Der Bundesgerichtshof bestätigt in seinem Urteil vom 18.07.2012 (XII ZR 91/10) seine Rechtsprechung, daß es nicht zu beanstanden ist, wenn das Gericht dem auf Unterhalt in Anspruch genommenen ihm und seiner Ehefrau im Regelfall einen Familienselbstbehalt zubillige, wie ihn die Düsseldorfer Tabelle und die Unterhaltsrechtlichen Leitlinien für den Elternunterhalt vorsehen würden, wenn der unterhaltsverpflichtete Vater von seinem erwachsenen Kind, das seine bereits erlangte wirtschaftliche Selbständigkeit wieder verloren habe, auf Unterhalt in Anspruch genommen werde.
Der Familienselbstbehalt trage bereits dem Umstand Rechnung, daß die Ehegatten durch ihr Zusammenleben Haushaltsersparnisse erzielen würden (im Anschluß an Senatsurteil vom 18. Juli 2012 – XII ZR 91/10 -).
In dem zugrundeliegenden Fall begehrte der seinerzeitige Sozialleistungsträger von dem Vater des Sozialhilfeempfängers rückständigen Volljährigenunterhalt aus übergegangenem Recht.
Der Kläger erbrachte für den 1969 geborenen Sohn des Beklagten, der wegen Depressionen und einer Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig war, u. a. in der Zeit von April 2007 bis März 2009 Sozialhilfe in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt von über 850 monatlich. Der Beklagte war Rentner und bezog ein monatliches Nettoeinkommen von rund 1.603 . Die Ehefrau des Beklagten erzielte ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von rund 485 . Die Eheleute bewohnten zusammen eine Eigentumswohnung, für die Finanzierungs- und laufende Kosten zu zahlen waren.
Das Amtsgericht hatte den Beklagten verurteilt, an den Kläger für die Zeit von April 2007 bis März 2009 monatlich 70 zu zahlen, insgesamt also 1.680 . Auf die Berufung des Beklagten hatte das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen wandte sich der Kläger erfolgos mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Gemäß § 1603 Abs. 1 BGB sei nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande sei, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Dem Unterhaltspflichtigen sollten grundsätzlich die Mittel verbleiben, die er zur angemessenen Deckung des seiner Lebensstellung entsprechenden allgemeinen Bedarfs benötige (Senatsurteil vom 18. Januar 2012 – XII ZR 15/10 -).
Die Bemessung des dem Unterhaltspflichtigen zu belassenden Selbstbehalts sei nach ständiger Rechtsprechung des Senats zwar Aufgabe des Tatrichters. Dabei sei es diesem nicht verwehrt, sich an Erfahrungs- und Richtwerte anzulehnen, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände eine Abweichung gebieten würden. Der Tatrichter müsse aber die gesetzlichen Wertungen und die Bedeutung des jeweiligen Unterhaltsanspruchs berücksichtigen (Senatsurteil vom 9. Januar 2008 – XII ZR 170/05 – ).
Nach Erlaß des Berufungsurteils habe der Senat entschieden, daß es gerechtfertigt sei, den Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen gegenüber seinem erwachsenen Kind, das seine bereits erlangte wirtschaftliche Selbständigkeit wieder verloren habe, mit einem erhöhten Betrag, wie er in den Tabellen und Leitlinien für den Elternunterhalt als Mindestbetrag vorgesehen sei, und der sich bis zum Jahr 2011 auf 1.400 belaufen habe, anzusetzen und ggf. noch dadurch zu erhöhen, daß dem Unterhaltspflichtigen ein etwa hälftiger Anteil seines für den Elternunterhalt einsetzbaren bereinigten Einkommens zusätzlich verbleibe (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 2012 – XII ZR 15/10 – ).
Zwar müßten Eltern regelmäßig damit rechnen, ihren Kindern auch über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus zu Unterhaltsleistungen verpflichtet zu sein, bis diese ihre Berufsausbildung abgeschlossen hätten und wirtschaftlich selbständig seien. Hätten die Kinder danach aber eine eigene Lebensstellung erlangt, in der sie auf elterlichen Unterhalt nicht mehr angewiesen seien, könne in der Regel davon ausgegangen werden, daß sie diese Elternunabhängigkeit auch behalten würden. Darauf dürften sich, wenn nicht bereits eine andere Entwicklung absehbar sei, grundsätzlich auch die Eltern einstellen (Senatsurteil vom 18. Januar 2012 – XII ZR 15/10 – FamRZ 2012, 530 Rn. 17).
Verliere das erwachsene Kind zu einem späteren Zeitpunkt wieder seine wirtschaftliche Selbständigkeit, finde die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen in der Regel erst statt, wenn dieser sich selbst bereits in einem höheren Lebensalter befinde, seine Lebensverhältnisse demzufolge bereits längerfristig seinem Einkommensniveau angepaßt habe oder sogar bereits Rente beziehe und sich dann einer Unterhaltsforderung ausgesetzt sehe, mit der er nach dem regelmäßigen Ablauf nicht mehr hätte zu rechnen brauchen (Senatsurteil vom 18. Januar 2012 – XII ZR 15/10 – ).
Sei der Unterhaltspflichtige – wie hier – verheiratet, gehöre zu dessen nach § 1603 Abs. 1 BGB beim Verwandtenunterhalt zu berücksichtigenden sonstigen Verbindlichkeiten auch die Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau nach §§ 1360, 1360 a BGB, soweit diese nicht über ausreichendes eigenes Einkommen verfüge (Senatsurteil vom 8. Juni 2005 – XII ZR 75/04 – ).
Sofern die dargelegten Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des in der Düsseldorfer Tabelle und den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien an sich für den Elternunterhalt bestimmten, erhöhten Selbstbehalts auf Seiten des Unterhaltspflichtigen vorliegen würden, sei es wegen der Vergleichbarkeit der jeweiligen Interessenlagen nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter auch auf den dort für den vorrangigen Ehegatten bestimmten Selbstbehalt, der sich für die hier maßgebliche Zeit auf 1.050 belaufen habe, zurückgreifen würde.
Damit ergebe sich unter Berücksichtigung des erhöhten Selbstbehalts für den Unterhaltspflichtigen von 1.400 ein zusammengerechneter Familienselbstbehalt von 2.450 . Der durch das Zusammenleben der Eheleute eingetretenen Haushaltsersparnis werde dann bereits durch die unterschiedlichen Selbstbehaltssätze der Ehegatten Rechnung getragen.
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