Bundessozialgericht, Urteil vom 04.06.2014 (B 14 AS 30/13 R), PM:

Die Revision des beklagten Jobcenters wurde zurückgewiesen. Dass Eltern im Rahmen des Alg II grundsätzlich Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen der Kosten des Umgangsrechts mit von ihnen getrennt lebenden Kindern haben, ergibt sich aus dem Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09 ua – BVerfGE 125, 175) und dem daraufhin geschaffenen § 21 Abs 6 SGB II.

Der Anspruch setzt zwar einen vom durchschnittlichen Bedarf erheblich abweichenden, unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen Mehrbedarf voraus. Ein solcher ist aber gegeben, wenn für die Fahrten zur Ausübung des Umgangsrechts, wie beim Kläger, 68 km mit einem PKW zurückgelegt werden müssen und das Umgangsrecht alle zwei Wochen besteht. Denn selbst wenn nur eine Kilometerpauschale von 20 Cent wie nach dem Bundesreisekostengesetz zugrunde gelegt wird, ergibt sich ein Betrag von zumindest 27,20 Euro pro Monat.

Dieser Betrag beinhaltet auch eine erhebliche Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf hinsichtlich der Regelleistung von damals 359 Euro insgesamt und des in der damaligen Regelleistung enthaltenen Betrags für Fahrtkosten von hochgerechnet gut 20 Euro, zumal in diesen die Ausgaben für PKW nicht berücksichtigt wurden.

Eine Rechtsgrundlage für die von der Beklagten vertretene allgemeine Bagatellgrenze ist nicht zu erkennen. Eine Heranziehung der 10 %-Regelung für die Rückzahlung von Darlehen nach § 42a SGB II scheidet ‑ unabhängig von den um diese Vorschriften als solche bestehenden Rechtsfragen ‑ aus. Bei einem Darlehen haben die Betroffenen das Geld vorher erhalten, das sie dann an das Jobcenter zurückzahlen, während es ihnen bei einer Bagatellgrenze vorenthalten würde, obwohl sie darauf einen Anspruch haben. Mit einer Rundungsregelung, die maximal 49 Cent abrundet (vgl dazu Urteil des Senats vom 12.7.2012 ‑ B 14 AS 35/12 R ‑ BSGE 111, 234 = SozR 4-1500 § 54 Nr 28 RdNr 15 ff), ist eine solche Bagatellgrenze, die nach den Vorstellungen des Beklagten bei 10 % des Regelbedarfs liegen soll, also derzeit bei circa 39 Euro pro Monat, nicht vergleichbar.

SG Detmold                       – S 23 AS 2830/10 –
LSG Nordrhein-Westfalen   – L 7 AS 1911/12 –
Bundessozialgericht           – B 14 AS 30/13 R –

Verknüpftes Dokument, siehe auch:  Urteil des 14. Senats vom 4.6.2014 – B 14 AS 2/13 R –, Urteil des 14. Senats vom 17.10.2013 – B 14 AS 70/12 R –, Urteil des 4. Senats vom 16.2.2012 – B 4 AS 14/11 R –, Urteil des 14. Senats vom 4.6.2014 – B 14 AS 38/13 R –, Urteil des 14. Senats vom 4.6.2014 – B 14 AS 30/13 R –, Urteil des 14. Senats vom 4.6.2014 – B 14 AS 53/13 R –, Urteil des 14. Senats vom 12.6.2013 – B 14 AS 60/12 R –, Urteil des 14. Senats vom 12.7.2012 – B 14 AS 35/12 R –, Urteil des 14. Senats vom 4.6.2014 – B 14 AS 42/13 R –