Mit dem Beschluß des Kammergerichts Berlin vom 19.10.2012 (19 UF 7/12), rechtfertigt eine lange Trennungszeit keine Beschränkung des Versorgungsausgleichs, wenn der Ausgleichsberechtigte während des überwiegenden Zeitraums die Kinderbetreuung allein übernommen habe. Das gelte auch, wenn die früheren Eheleute währenddessen wirtschaftlich von einander unabhängig waren.

Ferner stehe bei der externen Teilung dem Zielversorgungsträger der Kapitalbetrag nebst Zinsen bis zum Eingang der Zahlung zu.

In dem zugrundeliegenden Verfahren hatten die Parteien im Jahre 1989 geheiratet und lebten seit 1998 getrennt. Die Fürsorge für die gemeinsamen, in den Jahren 1985, 1987 und 1988 geboren Kinder hatte nach der Trennung die Antragsgegnerin allein übernommen; der Antragsteller leistete Kindesunterhalt und übte seine berufliche Tätigkeit ohne Einschränkungen durch die Erziehungszeiten aus.

Die Antragsgegnerin hatte mit der Geburt der Kinder ihr Studium abgebrochen und die Haushaltsführung sowie Kinderbetreuung übernommen. Seit September 2000 ging sie einer Erwerbstätigkeit nach und der Antragsteller zahlte an sie keinen Unterhalt mehr.

Der Scheidungsantrag des Antragsteller wurde am 17.3.2011 zugestellt. Das Amtsgericht hatte mit dem angefochtenen Beschluss die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich – nach Kapitalwerten in Höhe von 79.838,18 Euro zulasten des Antragstellers – durchgeführt. Gegen diesen, seinem Verfahrensbevollmächtigten am 12.12.2011 zugestellten Beschluss wandte sich der Antragsteller mit der am 10.1.2012 bei dem Amtsgericht eingegangenen Beschwerde. Mit dieser machte er erstmals geltend, der Versorgungsausgleich dürfe nicht im vollen Umfang stattfinden, da die früheren Eheleute bereits seit längerer Zeit wirtschaftlich von einander unabhängig seien.

Das Kammergericht wies die Beschwerde als unbegründet zurück.

Der Versorgungsausgleich sei nicht nach § 27 VersAusglG zu beschränken oder auszuschließen. Ein Ausnahmefall, in dem die ungekürzte Teilung der in der Ehezeit erworbenen Anrechte unbillig wäre, liegt niche vor.

Der Ausgleich der in die Ehezeit fallenden Anrechte i.S.d. § 2 Abs. 1, 2 VersAusglG sei unabhängig von den jeweiligen Ursachen, die zur Auflösung der Ehe geführt haben, und den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten prinzipiell durchzuführen. Die mit der Abgabe von Anwartschaften für die eine oder die andere Sache verbundenen Belastungen seien grundsätzlich systemimmanent und vom Gesetzgeber gewollt.

Der in diesem Sinne schematische gesetzliche Ansatz könne allerdings in besonders gelagerten Einzelfällen zu unbilligen Ergebnissen führen, insbesondere dann, wenn der Versorgungsausgleich seinem Zweck – der Aufteilung der in der Ehe aufgrund einer gemeinsamen Lebensleistung erworbenen Anrechte – zuwiderlaufen und nicht zu einer angemessenen sozialen Sicherung beider Ehegatten führen würde, der Wertausgleich also nicht mehr durch Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt wäre. Insoweit habe § 27 VersAusglG die von § 1587 c BGB a.F., § 1587 h BGB a.F. und § 3a Abs. 6 VAHRG übernommene Funktion, die aufgrund des starren Wertausgleichs eintretenden Ergebnisse zu korrigieren und verfassungsrechtlich bedenkliche Ergebnisse zu vermeiden (vgl. Borth, Versorgungsausgleich, 6. Auflage, Rn. 839 m.w.N.).

Hierbei handele es sich um einen Ausnahmetatbestand, an den strengere Maßstäbe anzulegen seien als sie bei der Prüfung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB gelten würden. Die Vorschrift sei nur dann anzuwenden, wenn die starre Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde.

Umstände, die die Unbilligkeit des zulasten des Antragstellers gehenden Versorgungsausgleichs begründen könnten, lägen nicht vor:

Die lange Dauer der Trennungszeit rechtfertige eine Kürzung des Versorgungsausgleichs vorliegend nicht. Wegen des grundsätzlichen Schutzes des Bestandes der Ehe sei der Versorgungsausgleich auch bezüglich der während der Trennungszeit erworbenen Anrechte durchzuführen.

Da der Versorgungsausgleich im Grundsatz auf der Überlegung beruhe, daß der Erwerb der beiderseitigen Versorgungsanrechte auch das Ergebnis der gemeinschaftlichen Lebensführung der Parteien sei, kämen allerdings Ausnahmen in Betracht, wenn die Versorgungsschicksale sich während der Trennungszeit so weit verselbständigen würden, daß die Versorgungsgemeinschaft aufgegeben werde; dem Versorgungsausgleich fehle dann die ihn rechtfertigende Grundlage. Deswegen könne es im Einzelfall angezeigt sein, bei einer ungewöhnlich langen Trennungszeit eine Beschränkung des Versorgungsausgleiches unter Anwendung der allgemeinen Billigkeitsklausel bis hin zu einem vollständigen Ausschluß vorzunehmen.

Vorliegend würden die früheren Eheleute vor Einreichung der Scheidung bereits ca. 13 Jahre getrennt leben, von denen die Antragsgegnerin seit 11 Jahren wirtschaftlich von dem Antragsteller unabhängig sei. Allerdings seien von der Trennungszeit die Jahre nicht mitzuberücksichtigen, in denen ein früherer Ehegatte die Aufgabe der Kinderbetreuung übernommen habe. Denn diese nach der Trennung von der Antragsgegnerin allein übernommene Aufgabe sei auch eine des Antragstellers gewesen, selbst dann, wenn er Kindesunterhalt gezahlt habe. Die Erziehung gemeinsamer Kinder erschöpfe sich nicht in der Deckung des finanziellen Bedarfs, sondern erfordert im wesentlichen ein persönliches Einbringen, das der Antragsteller nicht geleistet habe. Daher erscheine es nur gerecht, wenn er hierfür in versorgungsrechtlicher Hinsicht gegenüber der Antragsgegnerin in der Pflicht bleibe. Auf die wirtschaftliche Selbständigkeit der Antragsgegnerin komme es daneben ebenso wenig an wie auf die Frage, ob ihre Erwerbsmöglichkeiten ehebedingt eingeschränkt gewesen seien bzw. seien. Solange die Antragsgegnerin gemeinsame Kinder betreut habe, habe eine Entflechtung der Verhältnisse der früheren Ehegatten eben nicht stattgefunden.

Gehe man davon aus, daß die Kinderbetreuung mit der Volljährigkeit des jüngsten Kindes im Jahr 2006 geendet habe, seien bis zu der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags im März 2011 weitere fünf Jahren vergangen. Im Verhältnis zu den ca. 9 Jahren, in denen die früheren Ehegatten seit der Eheschließung im Jahr 1989 zusammengelebt hätten, handele es sich nicht um eine verhältnismäßig lange Trennungszeit, die eine Einbeziehung auch dieses Zeitraumes in den Versorgungsausgleich unbillig erscheinen lassen würde.

Ferner sei der zum Zwecke der externen Teilung zu zahlende Kapitalbetrag ab dem Ehezeitende zu verzinsen. Der Zinssatz richte sich nach dem von dem leistungspflichtigen Versorgungsträger bei der Berechnung des Kapitalwertes zugrunde gelegten Rechnungszins. Dieser beträgt vorliegend 5,14 % ausweislich der Anlage zu der Auskunft vom 30.5.2011 (Bl. V 12 d.A.).

Die Pflicht zur Zinszahlung bestehe ab dem Ehezeitende bis zu der tatsächlichen Zahlung. Mit der Zinszahlung solle gewährleistet werden, daß der Ausgleichsberechtigte ab der Begründung seines Anrechts an dessen Entwicklung bei dem Zielversorgungsträger beteiligt werde. Da das neue Anrecht bezogen auf das Ehezeitende begründet werde, müsse der Ausgleichsberechtigte so gestellt werden, als ob er zu diesem Zeitpunkt bei dem Zielversorgungsträger den Kapitalwert eingezahlt hätte, obwohl die Zahlung tatsächlich erst später erfolge.