Der Bundesgerichtshof entschied in seinem Urteil vom 07.12.2011 (IV ZR 105/11; PM Nr. 195/2011, daß es keinen Ausschluß jeder außerordentlichen Kündigung eines Vertrages über eine Krankheitskostenversicherung gebe.
Der seit dem 1. Januar 2009 geltende § 206 Abs. 1 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) schließe nicht jede außerordentliche Kündigung eines Krankheitskostenversicherungsvertrages, der eine Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG erfüllt, durch den Versicherer ausschließt.
§ 206 Abs. 1 Satz 1 VVG sei teleologisch dahingehend zu reduzieren, daß er zwar die Kündigung wegen Prämienverzugs untersage, jedoch in Fällen sonstiger schwerer Vertragsverletzung eine außerordentliche Kündigung durch den Versicherer nach § 314 Abs. 1 BGB in Betracht kommen könne. In diesem Fall werde die Krankheitskostenversicherung mit dem bisherigen Versicherer weder im Basistarif (§ 12 Abs. 1a VAG) fortgesetzt, noch stehe dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Abschluß eines derartigen Vertrages mit seinem bisherigen Versicherer zu.
Ein ausreichender Schutz des Versicherungsnehmers werde dadurch erzielt, daß er weiterhin darauf Anspruch habe, gemäß § 193 Abs. 5 VVG bei einem anderen Versicherer im Basistarif nach § 12 Abs. 1a VVG versichert zu werden.
Im Bereich der Pflegepflichtversicherung sei hingegen jede außerordentliche Kündigung des Versicherers gemäß § 110 Abs. 4 SGB XI ausgeschlossen, da hier die Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Bestimmung und das Fehlen eines gesonderten Basistarifs einer teleologischen Reduktion entgegenstehen würden.
In dem zugrundeliegenden Verfahren unterhielt der Kläger bei dem Beklagten eine private Krankheitskosten-, Krankentagegeld- und Pflegepflichtversicherung.
Nach einer Herzoperation erhielt der als selbständiger Unternehmer eines „Recycling-Parks“ tätige Kläger Krankentagegeld. Im Zuge des Besuchs durch einen Außendienstmitarbeiter des Beklagten griff der Kläger diesen mit einem Bolzenschneider tätlich an und bedrohte ihn, worauf der Beklagte 2009 den gesamten Vertrag mit dem Kläger außerordentlich kündigte. Der Kläger begehrt die Feststellung, daß der Vertrag über die Krankheitskosten- und Pflegeversicherung fortbestehe, hilfsweise die Feststellung, daß die Krankheitskostenversicherung zum Basistarif und die Pflegeversicherung fortbestehen würden, weiter hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, mit dem Kläger eine Krankheitskostenversicherung zum Basistarif abzuschließen. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.
Unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel des Klägers wurde das Berufungsurteil aufgehoben und das erstinstanzliche Urteil dahingehend geändert, dass das Weiterbestehen der Pflegeversicherung festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen wurde.
In einem anderen Verfahren (IV ZR 50/11) unterhielt der Kläger eine private Krankheitskosten- und Pflegeversicherung bei dem beklagten Versicherer. Die Krankheitskostenversicherung wurde vom Beklagten 2009 mit der Begründung außerordentlich gekündigt, daß der Kläger bzw. seine für ihn handelnde Ehefrau in den Jahren 2007 bis 2009 insgesamt 168 angebliche Medikamentenbezüge zur Abrechnung eingereicht habe, tatsächlich aber viele Medikamente nicht bezogen und bezahlt worden seien, so daß eine Überzahlung von 3.813,21 vorliege. Die Vorinstanzen hatten die auf Feststellung des Fortbestehens des Krankheitskostenversicherungsvertrages gerichtete Klage abgewiesen.
Erfolglos berief sich der Kläger insofern auch auf seinen Einwand, er habe nichts von den Manipulationen seiner Ehefrau gewußt. Der Kläger hafte für seine Ehefrau als seine Repräsentantin.
Repräsentant sei, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehöre, aufgrund eines Vertretungs- oder sonstigen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten sei. Repräsentant könne nur sein, wer befugt sei, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln. Übe der Dritte aufgrund eines Vertrags- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung des Versicherungsvertrages eigenverantwortlich aus, könne dies für seine Repräsentantenstellung sprechen (Senatsurteile vom 21. April 1993 IV ZR 34/92, BGHZ 122, 250, 252 ff.; vom 10. Juli 1996 IV ZR 287/95, VersR 1996, 1229 unter 2 b). Der Grund der Haftungszurechnung liege darin, daß es dem Versicherungsnehmer nicht freistehen dürfe, den Versicherer dadurch schlechter und sich besser zu stellen, daß er einen Dritten an seine Stelle habe treten lassen. Dieser Zurechnungsgrund greife auch dann ein, wenn das geschützte Interesse des Versicherers deshalb durch einen Dritten verletzt werden könne, weil der Versicherungsnehmer den Dritten in die Lage versetzt habe, insoweit selbständig und in nicht unbedeutendem Umfang für ihn zu handeln (Senatsurteil vom 14. März 2007 IV ZR 102/03, BGHZ 171, 304, 306 f.).
Der Versicherungsnehmer könne sich seiner Verantwortung für die Vertragsverwaltung nicht dadurch entziehen, daß er einem Dritten eigenständig die Abwicklung eingetretener Leistungsfälle überlasse, um sich dann später darauf zu berufen, er habe vom betrügerischen Verhalten des Dritten keine Kenntnis erlangt.
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