In dem Verfahren vor dem Amtsgericht Essen nahm die Klägerin den Fahrzeugführer und seine Haftpflichtversicerung aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich dergestalt ereignet hatte, als daß die zum Unfallzeitpunkt 10 Jahre alte Klägerin als Fußgängerin auf die Straße gelaufen war, die vom Beklagten mit seinem Pkw  befahren worden war.

Bei dem Unfalltage hatte es sich um einen verkaufsoffenen Sonntag gehandlet, so daß auf der Straße reger Betrieb herrschte und auch viele Fußgänger unterwegs waren. Der Vater der Klägerin hatte seinen Pkw in einer Parkbucht, aus Fahrtrichtung des Beklagtenfahrzeugs gesehen links, abgestellt. Von diesem Auto aus lief die Klägerin quer über die Straße, da sich ihr Vater auf der gegenüber liegenden Straßenseite aus Beklagtensicht rechts – befand. Der Beklagte befuhr die Straße mit seinem Pkw in Fahrtrichtung Stadt Mitte. Die Klägerin prallte auf den linken vorderen Kotflügel des Beklagtenfahrzeugs, wobei sie sich eine Unterschenkelfraktur, eine Mittelfußfraktur, Quetschungen, Schürfungen und eine Schädelprellung zuzog. Sie befand sich auf Grund dessen vom 04. – 16.10.2009 in stationärer sowie vom 27.10. bis 02.11.2009 in ambulanter Behandlung.

Das Gericht gab der Klage durch Urteil vom 24.08.2010 (11 C 98/10) aus Gründen der Haftung aus Betriebsgefahr für den Pkw zu 1/4 statt und wies die Klage im übrigen ab.

Das Gericht führte aus, daß bei der Beurteilung der Haftungsanteile bei Verkehrsunfällen zwischen Kindern als Fußgängern und Kfz die gesetzgeberisch gewollte Privilegierung von jüngeren Kindern im Straßenverkehr zu beachten sei.

Zwar sei die Klägerin zum Unfallzeitpunkt bereits 10 Jahre alt gewesen, so daß sie sich nicht auf die Privilegierung gem. § 828 Abs. 2 BGB berufen könne. Es sei jedoch zu berücksichtigen, daß sie diese Grenze der Vollendung des zehnten Lebensjahres noch nicht lange überschritten gehabt hätte. Aus den gesetzgeberischen Wertungen der §§ 828, Abs. 2 BGB, § 3 Abs. 2 A StVO folge, daß bei einer Schadensteilung zwischen Fußgänger und Kraftfahrzeughalter grundsätzlich eine im Vergleich zu Erwachsenen höhere Quote zu Lasten des Kfz zu bilden sei. Eine Alleinhaftung des deliktfähigen Kindes sei dennoch nicht unmöglich (BGH Beschluß vom 30.05.2006, 6 ZR 184/05). Die völlige Freistellung des Halters von der Gefährdungshaftung stelle jedoch einen Ausnahmefall dar, der nur anzunehmen sei, wenn das Verschulden auf Seiten des Kindes subjektiv besonders vorwerfbar sei. Es müsse sich objektiv und subjektiv um ein erhebliches Verschulden handeln, welches die Betriebsgefahr des Kfz als völlig untergeordnet erscheinen lasse. Dabei sei zu berücksichtigen, inwieweit es sich um altersgemäße Lern- und Eingewöhnungsprozesse in die Gefahren des Straßenverkehrs handele, mit dessen Schadenslast nach dem Zweck der Gefährdungshaftung der StVG der Kraftfahrzeugbetrieb mitbelastet sein solle (BGH Urteil vom 13.02.1990 6 ZR 128/89, BGH Urteil vom 18.11.2003 6 ZR 31/02). Soweit sich im Unfallbeitrag des Kindes altersgemäße Defizite in Integrierung in den Straßenverkehr und seine Gefahren auswirken würden, stelle dieser Beitrag auch dann nicht von Haftung nach § 7 StVG frei, wenn er objektiv als grob verkehrswidrig erscheine und deshalb, wäre ein Erwachsener geschädigt worden, die Haftung für den Halter entfallen lassen würde. Das objektive Gewicht des Unfallbeitrags gewinne in der Abwägung mit der Betriebsgefahr immer mehr an Bedeutung, je stärker das Kind vom Alter her in den Straßenverkehr integriert sein müsse. Je jünger das Kind sei, desto eher sei sein verkehrswidriges Verhalten dem Gefahrenkreis zuzurechnen, dessen Schadenslasten die Gefährdungshaftung dem Halter des Kraftfahrzeugs zuweise.

Vorliegend sei zunächst zu berücksichtigen, daß die Klägerin zum Unfallzeitpunkt 10 Jahre alt war, und somit noch sehr nah an der Grenze der Nichtverantwortlichkeit gem. § 828 Abs. 2 BGB. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe es vorliegend zur Überzeugung des Gerichtes fest, daß die Klägerin auf die Straße gelaufen sei, ohne auf etwaigen herannahenden Verkehr zu achten. Dieses Verhalten für sich genommen dürfte auch bei einem 10-jährigen Kind subjektiv besonders vorwerfbar sein. Vorliegend bestehe jedoch die Besonderheit, daß sich zumindest der Vater der Klägerin auf der gegenüberliegenden Straßenseite befunden habe und offenbar in ein lebhaftes Gespräch mit dieser verwickelt gewesen sei. Im Über-die-Straße-laufen zur Bezugsperson verwirkliche sich damit ein kindlicher Drang, wobei davon auszugehen sei, daß die Gefahren des Straßenverkehrs von dem Kind auf Grund der stattfindenden Unterhaltung mit der Bezugsperson in dem Moment nicht wahrgenommen würden.

Auch die Anrechnung eines möglichen Mitverschuldens des Vaters der Klägerin als deren gesetzlicher Vertreter komme vorliegend nicht in Betracht, da sich der Geschädigte im Bereich der haftungsbegründenden Umstelle ein Mitverschulden der gesetzlichen Vertreter grundsätzlich nicht zurechnen lassen müsse.

Für ein Verschulden des Beklagten zu 1. in seiner Eigenschaft als Fahrer des beteiligten Fahrzeugs gebe es keine Anhaltspunkte.