Das Oberlandesgericht Düsseldorf befand in seinem Beschluß vom 27.06.2012 (II – 8 UF 19/12 ), daß bei fortbestehenden ehebedingten Nachteilen eine Befristung des nachehelichen Unterhalts regelmäßig nicht auszusprechen sei, jedoch unter außergewöhnlichen Umständen in Betracht komme (Anschluß an BGH, Urteil vom 2. Februar 2011 – XII ZR 11/09).

Außergewöhnliche Umstände könnten gegeben sein, wenn der Unterhaltspflichtige durch die nacheheliche Betreuung gemeinsamer Kinder in seiner beruflichen Entwicklung eingeschränkt sei. Hier könne die Befristung eines Unterhaltsanspruchs trotz fortbestehender ehebedingter Nachteile auf Seiten des Unterhaltsberechtigten rechtfertigen, weil die fehlgeschlagene Lebensplanung bei beiden Ehegatten zu beruflichen Nachteilen geführt habe.

In dem zugrundeliegenden Verfahren hatten der Antragsteller und die Antragsgegnerin am 09.05.1997 die Ehe miteinander geschlossen und lebten seit dem 15.03.2009 voneinander getrennt. Sie waren durch den Verbundbeschluß des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 15.12.2011, der bezüglich Scheidung und Versorgungsausgleich seit dem 24.04.2012 rechtskräftig war, geschieden worden. Die Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin bis einschließlich April 2012 hatten die Beteiligten im Verfahren II-8 UF 17/12 durch Vergleich geregelt.

Die Beteiligten waren die Eltern der Kinder T., geboren am …1994, A., geboren am …1997, und L., geboren am …2001. T. und A. lebten im Haushalt des Antragstellers; L. lebte im Haushalt der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller war Diplom-Ingenieur für Maschinenbau. Er war bei der Firma S. beschäftigt.

Die Antragsgegnerin war Volljuristin. Sie hatte ihr Studium der Rechtswissenschaften im Wintersemester 1986/87 aufgenommen und die erste juristische Staatsprüfung am 8.03.1993 mit der Note voll befriedigend (9,84 Punkte) bestanden. Während des Referendariats wurde der Sohn T. geboren. Nach der Geburt setzte die Antragsgegnerin mit Unterstützung des Antragstellers und einer Kinderfrau ihre Ausbildung fort und legte die zweite juristische Staatsprüfung am 6.08.1996 mit der Note befriedigend (8,62 Punkte) ab. Danach widmete sich die Antragsgegnerin der Kinderbetreuung und Haushaltsführung und war während des weiteren Zusammenlebens nicht mehr berufstätig. Am 15.04.2010 – rund 14 Monate nach der Trennung – nahm sie eine Halbtagsbeschäftigung bei der Firma R. GmbH in M. auf. Das Arbeitsverhältnis endete am 31.12.2011 durch die Kündigung des Arbeitgebers. Im Januar 2012 war die Antragsgegnerin arbeitslos. Seit dem 01.02.2012 übte sie eine Halbtagsbeschäftigung als Syndikat-Anwältin für die Firma B. GmbH aus. In den Monaten Februar bis Mai 2012 waren 39 Überstunden angefallen, die durch Freizeitausgleich abgegolten werden sollten. Eine zeitliche Ausweitung des Beschäftigungsverhältnisses war der Antragsgegnerin in Aussicht gestellt worden.

Das Amtsgericht hatte den Antragsteller befristet bis März 2015 zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Höhe von 1.562 €, davon 345 € Altersvorsorgeunterhalt, verpflichtet.

Diese Entscheidung griffen beide Beteiligten mit der Beschwerde an.

Das Oberlandesgericht führte aus, daß ein Unterhaltsanspruch gem. § 1578b Abs. 2 BGB zu befristen sei, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten seien, für den eigenen Unterhalt zu sorgen.

Zwar habe die Rollenverteilung in der Ehe bei der Antragsgegnerin zu beruflichen Nachteilen geführt, die auch über den Zeitraum der vom Amtsgericht vorgenommenen Befristung hinaus fortwirken könnten. Die vorgenommene Befristung entspreche gleichwohl der Billigkeit, weil auch der Antragsteller aufgrund der nachehelichen Betreuung der Kinder T. und A. Einschränkungen in seinen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten hinnehmen müsse.

Ehebedingte Nachteile könnten sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.

Vorliegend habe die Antragsgegnerin ihr erstes Kind noch vor der Eheschließung zur Welt gebracht. Sie habe nach der Geburt des Kindes mit Unterstützung des Antragstellers ihre Ausbildung fortgesetzt, die zweite juristische Staatsprüfung erfolgreich abgelegt und sei anschließend fast 14 Jahre nicht erwerbstätig gewesen.

Aus den Belastungen durch die Schwangerschaft und Geburt während der Ausbildung und der Erwerbspause bis zur Eheschließung könnten bei dieser Sachlage zwar keine ehebedingten Nachteile hergeleitet werden, weil diese Ereignisse nicht in die Ehezeit fallen würden. Die Fortsetzung der Erwerbspause nach der Eheschließung wegen der Betreuung des ersten Kindes und der beiden weiteren, während der Ehe geborenen Kinder könne jedoch zu unterhaltsrelevanten berufsbedingten Nachteilen führen (BGH, Urteil vom 7.3.2012, Az. XII ZR 25/10).

Ob die Erwerbspause während des ehelichen Zusammenlebens gegen den Willen des Antragstellers erfolgt sei, sei dabei nicht von Bedeutung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes sei auf die tatsächliche Gestaltung von Kinderbetreuung und Haushaltsführung abzustellen; ob mangelndes Interesse der Antragsgegnerin an einem beruflichen Wiedereinstieg mitursächlich für die tatsächliche Ausgestaltung der ehelichen Rollenverteilung gewesen sei, spiele nach den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Rolle (BGH, Urteil vom 20.10.2010, Az. XII ZR 53/09; FamRZ 2010, 2059 m.w.N).

Ein ehebedingter Nachteil liegt jedoch nur dann vor, wenn die Ehegestaltung ursächlich zu einem Erwerbsnachteil geführt habe. Die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtbestehen solchen Nachteils trage der Antragsteller. Die Antragsgegnerin treffe jedoch eine sekundäre Beweislast; sie müsse der Behauptung des Antragstellers, daß sie keine ehebedingten Nachteile erlitten habe, substantiiert entgegentreten (BGH, Urteil vom 24.3.2010, Az. XII ZR 175/08, ständige Rechtsprechung).

Auf der Grundlage des Vortrags der Antragsgegnerin sowie des weiteren Akteninhalts ging der Senat davon aus, daß die Antragsgegnerin ehebedingt eine Einkommenseinbuße hinnehmen mußte, aber die vom Amtsgericht vorgenommene Befristung aufgrund besonderer Umstände gleichwohl der Billigkeit entspricht.

Mit ihrer Behauptung, sie hätte bei durchgehender Erwerbstätigkeit 4.000 € bis 5.000 € netto erzielen können, genüge die Antragstellerin ihrer Darlegungslast nicht, da ihrem Vortrag insoweit jede Substanz fehlt.

Die erfolgreiche berufliche Entwicklung nach der Trennung und die in den Abschlussprüfungen gezeigte Leistung, die bei der ersten Staatsprüfung über den durchschnittlichen Anforderungen gelegen habe und bei der zweiten Staatsprüfung den durchschnittlichen Anforderungen in jeder Hinsicht entsprochen habe, ließn jedoch keinen Raum für vernünftige Zweifel, daß sich die Antragsgegnerin ohne die Eheschließung jedenfalls eine ihrer Qualifikation entsprechende berufliche Position mit durchschnittlichem Einkommen hätte erarbeiten können.

In ihrer derzeitigen Tätigkeit erziele die Antragsgegnerin bereits ein Einkommen, das dem Tariflohn der Einkommensstufe 4 der Tarifgruppe TVöD 13 oder der Einkommensstufe 3 der Tarifgruppe TVöD 14 entspreche.

Ohne die in die Ehezeit fallende Erwerbspause hätte sich nach Einschätzung des Senats bei einer durchschnittlich verlaufenden beruflichen Entwicklung die dann größere berufliche Erfahrung auch in einem höheren Einkommen niedergeschlagen. Die Antragsgegnerin habe deshalb einen derzeit noch fortwirkenden ehebedingten Nachteil, der sich – sofern sie ihre Erwerbsobliegenheit erfülle – in den nächsten Jahren jedoch sukzessive verringern werde, weil die zunehmende berufliche Erfahrung nur bis zu einer bestimmten Grenze durch ein höheres Einkommen honoriert werde.

Daß die Antragsgegnerin bereits bei Ablauf der Befristung den ehebedingten Nachteil ausgeglichen haben könne, erscheine jedoch nicht sicher.

Trotzdem entspreche die vorgenommene Befristung der Billigkeit.

Bei bestehenden ehebedingten Nachteilen sei eine Befristung des nachehelichen Unterhalts zwar regelmäßig nicht auszusprechen. Eine Befristung trotz fortbestehender ehebedingter Nachteile komme jedoch unter außergewöhnlichen Umständen in Betracht (so BGH, Urteil vom 2. Februar 2011 – XII ZR 11/09).

Solche außergewöhnlichen Umstände seien vorliegend gegeben.

Zu berücksichtigen sei nämlich, daß der Antragsteller durch die Betreuung und Versorgung der Kinder T. und A. sowie durch die „Montagsbetreuung“ von L. nachehelich einen gewichtigen Teil der gemeinsamen Elternverantwortung trage. Hierdurch sei er örtlich gebunden und deshalb mindestens bis Ende 2015 daran gehindert, eine berufliche Position, die mit „transatlantischer Verantwortung“ verbunden sei, zu übernehmen.

Bei dieser Sachlage könne und müsse der Antragsgegnerin zugemutet werden, teilweise auf den Ausgleich ihrer ehebedingten beruflichen Nachteile zu verzichten, weil so die aus der fehlgeschlagenen gemeinsamen Lebensplanung wechselseitig resultierenden Nachteile angemessen ausgeglichen würden.

Den Befristungszeitpunkt habe das Amtsgericht angemessen gewählt.

Bei der Billigkeitsabwägung sei das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen, wobei insbesondere die in § 1578b BGB genannten Kriterien zu berücksichtigen seien.

Vorliegend hätten die Beteiligten eine Alleinverdienerehe geführt, deren Dauer im mittleren Bereich anzusiedeln sei. Die Antragsgegnerin habe im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung bereits einen erheblichen Geldbetrag von 130.000 €, der ihr Anfangsvermögen (rund 44.615 €) deutlich überstiegen habe, vereinnahmt. Während der mehr als drei Jahre andauernden Trennungszeit sei der Antragsteller durch erhebliche Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der Antragsgegnerin bereits stark belastet worden.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände und der vorstehend dargestellten gewichtigen Beteiligung des Antragstellers bei der Wahrnehmung der nachehelichen Elternverantwortung erscheine die mit fast drei Jahren bemessene Befristungsdauer angemessen. Ein hierüber hinausgehender Unterhaltsanspruch wäre unbillig im Sinne des § 1578 b BGB.

Aber auch die vom Antragsteller angestrebte zeitnähere Befristung wäre im Hinblick auf die geschuldete nacheheliche Solidarität nicht angemessen.