Das Oberlandesgericht Stuttgart wies in seinem Beschluß vom 06.07.2011 (2 Ss 344/11) darauf hin, daß es wegen Kennzeichenmißbrauchs nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG strafbar sei, wer bei Dunkelheit die Fahrzeugbeleuchtung und damit auch die Kennzeichenbeleuchtung ausschalte, um (auch) die Ablesbarkeit des hinteren Kennzeichens zu vereiteln.

Das Gericht führte weiter aus, daß sich nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG strafbar mache, wer in rechtswidriger Absicht das an einem Kraftfahrzeug oder einem Kraftfahrzeuganhänger angebrachte amtliche Kennzeichen verändere, beseitige, verdecke oder sonst in seiner Erkennbarkeit beeinträchtige.

Der Tatbestand des § 22 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 4 StGB sei erfüllt, wenn ein Fahrer an seinem Kraftfahrzeug die (Kennzeichen-)Beleuchtung ausschalte, um anschließend mit seinem Kraftfahrzeug unerkannt davonfahren und eine Kontrolle durch ein ihn verfolgendes Polizeifahrzeug vereiteln zu können.

Das in § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG unter Strafe gestellte Verhalten und der dort verwandte Begriff des amtlichen Kennzeichens knüpften an die einschlägigen Normen der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) an. Nach § 10 Abs. 2 FZV müßten Kennzeichenschilder reflektierend sein und dürften nicht spiegeln, verdeckt oder verschmutzt oder zusätzlich mit Glas, Folien oder ähnlichen Abbildungen versehen sein. § 10 Abs. 6 FZV treffe speziell für die hinteren Kennzeichen Regeln zu deren Anbringung und Sichtbarkeit. § 10 Abs. 6 Satz 2 FZV normiere hierbei, daß hintere Kennzeichen eine Beleuchtungseinrichtung haben müßten, welche das ganze Kennzeichen auf 20 m lesbar mache.

Die Kennzeichenbeleuchtung sei Bestandteil des hinteren Kennzeichens. Sie habe ausschließlich – anders als die übrigen Beleuchtungseinrichtungen eines Kraftfahrzeugs – den Zweck, dessen Ablesbarkeit bei Dunkelheit zu gewährleisten. Hierbei verpflichte § 17 Abs. 1 StVO den Fahrer, bei Dämmerung, Dunkelheit oder schlechten Sichtverhältnissen die vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen, somit auch die Kennzeichenbeleuchtung, einzuschalten.

§ 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG nehme diese Anforderungen aus der Fahrzeug-Zulassungsverordnung auf und stelle bestimmte Verhaltensweisen, die die Erkennbarkeit des amtlichen Kennzeichens betreffen und § 10 Abs. 2, Abs. 6 FZV zuwiderlaufen würden, unter einen höheren – strafrechtlichen – Schutz. Die Möglichkeit, am Straßenverkehr teilnehmende Kraftfahrzeuge am amtlichen Kennzeichen zu identifizieren, habe der Gesetzgeber für so wesentlich gehalten, daß er zusätzlich diese gesonderte Strafnorm geschaffen habe.
§ 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG stelle Handlungen unter Strafe, die in die Substanz des Kennzeichens eingreifen (verändern), die die Verbindung des Kennzeichens mit dem Kraftfahrzeug betreffen (beseitigen), die auf die Beeinträchtigung der Sichtbarkeit des Kennzeichens bezogen sind (verdecken) und- als Auffangtatbestand – das Kennzeichen sonst in seiner Erkennbarkeit beeinträchtigen würden.

Der Inhalt des Auffangtatbestandes in § 22 Abs. 3 4. Alt. StGB könne über den § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG zugrunde liegenden § 10 Abs. 2, Abs. 6 FZV, der generell die Anforderungen an die Erkennbarkeit und Sichtbarkeit von Kennzeichen regele, sowie aus der Vergleichbarkeit mit den übrigen tatbestandlich benannten Handlungsalternativen in § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG ermittelt und bestimmt werden:

§ 10 Abs. 6 Satz 2 FZV treffe eine spezielle Regelung für die Lesbarkeit und Erkennbarkeit des hinteren Kennzeichens bei Dunkelheit. Da alle übrigen tatbestandlichen Handlungen des – im Hinblick auf den Schutzzweck an § 10 Abs. 2, Abs. 6 FZV anknüpfenden – § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG (verändern, beseitigen, verdecken) ebenfalls auf die Lesbarkeit und Erkennbarkeit des Kennzeichens bezogen seien, sei das Verhalten desjenigen, der bei Dunkelheit die Fahrzeugbeleuchtung und damit auch die Kennzeichenbeleuchtung ausschalte, um (auch) die Ablesbarkeit und Erkennbarkeit des hinteren Kennzeichens zu vereiteln, unter den Auffangtatbestand des § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG („sonst in seiner Erkennbarkeit beeinträchtigt“) zu subsumieren. Genau wie bei den übrigen Handlungsalternativen knüpfe das unter Strafe gestellt Verhalten an die in § 10 Abs. 2, Abs. 6 FZV getroffenen Reglungen an. Genau wie bei den übrigen Tatbestandsalternativen des § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG sei die strafbare Handlung auf das Vereiteln der Ablesbarkeit und Erkennbarkeit des Kennzeichens bezogen.

Unterlasse der Fahrer das Einschalten der Beleuchtung in der vom Tatbestand geforderten rechtswidrigen Absicht, macht er sich nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 4 StVG strafbar.

Eine Beschränkung auf nur „unmittelbar“ am Kennzeichen erfolgende Manipulationen, wie sie in Literatur und Rechtsprechung teilweise vertreten werde erfordere der Auffangtatbestand nicht.