Oberlandesgericht Hamm, Beschluß vom 30.08.2007 (3 Ss OWi 458/07):

In Rechtsprechung und Lehre besteht Einigkeit darüber, daß es sich bei mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen auch im Verlaufe einer Fahrt regelmäßig um mehrere Taten im materiellen und prozessualen Sinne handelt (vgl. OLG Hamm VM 2007, 14; OLG Brandenburg NZV 2006, 109, BayObLG NZV 1995, 407; 1994, 448; OLG Köln NZV 1994, 292; OLG Düsseldorf NZV 2001, 273; 1994, 118). Der Umstand, daß die mehreren Verstöße während der selben Fahrt begangen wurden, ändert nichts daran, daß das Fahren als solches keine rechtliche Klammer zu den einzelnen Verhaltensweisen im Straßenverkehr bildet. Eine einzige Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit ist dagegen lediglich dann anzunehmen, wenn strafrechtlich oder ordnungswidrigkeitenrechtlich erhebliche Verhaltensweisen durch einen derart unmittelbaren zeitlich-räumlichen und inneren Zusammenhang gekennzeichnet sind, daß sich der gesamte Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen unbeteiligten Dritten als einheitliches zusammengehöriges Tun darstellt (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Köln a.a.O.).

Ein derartiger Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit bei zwei Messungen
unterschiedlich ist.

Die Entscheidung des OLG Köln vom 15.08.2004 (Ss 259/04 (B), NZV 2004, 536) und die dortige Beurteilung als natürliche Handlungseinheit bei mehreren fahrlässig im Meßabstand von ebenfalls nur 1 Minute auf dem selben Autobahnabschnitt begangener Geschwindigkeitsüberschreitungen rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Die dortige Fallgestaltung unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der hier vorliegenden, weil nach den dortigen Feststellungen zwischen beiden Messungen eine Änderung der durch Beschilderung ausgewiesenen zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht erfolgt war, sondern diese durchgehend 100 km/h betrug. Bei dieser Konstellation liegt – auch wenn der Betroffene in jenem Fall seine Geschwindigkeit zwischen beiden Messungen von 161 bzw. 169 km/h unter 100 km/h verringert hatte – eine andere Verkehrssituation vor, da der Betroffene im hier gegebenen Fall zwei Fehlleistungen erbrachte, indem er nach dem Passieren der ersten Beschilderung hinsichtlich der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h eine zweite passierte, die die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h weiter auf 80 km/h herabsetzte und beide überschritt (vgl. ebenso OLG Brandenburg a.a.O. in einer gleichgelagerten Fallkonstellation wie hier). Beide Verstöße sind im hier gegebenen Fall von deutlich unterschiedlichen Gewicht, während sie in der der Entscheidung des OLG Köln zugrundeliegenden Konstellation mit 161 bzw. 169 km/h – vor Abzug der Toleranz – von vergleichbarem Gewicht waren und die örtlichen Gegebenheiten auch nicht unterschiedlich waren.

Trotz des gegebenen örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs stellen sich die Verstöße hier mithin bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten nicht als einheitliches zusammengehörendes Tun dar, sondern die Verstöße erfolgten in zwei verschiedenen Verkehrssituationen und beruhten auf verschiedenen sachgedanklichen Ursachen in der Person des Betroffenen (vgl. OLG Hamm a.a.O.).