Landessozialgericht Thüringen, Beschluß vom 20.12.2021 (L 1 SF 1371/19 B):

Leitsatz
Beginnt die mündliche Verhandlung später als in der Ladung mitgeteilt, ist die Wartezeit des beigeordneten Rechtsanwalts bei der Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr 3106 VV RVG (juris: RVG-VV) beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen. (Rn.22)

(…)

“ Die Wartezeit ist beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen (hierzu schon: Bayerisches LSG, Beschluss vom 23. Mai 2018 – L 12 SF 94/18 Rn. 24 und 1. April 2015 – L 15 SF 259/14 E; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Februar 2018 – L 19 AS 1472/17 B Rn. 60; differenzierend: Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 22. November 2016 – L 5 SF 91/15 B E, Rn. 17; Riedel/Sußbauer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beck-online, 10. Aufl. 2015, § 14 RVG Rn. 70; a.A. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Juni 2019 – L 7 AS 5/17 B, Rn. 24, Sächsisches LSG, Beschluss vom 8. Januar 2014 – L 8 AS 585/12 B KO, Rn. 27, alle nach juris).

Randnummer23
Findet ein Termin statt, wird der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit durch die Dauer des Termins bestimmt. Nach der Vorb. 3 Abs. 3 Satz 1 VV RVG entsteht die Terminsgebühr u.a. für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen. Nach der Überzeugung des Senats beinhaltet diese Formulierung nicht, dass lediglich die Zeit vom tatsächlichen Beginn des Erörterungstermins bzw. der mündlichen Verhandlung – mit dem Aufruf der Sache – bis zum Ende des Termins zu berücksichtigen ist. Die Wahrnehmung des Termins liegt schon vor, wenn der Rechtsanwalt aufgrund seiner Anwesenheit bereit ist, sich zum Zeitpunkt des mit der Ladung verfügten Beginns des Termins im Sitzungsaal einzufinden. In dem Zeitraum zwischen dem anberaumten Termin und dem Aufruf der Sache kann der Anwalt typischerweise nicht sinnvoll einer anderweitigen Tätigkeit nachgehen. Er verbleibt regelmäßig wartend am Sitzungssaal, weil er jederzeit mit dem Aufruf der Sache zu rechnen hat (vgl. für den Bereich des Strafrechts: Landgericht Osnabrück, Beschluss vom 3. März 2021 – 3 KLs 6/21, Juristisches Büro 9/21, Seite 465). Dem steht aus der Sicht des Senats nicht entgegen, dass sonstige Vorbereitungshandlungen oder Anreisezeiten bei der Terminsgebühr unstreitig nicht zu berücksichtigen sind. Diese Tätigkeiten stehen nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem vom Gericht auf eine bestimmte Uhrzeit anberaumten Termin. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer ab 12:00 Uhr – der Uhrzeit des anberaumten Termins – nicht mit Warten verbracht hat, bestehen hier nicht. Laut Sitzungsplan vom 22. Oktober 2018 war dies der erste von insgesamt zehn Terminen, die der Beschwerdeführer an diesem Tag wahrzunehmen hatte. Bezüglich der weiteren Kriterien nach § 14 RVG nimmt der Senat auf seine Ausführungen zur Verfahrensgebühr Bezug.“