Mit dem Urteil des Oberlandesgericht Düsseldorf vom 27.10.2010 (II-8 UF 38/10) kann der Barbetrag gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII vom Unterhaltspflichtigen nicht verlangt werden, wenn der Unterhaltsberechtigte über auf die Heimkosten anrechnungsfreie eigene Mittel verfügt, die den Barbetrag deutlich übersteigen.

Ferner hat der Unterhaltspflichtige ein über einen Schonbetrag von 75.000 € hinausgehendes Vermögen zur Bestreitung des Elternunterhalts einzusetzen; die Berechnung dieses Einsatzes erfolgt nach § 14 BewG (Tabelle 9).

Zum Sachverhalt:

Der Beklagte (01.09.1941) war der Sohn der Frau H. A. (30.01.1915), die sich seit Februar 2008 im Pflegeheim befand; die Heimpflegebedürftigkeit war von der Pflegeversicherung, die Leistungen nach Pflegestufe II gewährte, durch Schreiben vom 29.01.2008 bescheinigt worden. Frau A. stand seit dem 25.03.2008 unter Betreuung; diese wurde zunächst von einem Bruder des Beklagten (R. A.) und seit dem 16.10.2008 durch das Diakonische Werk Wesel wahrgenommen.

Die eigenen Einkünfte von Frau A. reichten zur Deckung der Heimkosten nicht aus; die Klägerin erbrachte ergänzende Leistungen nach dem SGB XII.

Der Beklagte hatte bei Verfahrenseinleitung insgesamt sieben noch lebende Geschwister. Der Bruder K-H. verstarb im Laufe des Verfahrens, am 23.02.2010. Der Beklagte war verheiratet, seine Ehefrau wurde am 01.09.1946 geboren und bezog noch keine Altersrente; noch unterhaltsberechtigte Kinder waren nicht vorhanden.

Der Beklagte war bis zum Erreichen des Ruhestandes selbständig tätig gewesen. Er war gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer bzw. Nießbraucher einiger in W. gelegener Immobilien und verfügte über ein Barvermögen von ca. 250.000 €; er erhielt eine monatliche Altersrente von netto ca. 240 €. Gemeinsam mit seiner Ehefrau erzielte er ausweislich des Einkommensteuerbescheides für 2008 vom 05.08.2009 monatliche Brutto-Mieteinnahmen von ca. 940 € und monatliche Brutto-Kapitaleinkünfte von ca. 838 €; er wohnte mietfrei im eigenen Haus, wofür den Eheleuten ein Wohnvorteil von 600 € zugerechnet wurde. Der monatliche Krankenversicherungsbeitrag der Ehefrau betrug 117 €. Die allein auf Zinsabschlägen beruhende Einkommensteuererstattung für 2008 belief sich auf ca. 2.677 €; i.ü. wurde das zu versteuernde Einkommen der Eheleute in 2008 auf 0 € festgesetzt. Wesentliche Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten und seiner Ehefrau ab 2009 werden von beiden Parteien nicht behauptet.

Das Amtsgericht hatte den Beklagten – unter Abweisung einer geringfügigen Widerklage – verurteilt, für die Zeit von April 2008 bis Juli 2009 einen Unterhaltsrückstand von 8.968 € und für die Zeit ab August 2009 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 561 € zu zahlen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter.

Er machte geltend, daß die Klägerin für seine Mutter ein Heim ausgewählt habe, dessen Kosten 10 % über dem Durchschnitt für vergleichbare Heime lägen; der geltend gemachte Bedarf sei daher überhöht. Auch stehe der Mutter im Hinblick auf ihr anrechnungsfrei belassene ca. 300 € monatlich aus Kindererziehungsleistungen kein weiteres Taschengeld von ca. 100 € zu. Eine Bedürftigkeit der Mutter habe die Klägerin nicht hinreichend dargetan: Sein Bruder R. habe die Wohnung der Mutter inklusive der teilweise hochwertigen Einrichtung übernommen, als die Mutter ins Heim gekommen sei, und dafür zu Unrecht keine Gegenleistung, die bedarfsdeckend verwendet werden könne, erbracht. Zudem habe die Klägerin die wirtschaftlichen Verhältnisse der anderen mithaftenden Geschwister nicht hinreichend dargelegt bzw. nicht zutreffend bewertet. Zu Unrecht werde er – der Beklagte – von der Klägerin und dem Amtsgericht auch als leistungsfähig angesehen: Der ihm zugerechnete Vermögensverbrauch sei schon deswegen nicht angemessen, da das Vermögen zur Hälfte seiner Ehefrau gehöre, und ein Vermögensverbrauch führe dazu, daß er selbst ggf. im fortgeschrittenen Alter noch bedürftig werde. Zudem müsse er die Möglichkeit haben, zur künftigen Instandhaltung seines Immobilienvermögens und zum Erwerb eines neuen PKW Rücklagen zu bilden. Auch seien seine gehobenen wirtschaftlichen Verhältnisse zur Zeit seiner Erwerbstätigkeit zu beachten; da er bis 2003 ein monatliches Nettoeinkommen von 4.750 € erzielt habe, könne nicht lediglich auf einen Mindestselbstbehalt von 2.450 € für ihn und seine Ehefrau abgestellt werden. Schließlich sei ein Anspruchsübergang auf die Höhe der tatsächlichen monatlichen Leistungen der Klägerin beschränkt.

Die Berufung des Beklagten hatte teilweise Erfolg.

Das Gericht führte aus, daß der Bedarf der Mutter des Beklagten jedenfalls seit April 2008 in Höhe der tatsächlichen Heimkosten zu bemessen sei.

Grundsätzlich könne sich der Unterhaltsverpflichte, auf dessen wirtschaftliche Belange nach Möglichkeit Rücksicht zu nehmen sei, darauf berufen, daß eine kostengünstigere Heimunterbringung möglich gewesen sei und ist.

Konkrete zumutbare Wahlmöglichkeiten seien vom Beklagten aber nicht dargetan worden; der pauschale Hinweis auf das Vorhandensein ortsnaher kostengünstigerer Einrichtungen sei dazu nicht ausreichend.

Der von der Klägerin für die Mutter gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII gezahlte Barbetrag von 93,69 € (bis Juni 2008) bzw. 94,77 € (ab Juli 2008) bzw. 96,93 € (ab Juli 2009) könne hingegen vom Beklagten nicht verlangt werden. Zwar finde insoweit grundsätzlich eine Zurechnung zum vom Pflichtigen zu deckenden Bedarf statt; der Barbetrag diene jedoch in erster Linie der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens, die nicht von der Einrichtung gedeckt würden. Da vorliegend die Mutter des Beklagten unstreitig über auf die Heimkosten nicht anzurechnende Barmittel von ca. 300 € monatlich aus Kindererziehungsleistungen verfüge, mithin eine Summe, die den Barbetrag um mehr als das Dreifache übersteige, könne unterhaltsrechtlich eine Zurechnung zum notwendigen Bedarf nicht vorgenommen werden.

Auch eine Bedürftigkeit der Mutter des Beklagten sei zu bejahen. Soweit der Bruder R. von der Mutter deren zuvor bewohnte Wohnung „übernommen“ habe, führe dies zu keiner ausgleichsfähigen Vermögensverschiebung von der Mutter auf den Sohn, denn es handele sich insoweit um eine Mietwohnung, für die bis zu ihrem Auszug die Mutter und ab dann der Bruder R. die Miete zu zahlen hätten. Daß der Bruder R. wertvolle Einrichtungsgegenstände von der Mutter übernommen haben mag, führe ebenfalls nicht zur Annahme einer Schenkung, die im Ergebnis ggf. bedarfsmindernd zu berücksichtigen wäre. Der Bruder R. sei selbst unstreitig Bezieher von Sozialleistungen, so daß er nicht in der Lage sei, nennenswerte Geldbeträge für mögliche von der Mutter übernommene Einrichtungsgegenstände zu zahlen. Die Mutter könnte einen Schenkungsrückgriff gem. § 528 BGB mithin allenfalls dadurch realisieren, daß sie die betreffenden Einrichtungsgegenstände vom Sohn R. herausverlange und sodann veräußer. Es sei jedoch nicht zu erkennen, daß bei gebrauchten Einrichtungsgegenständen ein über dem Schonvermögen der Mutter liegender Veräußerungserlös erzielbar sei, der auf die Bedürftigkeit der Mutter nennenswerten Einfluss haben könnte.

Die Klägerin habe auch die Leistungsunfähigkeit der Geschwister des Beklagten hinreichend dargelegt.

Schließlich sei auch eine Leistungsfähigkeit des Beklagten gegeben.

Die Einkommensverhältnisse des Beklagten und seiner Ehefrau auf der Basis des Jahres 2008 würden sich zunächst wie folgt darstellen :

Rente des Beklagten 240 €; Brutto-Mieteinnahmen 940 €; Wohnvorteil (wenigstens) 600 €; Brutto-Kapitaleinkünfte 838 €;

2.618 € abzüglich Krankenversicherung 117 € Monatsbetrag 2.501 €.

Die Zurechnung der Steuererstattung für 2008 zum Einkommen komme daneben nicht in Betracht, da sich der erstattete Betrag allein aus den zuvor entrichteten Zinsabschlägen zusammensetze. Ein Ansatz der Steuererstattung neben den Kapital-Bruttoeinkünften würde mithin zu einer doppelten Zurechnung führen.

Der angemessene Selbstbehalt des Beklagten und seiner Ehefrau belaufe sich gemäß Abschnitt D I zur Düsseldorfer Tabelle auf (1.400 € + 1.050 € =) 2.450 €. Es stünden mithin lediglich (2.501 € – 2.450 € =) 51 € über dem Selbstbehalt zur Verfügung. Damit sei klar, daß der vom Amtsgericht titulierte Unterhaltsbetrag von 561 € vom Beklagten nicht aus den Einkünften bestritten werden könne, da er lediglich 50 % des überschießenden Betrages, mithin 26 € monatlich zu zahlen hätte.

Soweit der Beklagte i.ü. geltend mache, daß sein Selbstbehalt an seinen früheren Einkommensverhältnissen zu bemessen sei, liege dies neben der Sache. Auch für den noch im aktiven Erwerbsleben stehenden Unterhaltsschuldner würden die Selbstbehaltssätze der Düsseldorfer Tabelle gelten; wieso dies nach Eintritt in den Ruhestand zugunsten des Unterhaltspflichtigen zu korrigieren wäre, sei nicht ersichtlich, zumal mit fortschreitendem Alter das Bedürfnis nach einem Ausbau der eigenen Alterssicherung abnehme und mit dem Eintritt in den Ruhestand regelmäßig nicht unerhebliche Einkommenseinbußen verbunden seien. Der Unterhaltspflichtige brauche grundsätzlich keine spürbare und dauerhafte Senkung seines Lebensstandards bei Inanspruchnahme auf Elternunterhalt hinzunehmen; dem sei jedoch durch die gegenüber sonstigen Unterhaltsschuldnern deutlich höheren Selbstbehaltssätze und die Handhabung, darüber hinausgehende Beträge dem Unterhaltsschuldner hälftig zu belassen, hinreichend Rechnung getragen, und für weitere Vergünstigungen des Unterhaltspflichtigen bestehe keine Veranlassung, insbesondere nicht für eine Berücksichtigung von Aufwendungen für weitere Altersvorsorgemaßnahmen nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze.

Danach komme es entscheidend darauf an, ob der Beklagte zur Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtung sein Vermögen einzusetzen habe. Dies sei grundsätzlich der Fall. Der Beklagte sei zusammen mit seiner Ehefrau Eigentümer des selbst genutzten Einfamilienhauses, zudem Miteigentümer eines weiteren vermieteten Einfamilienhauses und zweier vermieteter Eigentumswohnungen; an zwei weiteren Eigentumswohnungen, die den Kindern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge bereits übereignet worden seien, bestehe ein lebenslanges Nießbrauchrecht. Außerdem verfüge der Beklagte über ein Barvermögen von rund 250.000 €, bei dem allerdings davon ausgegangen werden könne (gemeinsame Alterssicherung), daß seine Ehefrau jedenfalls wirtschaftlich auch insoweit hälftige Miteigentümerin sei.

Das Einfamilienhaus mag dem Beklagten und seiner Ehefrau unangetastet verbleiben, ebenso das sonstige zu Mieteinkünften und somit der Alterssicherung dienende Immobilienvermögen. Es besteht jedoch keine Veranlassung, darüber hinaus auch noch das Barvermögen des Beklagten von (250.000 € / 2=) 125.000 € bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit zur Gänze außer Ansatz zu lassen. In Anwendung von Tabelle 9 zu § 14 BewG ( vgl. Klinkhammer, Rn. 2.117 f) ergebe sich folgende Berechnung:

Kapital 125.000 € : 12 Monate : Kapitalisierungsfaktor 7.780 = 1.339 € monatliche Rente.

Der Beklagte verfüge danach über Einkünfte von (gesetzl. Rente 240 € + Miete 470 € + Wohnvorteil 300 € =) 1.010 €, zusammen mit der errechneten Rente von 1.339 € mithin über monatlich 2.349 €. Nach Abzug seines Selbstbehalts von 1.400 € verbleiben 949 €, wonach 50 %, mithin rund 475 € zur Unterhaltszahlung zur Verfügung stehen würden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß die Mutter des Beklagten nunmehr 95 Jahre alt und stark pflegebedürftig sei; ihre statistische Lebenserwartung liege unter 3 Jahren.Deshalb sei nicht davon auszugehen, daß die Mutter noch lange Jahre auf die Unterhaltszahlungen des Beklagten angewiesen sein werde, so daß für den Beklagten – und seine Ehefrau – nicht zu befürchten sei, daß das zur eigenen Alterssicherung angesparte Kapital in größerem Umfang angetastet werden müsse; jedenfalls bis zu einem als angemessen zu bewertenden Schonbetrag von 75.000 € sei ein Kapitalverzehr vom Beklagten hinzunehmen.

Der Selbstbehalt der Ehefrau des Beklagten von 1.050 € sei bei eigenen Einkünften von (Miete 470 € + Wohnvorteil 300 € + Kapitaleinkommen 419 € – Krankenversicherung 117 € =) 1.072 € gewahrt.

Die Bildung von Rücklagen für Investitionen am Immobilienbestand und zur Anschaffung eines neuen PKW sei dem Beklagten bei den dargestellten wirtschaftlichen Verhältnissen i.ü. aus den ihm verbleibenden Mitteln ohne weiteres möglich, zumal bei den zugerechneten Nettomieten bereits Abzüge für Abschreibungen berücksichtigt seien.