BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 – VI ZR 937/20

Der u.a. für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Kfz-Unfällen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgeldes seien im wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei gehe es nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falles, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei sei in erster Linie die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung sei eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzen, die sich jedoch nicht streng rechnerisch ermitteln lasse.

Diesen Grundsätzen werde die vom Berufungsgericht vorgenommene „taggenaue Berechnung“ des Schmerzensgeldes nicht gerecht. Die schematische Konzentration auf die Anzahl der Tage, die der Kläger auf der Normalstation eines Krankenhauses verbracht habe und die er nach seiner Lebenserwartung mit der dauerhaften Einschränkung voraussichtlich noch werde leben müssen, lasse wesentliche Umstände des konkreten Falles außer Acht. So bleibe unbeachtet, welche Verletzungen der Kläger erlitten habe, wie die Verletzungen behandelt würden und welches individuelle Leid bei ihm ausgelöst worden sei. Gleiches gelte für die Einschränkungen in seiner zukünftigen individuellen Lebensführung. Auch die Anknüpfung an die statistische Größe des durchschnittlichen Einkommens trage der notwendigen Orientierung an der gerade individuell zu ermittelnden Lebensbeeinträchtigung des Geschädigten nicht hinreichend Rechnung. Das Berufungsgericht werde daher erneut über die Höhe des Schmerzensgeldes zu befinden haben.

Vorinstanzen:

Landgericht Darmstadt – Urteil vom 17. September 2019 – 2 O 227/14

Oberlandesgericht Frankfurt a.M. – Urteil vom 4. Juni 2020 – 22 U 244/19