BGB §§ 1577, 1578 III, 1578b I S. 1, 1585b II, 1606 III S. 1, 1613 I S. 1; FamFG § 120 I, ZPO § 717 III S. 1

BGH, Beschluss v. 07.11.2012 – XII ZB 229/11 –

Die Ehefrau nimmt den Ehemann auf Zahlung von nachehelichen Unterhalt in Anspruch. Die Beteiligten heirateten 1991. Die Scheidung der Ehe ist seit dem 01.05.2009 rechtskräftig. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, die in den Jahren 1993 und 1995 geboren sind. Bis Mai 2010 bewohnte die Ehefrau gemeinsam mit den Kindern die eheliche Immobilie. Nachdem der Ehemann im Rahmen einer Teilungsversteigerung das Alleineigentum an der Immobilie erworben hatte, zog er dort ein und übernahm die Betreuung der Kinder.

Die Ehefrau ist gelernte Bankkauffrau. Sie Januar 2009 arbeitet sie bei der Immobilienabteilung der Sparkasse. Die Stelle bekam sie durch Vermittlung ihres Ehemannes, der stellvertretender Geschäftsstellenleiter der Sparkasse ist.

Die Antragstellerin hatte zunächst im August 2009 Auskunft zur Geltendmachung nachehelichen Unterhalts verlangt und hatte ihren Unterhaltsanspruch danach auf 310,50 € beziffert und im November 2009 einen entsprechenden Zahlungsantrag beim Familiengericht eingereicht, den sie dann später rückwirkend erhöht hat.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde der Ehefrau war erfolgreich und führte zu Verpflichtung zur Zahlung von Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt in unterschiedlicher Höhe, zuletzt zu einem monatlichen Elementarunterhalt in Höhe von 804,00 € und einen Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 182,00 € monatlich. Die Rechtsbeschwerde des Ehemannes hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache.

Der BGH beschäftigt sich in dieser Entscheidung mit der Frage, ob der Unterhaltsberechtigte, der vom Unterhaltspflichtigen zunächst Auskunft begehrt und später seinen Anspruch entsprechend beziffert hat, im Nachhinein die ursprüngliche Bezifferung rückwirkend erhöhen kann.

Nach § 1613 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Unterhaltsberechtigte berechtigt, für die Vergangenheit von dem Zeitpunkt an Unterhalt zu fordern, zu welchem der Verpflichtete zur entsprechenden Auskunftserteilung aufgefordert worden ist. Nach der Auffassung des BGH steht der Wortlaut der Norm einer rückwirkenden Erhöhung der zwischenzeitlich erfolgten Bezifferung des Anspruchs nicht entgegen. Allerdings bedürfe die Norm einer einschränkenden Auslegung. Soweit der Unterhaltsberechtigte seinen Anspruch beziffert habe, ohne sich zugleich vorzubehalten, den Anspruch gegebenenfalls im Hinblick auf noch nicht erfolgte Auskünfte zu erhöhen, brauche der Unterhaltspflichtige nur noch mit einer Inanspruchnahme in der bezifferten Höhe zu rechnen.

Der BGH hat sich also gegen eine rückwirkende Erhöhung entschieden und begründet das insbesondere mit dem in § 1613 Abs. 1 BGB verankerten Schutz des Schuldners, vor einer nicht mehr kalkulierbar anwachsenden Unterhaltslast.

Insoweit konsequent erstreckt der BGH diese Argumentation auch auf eine nach Bezifferung des Unterhalts erfolgte rückwirkende Geltendmachung von Altersvorsorgeunterhalt. Zwar reiche es für die rückwirkende Geltendmachung i.S.v. § 1613 BGB aus, dass Auskunft mit dem Ziel der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs begehrt werde, ohne hierbei zwischen Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt zu differenzieren. Wenn der Unterhaltsberechtigte aber nach erteilter Auskunft seinen Unterhaltsanspruch beziffert, ohne dabei den Altersvorsorgeunterhalt geltend zu machen, scheide ein rückwirkend verlangter, über den bereits bezifferten Betrag hinausgehender Altersvorsorgeunterhalt aus. Der Berechtigte ist also für die Vergangenheit an seine einmal vorgenommene Bezifferung des Gesamtunterhalts gebunden, es sei denn, er behält sich die zusätzliche Geltendmachung des Vorsorgeunterhalts ausdrücklich vor.

Schließlich enthält die Entscheidung einen wichtigen neuen Aspekt bei der Berechnung des ehebedingten Nachteil im Rahmen der Billigkeitsabwägung gem. § 1578b BGB.

Immer dann, wenn im Wege der Vergleichsberechnung zwischen dem tatsächlich erzielten oder fiktiv erzielbaren Einkommen des Unterhaltsberechtigten und dem fiktiv ohne die Ehe erzielbaren Einkommen eine Differenz ermittelt wird und damit ein ehebedingter Nachteil festgestellt wird, ist noch der hierauf entfallende Altersvorsorgeunterhalt hinzuzurechnen. Der BGH weist zu Recht darauf hin, dass sich der ehebedingte Nachteil mit Renteneintritt in Form der geringeren Rentenanwartschaften fortsetze. Durch die Bewilligung von Altersvorsorgeunterhalt könne dieser Nachteil ausgeglichen werden.