In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf

[Urteil vom 23.2.2010 (I-4 U 101/10)] machte der Kläger restliche Vollkaskoversicherungsansprüche aus einem stattgefundenen Verkehrsunfall geltend, bei welchem er während des Führens des Fahrzeugs unter Alkoholeinfluß stand mit einer polizeilich ermittelten und zwischen den Parteien unstreitigen Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,55 Promille. Vollkaskoversicherung hatte nach einer Quote von 75 % reguliert. Mit den geltend gemachten restlichen 25 % scheiterte der Kläger bei dem Landgericht und nachfolgend auch bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf.

Im einzelnen:

Der Kläger hielt für das Fahrzeug Audi A3 bei der Beklagten seit dem 20. Oktober 2005 u.a. eine Fahrzeugvollversicherung vor. Dem Versicherungsvertrag lagen seit dem 1. Januar 2008 die zu den Akten gereichten Versicherungsbedingungen AKB 2008 zugrunde.

Unter A.2.8.1 der Bedingungen ist unter der Überschrift: „Was ist nicht versichert?“ Folgendes geregelt:

„Kein Versicherungsschutz besteht für Schäden, die Sie vorsätzlich herbeiführen.

Bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens verzichten wir Ihnen gegenüber in der Voll- und Teilkaskoversicherung auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit nach § 81 Versicherungsvertragsgesetz.

Der Verzicht gilt nicht bei Entwendung des Fahrzeugs und bei Herbeiführung des Versicherungsfalls infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel. In diesem Fall sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen.“

Der Kläger nahm die Beklagte aus der Vollkaskoversicherung nach einem Verkehrsunfall vom 7. November 2008 in Anspruch. Er stand während des Führens des Fahrzeugs unter Alkoholeinfluß mit einer polizeilich ermittelten und zwischen den Parteien unstreitigen Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,55 Promille. In der vor dem Amtsgericht Langenfeld am 28. Juli 2009 durchgeführten Hauptverhandlung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr räumte der Kläger ein, daß die Möglichkeit bestehe, ihm seien während der Fahrt kurz die Augen zugefallen. Dies begründete er – ebenso wie im vorliegenden Rechtsstreit – damit, daß er damals eine sehr anstrengende Zeit gehabt habe, weil es kurz zuvor zur Trennung von seiner Freundin gekommen sei, er deshalb die gemeinsame Wohnung habe verlassen und die neue Wohnung habe renovieren müssen, ferner habe er seiner Mutter bei deren Wohnungsauflösung geholfen. Am Abend des Unfalltages habe er Durst verspürt und das einzige Bier im Kühlschrank seiner Mutter – eine Dose mit 0,5 Liter Starkbier – getrunken und sodann die Fahrt angetreten.

Unstreitig war der Kläger ohne nachvollziehbare äußere Anzeichen oder Einwirkung von der Fahrbahn abgekommen und in einen Grünstreifen gefahren. Dort kollidierte der Wagen mit einem Verkehrszeichen und fuhr sodann auf die Fahrbahn zurück, wo er eine halbe Drehung vollzog. Der Kläger wurde gemäß § 316 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt, auf die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das erstinstanzliche Urteil wurde darüber hinaus ein dreimonatiges Fahrverbot verhängt.

Die Beklagte zahlte auf den erlittenen Schaden an dem Fahrzeug, der von dem von ihr beauftragten Sachverständigenbüro A. ermittelt wurde, einen Betrag von 3.875,50 Euro. Im Übrigen berief sie sich auf ein Leistungskürzungsrecht nach § 81 Abs. 2 VVG in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung in Höhe von 25 %, weil der Kläger den Unfall alkoholbedingt grob fahrlässig herbeigeführt habe, und erhob zudem Einwände gegen die Höhe der geltend gemachten Forderung des Klägers.

Das Landgericht wies die Klage ab, weil die Beklagte zu einer Leistungskürzung von 25 % berechtigt gewesen sei und einige Positionen des Gesamtschadens ohnehin nicht erstattungsfähig seien. Daher habe die Beklagte bereits mehr gezahlt als von ihr nach dem Kaskoversicherungsvertrag geschuldet gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

Das Oberlandesgericht erachtete die Berufung als unbegründet. Zutreffend habe das Landgericht die Klage abgewiesen, weil die Beklagte zur Kürzung ihrer Leistung um 25 % berechtigt sei und zudem einzelne Schadenspositionen nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen nicht erstattungsfähig seien. Daher habe die Beklagte ihre Leistungsverpflichtung durch Zahlung von 3.875,50 Euro bereits vollständig erfüllt.

Auf der Grundlage der vertragsgegenständlichen AKB der Beklagten ist die geltend gemachte Kürzung des Leistungsanspruchs des Klägers in Höhe von 25 % nicht zu beanstanden.

Bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls infolge des Genusses alkoholischer Getränke sei die Beklagte nach A.2.8.1 AKB berechtigt, ihre Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

Danach bestehe selbst bei unstreitiger oder sonst eindeutig festzustellender grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers grundsätzlich ein voller Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers. Der Versicherer sei lediglich berechtigt, die nach dem Versicherungsvertrag zu erbringende Leistung zu kürzen. Hiervon müsse er Gebrauch machen, von Amts wegen sei im Prozess eine Kürzung nicht vorzunehmen, und zwar auch dann nicht, wenn sich der Versicherer aus anderen Gründen (zum Beispiel wegen mangelnder Erstattungsfähigkeit einzelner Schadenspositionen) auf eine Zuvielforderung berufe. Denn der Gesetzgeber habe ein Kürzungsrecht geregelt, nicht aber, daß dem Versicherungsnehmer ein von vornherein geminderter Leistungsanspruch zustehe.

Ausgehend von einer vollen Leistungspflicht des Versicherers bestehe somit ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf Ersatz von 100 % des ersatzfähigen Schadens, wenn der Versicherer trotz feststellbarer grober Fahrlässigkeit von seinem Kürzungsrecht keinen Gebrauch mache.

Dies habe auch zur Konsequenz, daß die Kürzung ausgehend von der vollen Leistung vorzunehmen und nicht etwa von einem Mittelwert von 50 % auszugehen sei, der – einer Beweislastverteilung zwischen den Beteiligten entsprechend – je nach den Einzelfallumständen im Ergebnis höher oder niedriger angesetzt werden müsse, um auf diesem Wege das Ausmaß des Kürzungsrechts des Versicherers konkret zu bemessen (so aber OLG Hamm, Urteil vom 20.08.2010 – 20 U 74/10 –). Dies gelte umso mehr, als die Beweislast für grobe Fahrlässigkeit bei dem Versicherer liege und § 81 Abs. 2 VVG nF kein „Mindestmaß“ der Kürzung vorschreibe. Die „Schwere des Verschuldens“ im Rahmen festgestellter grober Fahrlässigkeit schließe es nicht per se aus, daß auch eine nur geringe Kürzung des Leistungsanspruchs möglich und zulässig sei, so daß es auch unter diesem Gesichtspunkt nicht systemgerecht wäre, den Ansatz bei einem Mittelwert zu wählen und hierdurch den Versicherungsnehmer zu beschweren, dem es nicht gelinge, ihm günstige Umstände, die der Versicherer bestreite, zu beweisen.

Aus Sicht des Senats biete es sich auch nicht an, nach dem „Einstieg“ bei 100 % Leistungspflicht des Versicherers, die dann auf der Grundlage der konkreten Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers um einen näher zu begründenden und festzusetzenden Prozentsatz reduziert werde, von vornherein, also zunächst einzelfallunabhängig, eine bestimmte Größenordnung von „Reduzierungsschritten“ (zum Beispiel von 10 %: so wohl OLG Hamm aaO, oder in Schritten von 25 %: LG Münster r+s 2010, 321), in Ansatz zu bringen. Einzelfallgerecht sei allein die gerichtliche Überprüfung, ob der Versicherer unter Abwägung aller für und gegen den Versicherungsnehmer sprechenden berücksichtigungsfähigen Gesichtspunkte von seinem Kürzungsrecht keinen zu hohen Gebrauch gemacht habe. Letztlich bedürfe dies hier jedoch keiner Entscheidung. Die von der Beklagten für den streitgegenständlichen Versicherungsfall vorgenommene Kürzung von 25 % sei jedenfalls insgesamt nicht zu weitgehend, sondern entspreche den bedingungsgemäßen Anforderungen, wonach die Kürzung an der Schwere der Schuld auszurichten sei:

Nach ständiger Rechtsprechung der Zivilsenate des Bundesgerichtshofs werde der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 61 VVG aF grundsätzlich einheitlich, also unabhängig vom konkret betroffenen Versicherungszweig bestimmt. Grobe Fahrlässigkeit setze ein Verhalten des Versicherungsnehmers voraus, von dem er wußte oder wissen mußte, daß es geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalls oder die Vergrößerung des Schadens zu fördern (BGH VersR 1980, 180; OLG Hamm VersR 1982, 1042). Dabei müsse die Wahrscheinlichkeit des Schadens – und zwar gerade die des eingetretenen Schadens (BGH VersR 1992, 1087) – offenkundig so groß sein, daß es ohne Weiteres nahe lag, zur Vermeidung des Versicherungsfalls ein anderes Verhalten als das tatsächlich verübte in Betracht zu ziehen (OLG München VersR 1994, 1060; OLG Saarbrücken VersR 1996, 580).

In subjektiver Hinsicht müsse ein erheblich gesteigertes Verschulden vorliegen. Das Verhalten des Versicherungsnehmers müsse schlechthin unentschuldbar sein (BGH VersR 1984, 480; BGH VersR 1985, 440; BGH VersR 1989, 141). Grob fahrlässig handele nur, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, d.h. in ungewöhnlich hohem Maße verletze und unbeachtet lasse, was unter den gegebenen Umständen jedem hätte einleuchten müssen (BGH VersR 2003, 364).

Nach Maßgabe dessen habe der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt. Er habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße mißachtet und dabei diejenigen Sicherungsvorkehrungen außer Acht gelassen, die unter den gegebenen Umständen jedem hätten einleuchten müssen.

Unstreitig habe er die Fahrt alkoholisiert angetreten und den Unfall bei einer BAK von 0,55 Promille verursacht. Er habe sich demnach jedenfalls im Bereich der relativen Fahruntüchtigkeit befunden und habe in diesem Zustand einen nicht durch verkehrsbedingte Einwirkung verursachten Fahrfehler begangen, indem er von der Fahrbahn abgekommen, in den Grünstreifen gefahren und mit einem Verkehrsschild kollidiert sei. Daß dies – alkoholunabhängig – allein darauf beruht habe, daß er sich damals in einer körperlich und psychisch schwierigen Situation befunden habe, könne mit der für eine Überzeugungsbildung notwendigen Gewißheit ausgeschlossen werden. Der Kläger habe im Rahmen seines Strafverfahrens eingeräumt, übermüdet gewesen zu sein, denn anders sei die Möglichkeit, daß ihm die Augen zugefallen sein könnten, nicht zu erklären. Seine Übermüdung habe der Kläger denn auch mit einer Überanstrengung, beruhend auf der Trennung von der Freundin, der Notwendigkeit seines Umzugs und der Renovierung seiner neuen Wohnung sowie der Unterstützung seiner Mutter – alles neben seinem Studium und seiner Erwerbstätigkeit – überzeugend erklärt. Es sei jedoch allgemein bekannt, daß der Konsum von Bier und erst recht von Starkbier, den der Kläger ausdrücklich vertrage, die Ermüdung des Körpers noch fördere. Sämtliche seine Ermüdung begründenden Umstände einschließlich des Trinkens von 0,5 Litern Starkbier seien dem Kläger auch bekannt und bewußt gewesen. Es habe daher geradezu auf der Hand gelegen, daß die Gefahr bestanden habe, er würde nicht mehr uneingeschränkt fahrtüchtig sein und daß dies auch auf dem Alkoholkonsum beruht habe. Gemessen daran, daß dem Kläger seine „Streßsituation“ vollumfänglich bekannt gewesen sei, sei es bereits bedenklich gewesen, in diesem Zustand ein Kraftfahrzeug zu führen. Mit dem Konsum von 0,5 Litern Starkbier habe er seine Ermüdung jedoch noch gefördert. Das Führen eines Kraftfahrzeugs sei unter diesen Bedingungen in jedem Falle grob fahrlässig; das Verschulden des Klägers sei ausweislich des unstreitigen Unfallhergangs auch eindeutig kausal für den Fahrzeugschaden und damit den Eintritt des Versicherungsfalls gewesen.

c. Grundsätzlich greift damit der Ausnahmefall ein, wonach der Verzicht der Beklagten auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit dann nicht gilt, wenn der Versicherungsfall „infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel“ herbeigeführt worden ist.

Die Beklagte habe von ihrem Kürzungsrecht auch Gebrauch gemacht „in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis“. Ausgehend von den obigen Rechtsausführungen, wonach die Kürzung durch einen entsprechenden Abzug von der vollen Leistungspflicht des Versicherers vorzunehmen sei, sei die Kürzung der ansonsten von der Beklagten zu erbringenden Versicherungsleisung um 25 % – insbesondere wegen der vollen Kenntnis des Klägers von sämtlichen, seine grobe Fahrlässigkeit begründenden Umständen (Ermüdung und Alkoholkonsum) – angemessen und nicht überzogen.

Dies gelte auch, soweit die grobe Fahrlässigkeit des Klägers nicht ausschließlich in seinem Alkoholkonsum begründet liege. Der Verzicht der Beklagten auf den Einwand grober Fahrlässigkeit gilt nach der eindeutigen Ausnahmeregelung in den AKB 2008 bereits dann nicht, wenn der Versicherungsfall „infolge“ des Genusses alkoholischer Getränke herbeigeführt worden sei; es genüge also bloße Mitursächlichkeit des Alkoholkonsums. Infolge dessen könne sich der Versicherungsnehmer dann insgesamt nicht mehr auf den Verzicht des Versicherers berufen. Dann sei für die Bemessung der Kürzungsquote anhand der Schwere seines Verschuldens nach den hier maßgeblichen AKB nicht etwa ausschließlich auf seine Alkoholisierung und deren Ausmaß abzustellen. Vielmehr sei nach Wegfall des Verzichts auf den Einwand grober Fahrlässigkeit der rechtlich zulässige Abwägungsspielraum dann uneingeschränkt eröffnet und seien daher sämtliche zu Gunsten wie zu Lasten des Versicherungsnehmers feststehende Umstände zu würdigen, die geeignet seien, die konkrete Schwere seines gesamten unfallursächlichen Verschuldens zu bestimmen.

Der Senat ließ die Revision gegen sein Urteil zu, soweit die Entscheidung auf der Anwendung der AKB der Beklagten hinsichtlich der darin enthaltenen Regelungen zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls, zum Verzicht der Beklagten auf diesen Einwand und zur Nichtgeltung des Verzichts bei Herbeiführung des Versicherungsfalls infolge des Genusses alkoholischer Getränke beruhte. Diese Regelungen waren nach Auffassung des Senats vor allem, jedenfalls aber auch, auf Versicherungsfälle zugeschnitten, die bereits der Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes und insoweit insbesondere der Vorschrift des § 81 Abs. 2 VVG nF unterliegen. Der Senat ging davon aus, daß inhaltsgleiche oder vergleichbare bzw. ähnliche Versicherungsbedingungen auch anderer Versicherer seit der Geltung des neuen VVG bundesweit Verwendung und Anwendung finden bzw. finden werden, so daß jedenfalls die Fortbildung des Rechts wie auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs über Auslegung und Anwendung solcher Versicherungsbedingungen erforderlich erscheinen lassen.