Das Bundesverfassungsgericht hat in drei Verfahren (BVerfG, Beschluß v. 18.06.2012 – 1 BvR 774/10; Beschluß v. 18.06.2012 – 1 BvR 1530/11; Beschluß v. 18.06.2012 – 1 BvR 2867/11) den Verfassungsbeschwerden von drei unterhaltspflichtigen Vätern stattgegeben, die sich gegen die Zurechnung fiktiver Einkünfte bei der Bemessung von Kindesunterhalt gewehrt hatten. Dabei beriefen sich die Väter jeweils auf die Verletzung ihres Grundrechts auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit gem. Art. 2 I GG.

Die Eltern treffe gem. § 1603 II BGB gegenüber ihren Kindern eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Insofern werde die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nicht nur durch sein tatsächliches Erwerbseinkommen, sondern auch durch fiktiv erzielbare Einkünfte bestimmt. Dies sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Unterhaltsrecht ermögliche es insofern den Gerichten, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen. Auch im Rahmen der gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten Erwerbsobliegenheit dürfe von dem Unterhaltspflichtigen nach § 1603 Abs. 2 BGB nichts Unmögliches verlangt werden. Die Gerichte hättn im Einzelfall zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, den beanspruchten Unterhalt zu zahlen, oder ob dieser seine finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigt.

Vorliegend hätte die Gerichte keine Feststellung dazu getroffen, auf welcher Grundlage sie zu der Auffassung gelangt sind, der Beschwerdeführer könne unter Berücksichtigung seiner fehlenden beruflichen Qualifikation und insbesondere im Hinblick auf seine körperliche Behinderung einen derartigen Bruttostundenlohn erzielen. Es sei aus den angegriffenen Entscheidungen nicht zu erkennen, daß sie sich an den persönlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten des Beschwerdeführers und den tatsächlichen Gegebenheiten am Arbeitsmarkt orientiert hätten. Wäre dies geschehen, hätten sie davon ausgehen müssen, daß dem Ausbildungsstand und den Fähigkeiten des Beschwerdeführers nur eine Tätigkeit als ungelernte Kraft entspräche und daß die Einsatzmöglichkeiten des Beschwerdeführers durch seine körperliche Behinderung zusätzlich begrenzt würden. Zur Höhe eines als ungelernte, körperlich behinderte Arbeitskraft erzielbaren Einkommens hätten die Gerichte keine Feststellungen getroffen. Sie hätten sich weder mit dem derzeit als ungelernte Kraft erzielbaren Lohn beziehungsweise aktuellen Mindestlöhnen der verschiedenen Branchen, noch mit den aufgrund seiner körperlichen Behinderungen zu erwartenden Einschränkungen des für den Beschwerdeführer konkret erzielbaren Einkommens auseinandergesetzt.

Ohne Prüfung hätten sie nicht von den fehlenden Bemühungen des Beschwerdeführers um eine Erwerbstätigkeit auf seine Leistungsfähigkeit in Höhe des titulierten Unterhalts schließen dürfen. Die Gerichte hätten mit der Zurechnung fiktiver Einkünfte in der von ihnen angenommenen Höhe den ihnen eingeräumten Entscheidungsspielraum überschritten.