandelt und war zum Tatzeitpunkt erst 12 Jahre alt. Darüber hinaus liege dem Kläger, wie ausgeführt ein erhebliches Mitverschulden zur Last

Der Umstand, daß der Beklagte als 12 jähriges Kind mit gewisser Wahrscheinlichkeit selbst über keine nennenswerten finanziellen Mittel verfüge, bedürfe keiner Berücksichtigung, da unstreitig eine Haftpflichtversicherung bestehe (vgl. BGH NJW 1955, S. 1675, 1677).

Unter Abwägung sämtlicher Aspekte und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung in anderen Fällen der Beschädigung oder des Verlusts von Zähnen (OLG Köln, Urteil vom 17.05.2006, 19 U 37/06; OLG Hamm, Urteil vom 24.10.2006, 26 U 171/05; OLG Koblenz, Urteil vom 29.06.2010, 5 U 545/10; OLG Frankfurt, Urteil vom 20.11.2007, 3 U 91/06) erachte der Senat ein Schmerzensgeld von 1.500 € als angemessen.

Der zulässige Feststellungsantrag des Klägers sei teilweise begründet. Wie bereits oben Ziff. 1 ausgeführt, habe der Kläger gemäß §§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Ersatz der gesamten, adäquat kausal durch den Unfall vom 26.08.2011 entstandenen materiellen Schäden, allerdings aufgrund des Mitverschuldens nur in Höhe von 50 %. Dem Kläger stehe auch ein Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld für noch entstehende, weitere immaterielle Schäden zu. Allerdings werde auch insoweit bei der Bemessung der Höhe das Mitverschulden des Klägers zu berücksichtigen sein

Der Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergebe sich aus §§ 823 Abs. 1, 249 BGB. Auch insoweit handele es sich um einen adäquat durch den Unfall verursachten Schaden. Der Kläger habe auch nachgewiesen, daß er aktivlegitimiert ist.

Allerdings bestehe der Anspruch auf 1,5 Geschäftsgebühren nur aus einem Gegenstandswert von 3.560,76 € (60,76 € Schadensersatz, 1.500 € Schmerzensgeld, 2.000 € Feststellungsantrag), mithin in Höhe von 367,50 € netto. Zuzüglich der Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20 € netto ergebe sich ein Anspruch von 387,50 € netto bzw. 461,13 € brutto.