Mit dem Urteil des Bundesgerichtshof vom 08.08.2012 (XII ZR 97/10) stellt die Belastung des betreuenden Elternteils durch berufliche Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen (hier: Habilitationsverfahren) keinen elternbezogenen Grund im Sinne des § 1570 Abs. 2 BGB dar.

Nach der Rechtsprechung des Senats bestimmt sich die Erwerbsobliegenheit des kinderbetreuenden Ehegatten im Rahmen von § 1570 BGB nach folgenden Grundsätzen:

aa) Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das vollendete dritte Lebensjahr hinaus kann sich der betreuende Elternteil aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB nicht auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes berufen, soweit das Kind eine kindgerechte Betreuungseinrichtung besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Umstände besuchen könnte. Im Unterhaltsverfahren ist demnach zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kinderbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder gesichert werden könnte (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 18. April 2012 – XII ZR 65/10 – FamRZ 2012, 1040 Rn. 18 f. mwN und BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn. 27).

bb) Soweit die Betreuung des Kindes sichergestellt ist oder dieses im Hinblick auf seine Entwicklung zeitweise sich selbst überlassen werden kann, verlängert sich der Unterhaltsanspruch, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kindesbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht (§ 1570 Abs. 2 BGB). Insoweit können einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils elternbezogene Gründe entgegenstehen (Senatsurteile BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn. 31 f. und vom 16. Juli 2008 – XII ZR 109/05 – FamRZ 2008, 1739 Rn. 100).

Diese Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts rechtfertigen sich aus der nachehelichen Solidarität. Maßgeblich ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemein-same Ausgestaltung der Kinderbetreuung. So kann etwa einem geschiedenen Ehegatten, der im Interesse der Kindererziehung seine Erwerbstätigkeit dauerhaft aufgegeben oder zurückgestellt hat, ein längerer Anspruch auf Betreuungsunterhalt eingeräumt werden als einem Ehegatten, der von vornherein alsbald wieder in den Beruf zurückkehren wollte (BT-Drucks. 16/6980 S. 9).

Unter diese Ausprägung des Betreuungsunterhalts fällt nach der Rechtsprechung des Senats auch der Gesichtspunkt, daß die verlangte oder ausgeübte Erwerbstätigkeit neben dem nach der Fremdbetreuung eines Kindes verbleibenden Anteil an Erziehungs- und Betreuungsaufgaben nicht zu einer überobligationsmäßigen Belastung des betreffenden Elternteils führen darf (Senatsurteil BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn. 32).

Die Belastung der Beklagten durch das Habilitationsverfahren stelle in diesem Zusammenhang hingegen keinen Grund dar, der eine längere Dauer des Betreuungsunterhalts rechtfertige. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müsse es sich um Umstände handeln, die unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kindererziehung und Erwerbstätigkeit in der Ehe von Bedeutung seien. Die Gesetzesbegründung weise darauf hin, daß das Vertrauen in die vereinbarte und so auch gehandhabte Rollenverteilung hinsichtlich der Kinderbetreuung geschützt werden solle.

Die Beklagte habe von einer weitergehenden Erwerbstätigkeit aber nicht allein im Interesse des Kindes abgesehen, sondern auch um ihre Habilitationsschrift fertig stellen zu können. Der zeitliche Aufwand und der Einsatz, die sie insoweit von einer Erwerbstätigkeit haben absehen lassen, hätten ihren eigenen beruflichen Interessen und nicht denjenigen des Kindes gedient. Deshalb würden Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen keinen elternbezogenen Grund im Sinne des § 1570 Abs. 2 BGB darstellen. Maßgebend könnten solche Umstände vielmehr für die Frage einer angemessenen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 1574 BGB oder für die Gewährung von Ausbildungsunterhalt nach § 1575 BGB sein.

Im Zusammenhang mit einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts komme hier auch dem Gesichtspunkt einer überobligationsmäßigen Belastung keine Bedeutung zu. Denn eine solche ergebe sich nach den getroffenen Feststellungen nicht aus Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung, sondern erst aus der Verfolgung der beruflichen Ziele.

Hinsichtlich des der Beklagten in der vorausgegangenen Entscheidung zuerkannten Aufstockungsunterhalts (§ 1573 Abs. 2 BGB) hänge die Abänderung im Sinne eines Wegfalls der Unterhaltspflicht davon ab, ob die vom Kläger geltend gemachte Änderung der rechtlichen Verhältnisse eingetreten sei. Das sei nicht der Fall.

Eine Rechtsänderung, die den Kläger berechtigen könnte, eine Abänderung in diesem Sinne zu verlangen, sei nicht erfolgt. Die Einführung des § 1578 b BGB durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz und die seit der mündlichen Verhandlung im Ausgangsverfahren veröffentlichte Rechtsprechung des Senats hätten hinsichtlich des in Rede stehenden Aufstockungsunterhalts die Rechtslage seit dem Vorprozeß im Jahr 2007 nicht entscheidend geändert.

§ 1570 BGB selbst sei einer Befristung nicht zugänglich.