In dem Berufungsverfahren vor dem OberlandesgerichtHamm ging es um einen Verkehrsunfall eines Taxifahrers am 5. Dezember 1998 gegen 1.20 Uhr auf einer innerstädtischen. Beim Überqueren einer Brücke kam der Taxifahrer auf der Gefällstrecke ins Schleudern und prallte mit seinem Taxi gegen eine Straßenlaterne. Dabei zog er sich einen komplizierten Trümmerbruch des rechten Unterschenkels bzw. des oberen Sprunggelenkes zu.

Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte durch Urteil vom 20.01.2006 (9 U 169/04) die Entscheidung des Landgerichts, welches eine Haftung der Gemeinde ausgesprochen hatte, aber auch ein Mitverschulden des Klägers berücksichtigt hatte und so zu einer Quote von 50 % gelangte.

Soweit die beklagte Gemeindes Glätte an der Unfallstelle zum Unfallzeitpunkt bestritten habe, könne – so das Oberlandesgericht Hamm – dem nicht gefolgt werden. Das Landgericht habe die Aussagen der Zeugen T, L und U zutreffend gewürdigt. Selbst wenn bei der Aussage der Zeugin T, die sich bei dem Unfall als Fahrgast im Taxi befunden habe, die Möglichkeit nicht auszuschließen sei, daß die von ihr bekundete Glätte auf der Brücke nicht auf eigener Wahrnehmung, sondern einem Rückschluß aufgrund des Schleuderns des Taxis beruhe, so seien die Angaben der beiden anderen Zeugen so eindeutig, daß kein Zweifel verbleibe, zumal die Glätte an der Unfallstelle auch in dem Zusatzbericht zur polizeilichen Unfallaufnahme vom 5. Januar 1998 (Bl.2 der Akten 46 Js 68/99 StA Essen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen waren) sowie die schriftliche Aussage der Zeugin H, die als Polizeibeamtin den Unfall aufgenommen habe, ausdrücklich bestätigt werde.

Da von Glätte an der Unfallstelle auszugehen sei, spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß diese ursächlich für den Unfall gewesen sei.

Nach gefestigter Rechtsprechung müßten Kommunen nicht „rund um die Uhr“ ihrer Streupflicht nachkommen. Vielmehr seien sie nur gehalten, die verkehrswichtigen Straßen für den normalen Tagesverkehr zu sichern. Dabei ende die Streupflicht in den Abendstunden mit dem Aufhören des allgemeinen Tagesverkehrs, was regional unterschiedlich zwischen 21.00 Uhr und 22.00 Uhr der Fall sei. Der Senat ziehe diese Grenze bei 22.00 Uhr (Urt. v. 23. 9. 1993  9 U 214/92).

Bei einem Glätteunfall, der sich nach diesem Zeitpunkt ereigne, haftet die sicherungspflichtige Kommune nur dann, wenn die Streupflicht bereits in streupflichtiger Zeit nicht erfüllt worden sei. Dies sei der Fall, wenn die Fahrbahn bereits in diesem Zeitraum glatt gewesen sei und die Beklagte deshalb Streumaßnahmen hätte durchführen müssen, die auch den nach dieser Zeit eingetretenen Unfall verhindert hätten. Darüber hinaus könne eine Haftung in Betracht kommen, wenn während bestehender Streupflicht zwar noch keine Glättebildung eingetreten, diese jedoch für die folgende Nacht vorhersehbar sei (Senatsurteil v. 4. 11. 2003 – 9 U 118/03).

Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige habe in seinem schriftlichen Gutachten festgestellt, daß nach dem in dem Wetterbuch der Beklagten sowie im Wetterbericht des Deutschen Wetterdienstes dokumentierten Schneefall am 4. Dezember 1998 in Essen tagsüber bis gegen 18.00 Uhr in einer Höhe von 2 cm bis 4 cm ohne eine erneute Streuung nach der am Morgen erfolgten Streuung es bei der vorherrschenden Witterung (Temperaturen um den Gefrierpunkt und auch darunter) spätestens am Abend zu Glättebildung kommen mußte.

Bei den bestehenden Witterungsverhältnissen, die neben überwiegend unterhalb des Gefrierpunktes liegenden Temperaturen am 3. Dezember 1998 durch Temperaturen um den Gefrierpunkt im Laufe des Tages am 4. Dezember 1998 mit zahlreichen Glättemeldungen aus verschiedenen Stadtteilen in F gekennzeichnet waren, habe die Beklagte damit rechnen müssen, daß es in der nachfolgenden Nacht zu erneuter Glättebildung durch überfrierende Nässe kommen würde. Dies habe der Sachverständige bei seiner ergänzenden Anhörung im Senatstermin ebenso überzeugend dargelegt wie den Umstand, daß bei einer erneuten Streuung nach dem Ende des Schneefalls um 18.00 Uhr bis zum Ende des streupflichtigen Zeitraums eine Glättebildung bis zum Unfallzeitpunkt nicht eingetreten wäre.

Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, daß die Streupflicht auch eine vorbeugende Streuung von gefährlichen Straßenstellen umfassen könne, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Glatteisbildung z.B. aufgrund des Wiedergefrierens vorhandener Nässe außerhalb der streupflichtigen Zeit bestehen würden. Die Beschränkung solcher Maßnahmen auf besondere Gefahrenstellen folge aus dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit für den Streupflichtigen. Zweifellos handele es sich bei der Unfallstelle um eine solche besondere Gefahrenstelle, da sie auf einer Brücke liege, die bei niedrigen Temperaturen aufgrund ihrer Bauweise eher zur Glättebildung neige als die umliegenden Straßen, und sich an dieser Stelle außerdem ein Gefälle befinde und zum Unfallzeitpunkt eine Baustelle mit einer Verschwenkung der Fahrbahn befunden habe.

Dem Landgericht sei darin beizupflichten, daß dem Kläger ein erhebliches Mitverschulden gem. § 254 BGB zuzurechnen sei. Die Zeugin T habe vor dem Landgericht die Fahrweise des Klägers unmittelbar vor dem Unfall als „zu schnell“ und „zügig“ bezeichnet, wobei sie naturgemäß keine exakten Angaben zu der „gefühlsmäßig“ wahrgenommenen Geschwindigkeit hätte machen können. Die Zeugin U, die Beifahrerin in einem dem Kläger entgegenkommenden PKW gewesen sei, habe ausgesagt, ihre Fahrerin sei wegen der bemerkbaren Glätte „sehr langsam“ über die Brücke gefahren, während der ihnen entgegenkommende Kläger „mit Sicherheit nicht so langsam“ gefahren sei.

Die Bewertung seines Verursachungs- und Verschuldensanteils durch das Landgericht mit 50% sei nicht zu beanstanden. Eine höhere Haftungsquote des Klägers scheide aufgrund genauerer Feststellungen zu der vom Kläger gefahrenen Geschwindigkeit, zu der von der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nichts Näheres vorgetragen worden sei, aus.

Hinsichtlich der Bemessung des Schmerzensgeldes sowie der Verneinung eines ausgleichspflichtigen Haushaltsführungsschadens des Klägers gem. § 843 BGB folge der Senat dem Landgericht. Der Kläger habe nicht bewiesen, daß er vor dem Unfall eine ins Gewicht fallende Haushaltstätigkeit erbracht hat.