Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 22.02.2022 (7 U 39/20):


1.

Ein Auffahrunfall ist für den Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs im Einzelfall vermeidbar, wenn ein „Idealfahrer“ bei gehaltener Rückschau das zu schnell herannahende und später auffahrende Fahrzeug erkannt und dessen Fahrer durch konsequentes Halten der Fahrspur ein Ausweichen ermöglicht hätte.

2.

Ein Verstoß des Fahrers des vorausfahrenden Fahrzeugs gegen das Gebot nach § 1 Abs. 2 StVO, den nachfolgenden Verkehr nicht zu gefährden, steht damit indes nicht fest.

3.

Die Behauptung eines Rechtsüberholvorgangs, der zu einem Auffahrunfall geführt haben soll, kann im Einzelfall auch bei offenem technischem Sachverständigengutachten durch die Angaben der vermeintlichen Rechtsüberholerin und ihres Ehemannes widerlegt werden. Es kommt damit ein Verstoß des Auffahrenden gegen das Abstandsgebot gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO in Betracht.“