Der Bundesgerichtshof befand in seinem Beschluß vom 23.05.2012 (XII ZB 375/12), daß wenn in einer Familienstreitsache die nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderliche Beschwerdebegründung mit der Einlegung der Beschwerde beim Erstgericht verbunden werde und die Beschwerdebegründung erst nach Ablauf der Begründungsfrist des § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG beim Beschwerdegericht eingehe, weil das Erstgericht die Beschwerde nicht unverzüglich dem Beschwerdegericht vorgelegt habe, dem Beschwerdeführer von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren sei.

In dem zugrundeliegenden Verfahren stritten die Beteiligten um die Verpflichtung des Antragstellers zur Auskunftserteilung im Zugewinnausgleichsverfahren.

Der Antragsteller hatte am 4. November 2008 Scheidungsantrag gestellt. Am 29. September 2009 hatte die Antragsgegnerin einen Stufenantrag zum Zugewinn eingereicht, mit dem sie zunächst vom Antragsteller Auskunft über sein Endvermögen zum 14. Februar 2009 verlangt hatte. Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2010 hatte der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin zur Zahlung eines Zugewinnausgleiches zu verurteilen. In diesem Schriftsatz hatte der Antragsteller das Anfangs- und Endvermögen beider Beteiligter aufgeschlüsselt und einen von einem Steuerberater im Auftrag beider Beteiligter erstellten Vermögensstatus vorgelegt.

Mit einem am 16. September 2010 verkündeten Teilbeschluß hat das Amtsgericht den Antrag der Antragsgegnerin auf Auskunftserteilung zurückgewiesen.

Das Oberlandesgericht hatte die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin als unzulässig verworfen, da kein konkreter Sachantrag gestellt worden sei. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin mit Erfolg. Der Bundesgerichtshof gewährte der Antragsgegnerin Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist.

Für den nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderlichen Sachantrag sei ausreichend, wenn sich aus den innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist eingereichten Schriftsätzen des Beschwerdeführers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergäbe, in welchem Umfang und mit welchem Ziel der Beschluß angefochten werden solle.

Die Antragsgegnerin habe gegen den Teilbeschluß des Amtsgerichts, mit dem ihr Auskunftsanspruch insgesamt abgewiesen worden sei, uneingeschränkt Beschwerde eingelegt und damit hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie die vollständige Abänderung des amtsgerichtlichen Beschlusses begehrt. Aus der Beschwerdebegründung ergebe sich zudem, daß die Antragsgegnerin mit ihrem Rechtsmittel jedenfalls auch ihr erstinstanzliches Begehren, den Antragsteller zur Auskunftserteilung über sein Endvermögen zu verpflichten, weiterverfolge. Die Antragsgegnerin führe in ihrer Beschwerdeschrift aus, die vom Antragsteller bereits erteilte Auskunft über sein Endvermögen sei unbrauchbar und unvollständig gewesen, weshalb sie den Antrag auf Auskunftserteilung über das Endvermögen konkretisiert und um die Verpflichtung zur Vorlage von Belegen ergänzt habe. Dies habe das Amtsgericht bei seiner Ent-scheidung nicht berücksichtigt.

Aus der Beschwerdebegründung lasse sich weiter entnehmen, daß die Antragsgegnerin mit ihrem Rechtsmittel auch die Verurteilung des Antragstellers zur Auskunft über sein Vermögen zum Trennungszeitpunkt begehrt.

Dem Beschwerdegericht sei zuzugeben, daß es fraglich sei, ob die Antragsgegnerin dieses Rechtsschutzziel im Beschwerdeverfahren überhaupt erreichen könne. Denn sie habe im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 12. August 2010 einen entsprechenden Antrag zwar angekündigt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht habe sie jedoch nur den Antrag auf Auskunftserteilung über das Endvermögen aus dem Schriftsatz vom 29. September 2009 gestellt, so daß der Antrag auf Auskunftserteilung über das Vermögen zum Trennungszeitpunkt nicht Gegenstand des angefochtenen Beschlusses geworden sei, weil das Amtsgericht über diesen Auskunftsanspruch nicht entschieden habe.

Die Ausführungen der Antragsgegnerin in der Beschwerdeschrift hierzu seien indes für die Prüfung, ob ein hinreichend bestimmter Sachantrag i. S. v. § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG gestellt worden sei, unerheblich. Sie beträfen nur die Begründung des Rechtsmittels, änderten aber nichts daran, daß aus der Beschwerdeschrift erkennbar sei, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die Antragsgegnerin den amtsgerichtlichen Beschluss angreifen wolle.

Die Beschwerde sei auch im übrigen zulässig.

Allerdings weise der Antragsteller zu Recht darauf hin, daß die Antragsgegnerin die Frist zur Begründung der Beschwerde gemäß § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG nicht eingehalten habe.

Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG sei die in Familienstreitsachen (§§ 112 Nr. 2, 261 Abs. 1 FamFG) erforderliche Beschwerdebegründung innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses beim Beschwerdegericht einzureichen (§ 117 Abs. 1 Satz 2, 3 FamFG). Zwar könne trotz der unterschiedlich geregelten Zuständigkeiten für die Einlegung (§ 64 Abs. 1 FamFG) und die Begründung (§ 117 Abs. 1 Satz 2 FamFG) der Beschwerde ein Verfahrensbeteiligter in einem Schriftsatz die Beschwerde einlegen und sie zugleich begründen (vgl. Prütting/Helms/Feskorn FamFG 2. Aufl. § 117 Rn. 20). Für die Wahrung der Begründungsfrist sei jedoch allein der Eingang des Schriftsatzes beim zuständigen Beschwerdegericht maßgeblich (vgl. Senatsbeschluß vom 15. Juni 2011 – XII ZB 468/10 – FamRZ 2011, 1389 Rn. 10). Die zunächst beim erstinstanzlichen Gericht eingereichte Beschwerdebegründung gehe allerdings regelmäßig erst mit der Vorlage der Akten gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FamFG beim Beschwerdegericht ein (Keidel/Weber FamFG 17. Aufl. § 117 Rn. 7). Mache ein Verfahrensbeteiligter von der Möglichkeit Gebrauch, die Beschwerde zugleich mit der Einlegung zu begründen, trage er das Risiko, daß die Weiterleitung der Beschwerdebegründung verzögert erfolge und die Beschwerdebegründung verspätet beim Beschwerdegericht eingehe (Kei-del/Weber FamFG 17. Aufl. § 117 Rn. 6).

Danach habe die Antragsgegnerin die Frist zur Begründung der Beschwerde nicht gewahrt. Die Beschwerdeschrift sei zusammen mit der Verfahrensakte am 25. November 2010 und damit erst nach Ablauf der am 24. November 2010 endenden Begründungsfrist beim Beschwerdegericht eingegangen.

Der Antragsgegnerin sei jedoch gemäß § 117 Abs. 5 FamFG i.V.m. § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumnis der Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren gewesen.

Gehe eine fristgebundene Rechtsmittelbegründung statt beim Rechtsmittelgericht bei dem erstinstanzlichen Gericht ein, sei dieses grundsätzlich verpflichtet, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten (Senatsbeschluß vom 15. Juni 2011 – XII ZB 468/10 – FamRZ 2011, 1389 Rn. 12). Dies folge aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Rechtsuchenden auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Gehe der Schriftsatz so zeitig ein, daß die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden könne, dürfe die Partei darauf vertrauen, daß der Schriftsatz noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingehe. Geschiehe dies tatsächlich nicht, wirke sich das Verschulden der Partei oder ihrer Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr aus, so daß ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei (BGH Beschluß vom 6. November 2008 – IX ZB 208/06 – FamRZ 2009, 320 Rn. 7 mwN).