Mit dem Beschluß des OLG Hamm v. 10.09.2012 – AZ II ( 14 UF 165/12) kann es bei der Frage, ob und inwieweit sich ein Student überobligatorische Nebeneinkünfte auf seinen Unterhaltsbedarf gegenüber einem Elternteil anrechnen lassen muß, im Rahmen der Billigkeitsabwägung entsprechend § 1577 Abs. 2 S. 2 BGB einen für die Anrechnung sprechenden Gesichtspunkt darstellen, wenn der Student noch zuhause (= bei dem anderen Elternteil) wohnt und dadurch einen im Zweifel geringeren Lebenshaltungsaufwand hat als ein Student mit eigenem Studienortwohnsitz, sein Bedarfssatz nach der Düsseldorfer Tabelle aufgrund der hohen maßgeblichen Einkommensgruppe jedoch höher ist als der Regelsatz von 670 € für einen auswärts wohnenden Studenten.

Der 21 Jahre alte Antragsteller war Student im dritten Semester und lebte im Haushalt seiner Mutter. Er nahm den Antragsgegner, seinen von der Mutter geschiedenen Vater, auf Unterhalt in Anspruch. Streitig war u. a., ob und ggf. in welcher Höhe er sich ein Nebeneinkommen von ca. 300 € monatlich aus einer Aushilfstätigkeit in einem Supermarkt auf seinen Unterhaltsbedarf anrechnen lassen müsse, der sich aufgrund der zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile nach Einkommensgruppe 10 (2011) bzw. 9 (2012) der Düsseldorfer Tabelle bemaß. Mit dem angefochtenen Beschluß hatte das Familiengericht den Antragsgegner zu monatlichen Unterhaltszahlungen von 397 € (2011) bzw. 364 € (2012) verpflichtet und dabei eine Anrechnung des Nebenverdienstes abgelehnt. Die Beschwerde des Antragsgegners hatte teilweise Erfolg, wobei das Oberlandesgerich Hamm im Ergebnis eine Anrechnung zu einem Drittel vornahm.

Zunächst stellte das Oberlandesgericht Hamm fest, daß es sich bei den Einkünften des Antragstellers unstreitig um überobligatorische Nebeneinkünfte handele.

Gegen eine Anrechnung spreche es grds., wenn der Unterhaltsberechtigte eine überobli­gatorische Erwerbstätigkeit gerade deswegen aufnehmen müsse, weil der Unterhalts­pflichtige ihm nicht den vollen geschuldeten Unterhalt zahle . Hier habe der Antrags­gegner bei Einleitung des Ver­fahrens Ende 2011 nach Angabe des Antragstellers monatlich 337 € an ihn gezahlt. Das seien bereits mehr als die durch notarielle Urkunde titulierten 227 € gewesen, wenngleich sich für September bis Dezember 2011 ohne Anrechnung des Eigeneinkommens 393 € ergeben hätten. Für den Zeitraum ab Januar 2012 hätten die Zah­lungen dann wieder ungefähr den geschuldeten Beträgen entsprochen. Im übrigen trage der Antragsteller selbst nicht vor, die Nebentätigkeit gezielt aus Anlaß einer vom Antragsgegner ver­weigerten Unterhaltsaufstockung aufgenommen zu haben. Er will sie vielmehr bereits seit „der letzten Zeit seiner schulischen Ausbildung“ ausgeübt haben.

Gegen eine Anrechnung sprächen im vorliegenden Fall die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners, die es ihm ermöglichen würden, auch einen ungekürzten Unterhalt ohne auch nur annähernde Beeinträchtigung seines an­gemessenen Selbstbehalts zu zahlen. Ferner sei ihm eine volle Absetzung auch der Tilgungsbeiträge zu seinem Eigenheim gestattet worden, was ein gewisses Maß an Großzügigkeit auch auf der anderen Seite, also zugunsten des Antragstellers, rechtfertige.

Für die Anrechnung von Nebeneinkünften eines Studenten spreche es, wenn die Ne­bentätigkeit einen so erheblichen Umfang annehme, daß sie den Studienfortschritt beeinträchtige und der Unterhaltspflichtige deshalb eine zeitliche Verlängerung seiner Zahlungspflicht befürchten müsse. Anders als in dem der Entscheidung OLG Bran­denburg NJW-RR 2011, 725 zugrundeliegenden Fall, wo die monatlichen Einkünfte eine Größenordnung von 800 € erreichten, sei der Studienfortschritt durch den vom hiesigen Antragsteller ausgeübten Tätigkeitsumfang jedoch kaum gefährdet, zumal er glaubhaft angegeben habe, ihn in Zeiten erhöhter Studienbelastung kurzfristig reduzieren zu können.

Dennoch erscheine im vorliegenden Fall eine vollständige Anrechnungsfreiheit der Nebeneinkünfte im Ergebnis nicht angemessen, und zwar aus dem auch vom Antragsgegner hervorgehobenen Gesichtspunkt, daß der Antragsteller keinen eigenen Studenten­wohnsitz unterhält, sondern im Haushalt seiner Mutter wohnen kann. Durch diesen Umstand entstehe für den Antragsteller – unabhängig davon, ob und inwieweit er deswegen die Unterhaltsbeträge und/oder seine Nebeneinkünfte tatsächlich an sie abführe – ein geringerer Lebenshaltungsaufwand als bei aushäusiger Unterbringung. Anders als in vielen anderen Fällen werde diesem Umstand im vorliegenden Fall nicht dadurch Rech­nung getragen, daß der nach der Düsseldorfer Tabelle ermittelte Bedarfssatz eines zuhause wohnenden Volljährigen niedriger sei als der feste Regelsatz von 670 € für einen Studenten mit eigenem Wohnsitz. Vielmehr sei aufgrund der hohen maßgebli­chen Einkommensgruppen hier das Gegenteil der Fall (Gruppe 10 ohne Kindergeld­anrechnung 781 €; Gruppe 9 dto. 742 €). Selbst wenn in dieser Konstellation auch der Bedarfssatz bei auswärtiger Unterbringung entsprechend an­zuheben sein sollte, würde diese Anhebung aber allenfalls bis zur Höhe der Tabellensätze erfolgen, nicht noch darüber hinaus, so daß immer noch ein Vorteil durch die Wohnkosten- und Haushaltsersparnis verbliebe. Es erscheine gerechtfer­tigt, den Antragsgegner daran durch eine maßvolle Anrechnung des Eigeneinkom­mens teilhaben zu lassen.

Infolge der Anrechnung eines Einkommensanteils von ca. 102 € verbliebe im Jahre 2011 noch eine Bedürftigkeit des Antragstellers in Höhe von 495 € und von Januar 2012 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Höhe von 456 €. Im Rahmen der für die Zukunft anzustellenden Prognose könne jedoch nicht ohne weiteres von einem gleichbleibenden Umfang der Eigeneinkünfte ausgegangen werden. Mit fortschrei­tendem Studium sei nämlich im Zweifel eine zunehmende Lernbelastung zu erwarten; die Angabe des Antragstellers im Termin, er wisse nicht, ob er z. B. ange­sichts der derzeit anstehenden Prüfungsphase zu Beginn des 3. Semesters seine Nebentätig­keit in dem vollen bisherigen Umfang aufrechterhalten könne, erscheine plausibel. Der Senat lege deshalb für die Zukunft ein prognostiziertes Durchschnitts­einkommen des Antragstellers von nur noch ca. 200 € zugrunde, von dem dann folg­lich ca. 67 € an­zurechnen seien mit der Folge einer verbleibenden Bedürftigkeit in Höhe von 491 €.