Das Amtsgericht Menden sprach durch sein Urteil vom 20.07.2005 (4 C 53/05) aus, daß es keinen Schadensersatz für verfallene Flugtickets gebe, wenn der Passagier bei der Fahrt mit einem Mietwagen zum Flughafen durch einen Verkehrsunfall aufgehalten werde und – mangels eingeplantem Zeitpolster – zu spät eintreffe, so daß er sein Flugzeug nicht mehr bekomme.

In dem zu beurteilenden Fall machten die Kläger Schadensersatzansprüche auf der Grundlage eines Verkehrsunfalles geltend, der sich am 26.08.2004 um 8.15 Uhr in Menden ereignet hatte.

Die Kläger wollten an diesem Tag zusammen mit einem anderen Paar zum Frankfurter Flughafen fahren, um von dort aus mit einem gebuchten und bezahlten Flug der Gulf-Air nach Dubai in Urlaub zu fliegen. Der Abflug der gebuchten Maschine erfolgte um 11.30 Uhr an diesem Tag.

Um von Menden zum Flughafen Frankfurt zu gelangen, hatte der Kläger einen Pkw VW-Golf gemietet (sogenannter One-Way-Mietvertrag). Der Mietwagen sollten dann am Frankfurter Flughafen abgegeben werden.

Zur Unfallzeit um 8:15 Uhr befanden sich lediglich der Zeuge T als Fahrer und die Zeugin L als Beifahrerin in dem Mietfahrzeug. Beide mußten die Kläger zunächst noch zu Hause abholen, um dann nach Frankfurt weiterzufahren. Auf der Straße ‘An der Fingerhutsmühle’ kam es sodann zu einem leichten Verkehrsunfall mit einem bei der Beklagten versicherten Kraftfahrzeug. Dabei entstanden an den Fahrzeugen allenfalls unwesentliche Schäden.

Der Fahrer sah sich gleichwohl veranlaßt, die Polizei hinzuzurufen, um eine Unfallmitteilung aufnehmen zu lassen. Dies habe nach dem – bestrittenen -Vortrag der Kläger 45 Minuten gedauert. Sodann hätten die Zeugen die Kläger abgeholt und gemeinsam sei man zum Flughafen Frankfurt gefahren, wo die Rückgabe des Mietfahrzeuges aufgrund des zu schildernden Unfallgeschehens weitere 30 Minuten in Anspruch genommen habe.

Gleichwohl seien die Kläger gegen 11.00 Uhr am Notschalter der Fluggesellschaft gewesen, seien aber, da es sich um einen außereuropäischen Flug gehandelt habe, nicht mehr in das Flugzeug gelassen worden, welches dann um 11.30 Uhr ohne sie abflog sei.

Die Kläger wie auch die genannten Zeugen hätten daraufhin -nach ihrem Vortrag- einen anderen Flug buchen und bezahlen müssen und seien dann etwas später mit einem anderen Flugzeug in den Urlaub geflogen.

Das Gericht gelangte in seiner klageabweisenden Entscheidung zu der der Ansicht, daß bei der vorliegenden Fallgestaltung bereits dem Grunde nach Schadensersatzansprüche aus §§ 823 BGB, 7, 17 StVG, 3 Nr. 1 PflichtVersG gegen die Beklagte nicht bestünde.

Vorliegend sei lediglich ein psychisch vermittelter, mittelbarer Vermögensschaden auf Klägerseite entstanden, welcher vom Normzweck der bei dem Unfall verletzten Normen nicht mehr umfaßt sein könne, so daß eine Rechtsgutverletzung ausscheide.

Nach Ansicht des Gerichtes hatte sich vorliegend ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, für welches der Unfallgegner und damit die Beklagte nicht einzustehen habe.

Durch den streitgegenständlichen Unfall sei bei den Klägern weder Körper, Gesundheit noch Eigentum i.S.d. § 823 BGB verletzt worden, denn die Flugscheine blieben unbeschädigt und die Kläger selbst unverletzt.

Darüberhinaus sei Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung die Differenzhypothese.

Danach sei der Verkehrsunfall für den geltend gemachten Schadenseintritt nicht ursächlich gewesen, denn die Aufwendungen für den Kauf der Flugtickets seien von den Klägern bereits zuvor gemacht worden.

Allerdings bedürfe das anhand der Differenzhypothese gewonnene Ergebnis noch einer wertenden Überprüfung auf Grund allgemeiner schadensrechtlicher Grundsätze. Vorliegend gehe es um den Ersatz von durch das Schadensereignis vergeblich gewordenen („frustrierten“) Aufwendungen. Einen solchen Ersatz habe der BGH in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in der Literatur grundsätzlich abgelehnt. Die von der Rechtsprechung zu diesem Grundsatz angeführten Ausnahmen betreffend die Kommerzialisierung des Gebrauchswertes einer Sache sah das Gericht vorliegend als nicht gegeben an:

So unterscheide sich der von den Parteien angeführte und in der Rechtsprechung diskutierte „Theaterkartenfall“ vom vorliegenden dadurch, daß in jenem Fall der Inhaber einer Theaterkarte auf dem Weg zur Theatervorstellung verletzt wurde und deswegen die Vorstellung nicht besuchen konnte, während im vorliegenden Fall die Kläger unverletzt zu Hause gesessen hätten und auf das Eintreffen der Zeugen gewartet hätten. Die Kläger hätten in dieser Situation ohne eeiteres die Möglichkeit gehabt, auf andere Art und Weise zum Flughafen Frankfurt zu gelangen und somit noch rechtzeitig den gebuchten Flug in Anspruch zu nehmen.

Zu berücksichtigen sei weiter, daß bei den Klägern, die selbst nicht verletzt worden seien, als einzig denkbare Rechtsgutverletzung nur der berechtigte Besitz an dem Mietfahrzeug in Betracht komme, und zwar in Form einer Besitzstörung durch Nichtbenutzenkönnen während des Wartens auf die Polizei, der Unfallaufnahme und dergleichen. Im Unfallzeitpunkt seien die Kläger jedoch nicht im Besitz des Mietfahrzeuges gewesen. Das Mietfahrzeug sei zu jenem Zeitpunkt allein von den Zeugen L und T benutzt worden, so daß die Voraussetzungen des § 854 Abs. 1 BGB nicht gegeben gewesen seien .

Für eine Besitzdienerschaft des Zeugen T gegenüber dem Kläger zu 2) i. S. d. § 855 BGB fehle es an der erforderlichen Weisungsabhängigkeit.

Ebenso hatte das Gericht Zweifel daran, daß in diesem Verhältnis ein mittelbarer Besitz i. S. d. § 868 BGB vorgelegen habe, da für das Vorliegen eines Besitzmittlungsverhältnisses Anhaltspunkte nicht vorgetragen worden seien.

Darüber hinaus war das Gericht der Ansicht, daß der geltend gemachte Schaden nicht mehr vom Schutzzweck der verletzten Normen (insbesondere der StVO) umfaßt sei, sondern dieser bloß psychisch vermittelte, mittelbare Vermögensschaden dem allgemeinen Lebensrisiko unterfalle.

In diesem Zusammenhang könne auf das Beispiel eines Verkehrsstaus infolge eines Verkehrsunfalles auf der Autobahn verwiesen werden. Auch hier hätten die im Stau stehenden Verkehrsteilnehmer gegen den Unfallverursacher, der – wie hier – kein eigenes Rechtsgut des Geschädigten verletzt habe, keinen Anspruch auf die infolge der Wartezeit bei anderen Verkehrsteilnehmern entstehenden Schäden.

Auch wäre ferner ein ganz überwiegenden Mitverschuldens der Kläger anzunehmen, da der Zeuge T viel zu spät losgefahren sei.

Werde ohne jedes Zeitpolster erst so spät losgefahren, daß auch vorhersehbare und einzukalkulierende Risiken im täglichen Straßenverkehr (z. B. auch ein Stau) keine Berücksichtigung finden könnten, übernehme dies der später Geschädigte in sein eigenes allgemeines Lebensrisiko und sei ihm dies als ein die Haftung ausschließendes Mitverschulden anzurechnen.