Das Oberlandesgericht Rostock entschied in seinem Beschluß vom 14.01.2012 (10 UF 146/11), daß wenn ein minderjähriges Kind während des laufenden Unterhaltsverfahrens seinen ständigen Aufenthalt vom gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB bis zum Wechsel vertretungsbefugten Elternteil zu dem wechsel, der auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch genommen werde, der Antrag auf Zahlung von Unterhalt rückwirkend unzulässig werde.

Die Befugnis des vormals vertretungsberechtigten Elternteils zur Beauftragung eines Rechtsanwalts entfalle rückwirkend.Ebenso wie der vormalige gesetzliche Vertreter werde auch der Verfahrensbevollmächtigte Vertreter ohne Vertretungsmacht i.S.d. § 177 BGB. Das Verfahren könne nicht mehr erstmals in der Beschwerdeinstanz für erledigt erklärt werden.

Die am 1994 geborene (17-jährige) Antragstellerin hatte die Antragsgegnerin, ihre Mutter, auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch genommen.

Zum Zeitpunkt der Antragserhebung hatte sie bei ihrem Vater gelebt. Dieser hatte bei der Antragserhebung als ihr gesetzlicher Vertreter mitgewirkt. Die elterliche Sorge für die Antragstellerin übten ihre Eltern – abgesehen vom Aufenthaltsbestimmungsrecht – gemeinsam aus. Seit dem 1.2.2011 lebte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin.

Zutreffend sei die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin der Ansicht, daß das Familiengericht den erhobenen Antrag auf Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt, eines Sonderbedarfs sowie der Anwaltskosten – durch Prozessbeschluß – als unzulässig hätte abweisen müssen, nachdem die Antragstellerin sich am 1.2.2011 in die Obhut der Antragsgegnerin begeben hatte und eine Erledigung des Rechtsstreits in der mündlichen Verhandlung vom 29.3.2011 nicht erklärt worden war.

Denn seit dem 1.2.2011 – rückwirkend auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags – sei der Antrag der Antragstellerin unzulässig gewesen, weil diese nicht mehr verfahrensfähig i.S.d. §§ 113 FamFG i.V.m. § 51 ZPO i.V.m. §§ 2, 106, 107 BGB gewesen sei.

Nach den genannten Vorschriften sei nur ein nach dem bürgerlichen Recht Geschäftsfähiger verfahrensfähig, d.h. – §§ 2, 106 BGB – eine Person, die volljährig sei, also das 18. Lebensjahr vollendet habe. Die Antragstellerin sei am 1.2.2011 16 Jahre alt gewesen und damit nicht verfahrensfähig.

Gemäß § 107 BGB hätte sie daher der Vertretung durch einen gesetzlichen Vertreter bedurft, da es sich bei der Verfahrensführung weder um ein Geschäft des täglichen Lebens i.S.d. § 105 a BGB handele noch – im Hinblick auf das mit einem Gerichtsverfahren verbundene Kostenrisiko (Gerichtskosten für die zumindest eine Zweischuldnerhaftung bestehe und Anwaltskosten) – um ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft i.S.d. § 107 BGB.

Zwar sei die Antragstellerin bis zum 31.1.2011 ordnungsgemäß rechtlich vertreten worden.

Gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB sei der Kindesvater – trotz bestehender gemeinsamer Sorge der Eltern der Antragstellerin – befugt gewesen, diese im Rahmen des vorliegenden Verfahrens allein zu vertreten. Denn nach der genannten Vorschrift sei bei gemeinsamer Sorge der Elternteil befugt, gegen den anderen Unterhaltsansprüche des Kindes geltend zu machen, in dessen Obhut das Kind lebe. Dieses sei bis zum 31.1.2011 der Kindesvater gewesen, weil die Antragstellerin bis zu diesem Zeitpunkt bei ihm gelebt habe.

Jedoch sei diese Befugnis mit dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts der Antragstellerin zur Antragsgegnerin entfallen, und zwar rückwirkend auch hinsichtlich der Unterhaltsansprüche, die bis zu diesem Zeitpunkt geltend gemacht worden seien.

Dem (rückwirkenden) Wegfall der rechtlichen Vertretung stehe nicht entgegen, daß die Antragstellerin bis zum 31.1.2011 anwaltlich vertreten gewesen sei.

Zwar werde gem. § 113 FamFG i.V.m. § 241, 246 ZPO ein Verfahren fortgesetzt, wenn eine Partei, deren gesetzliche Vertretung weggefallen sei, durch einen Rechtsanwalt vertreten werde. Jedoch seien die genannten Vorschriften nicht einschlägig, wenn die Vertretungsbefugnis des Anwalts rückwirkend – bis zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung – entfalle. In diesem Fall sei die Partei bereits zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des Verfahrens nicht anwaltlich vertreten, ein Wegfall der gesetzlichen Vertretung während des Verlaufs des Verfahrens damit liege nicht vor.

Die Befugnis des Kindesvaters zur Beauftragung eines Rechtsanwalts als gesetzlicher Vertreter des Kindes sei rückwirkend entfallen.

Denn sie habe im Zusammenhang mit der gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehenden Befugnis zur Vertretung des Kindes bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen dessen anderen mitsorgeberechtigten Elternteil gestanden. Sie sei daher mit dieser rückwirkend – bis zur Verfahrenseinleitung – entfallen, als die Vertretungsbefugnis im Verfahren entfállen sei. Ebenso wie der vormalige gesetzliche Vertreter sei auch die Verfahrensbevollmächtigte Vertreterin ohne Vertretungsmacht i.S.d. § 177 BGB geworden. Eine nachträgliche Genehmigung der Verfahrensführung – § 177 BGB – sei nicht erfolgt. Vielmehr sei durch den Widerruf der Anwaltsvollmacht konkludent klargestellt worden, daß diese nicht genehmigt werde.

Der Rechtsstreit sei auch nicht durch den vormaligen alleinigen gesetzlichen Vertreter der Antragstellerin in diesem Verfahren für erledigt erklärt worden.

Der Senat schließe sich der herrschenden Auffassung (vgl. Anmerkung zu OLG Karlsruhe FamRZ 1996, 1335 ff.; Wendl/Schmitz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8.Auflage § 10 Rn. 46; Johannsen/Jaeger a.a.O. § 1629 Rn. 8 m.w.N.) an, daß es dem bisher allein vertretungsberechtigten Elternteil zu gestatten sei, nach Wegfall seiner alleinigen Vertretungsmacht den Rechtsstreit für erledigt zu erklären, um der Tragung der Kostenlast als vollmachtsloser Vertreter zu entgehen. Eine entsprechende Erledigungserklärung sei jedoch trotz anwaltlicher Vertretung nicht erfolgt.

Eine Erledigungserklärung könne in der Beschwerdeinstanz nicht mehr nachgeholt werden. Denn Aufgabe der Beschwerdeinstanz sei die Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung in formaler und materiell-rechtlicher Hinsicht. Diese sei – wie ausgeführt – im Hinblick auf fehlende Prozeßvoraussetzungen der Antragstellerin unzutreffend.

Entsprechendes gelte für die Bestellung eines Ergänzungspflegers.

Dem Familiengericht hätte es gemäß § 113 FamFG i.V.m. § 139 ZPO oblegen, die Parteien darauf hinzuweisen, daß der Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung der genannten Forderungen mit dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts der Antragstellerin zur Antragsgegnerin unzulässig geworden sei. Es hätte auf sachdienliche Anträge – hier entweder auf einen Erledigungsantrag oder einen solchen auf Wechsel der Partei – hinwirken müssen.

Im Hinblick darauf, daß dieses unterlassen worden sei und die Antragsgegnerin aus diesem Grund zur Rechtsmitteleinlegung gehalten gewesen sei, könnten Kosten für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben werden.

Anmerkung:

Materiellrechtlich kann versucht werden, den aufgelaufenen Unterhaltsrückstand im Wege eines familienrechtlichen Ausgleichsanspruch gegenüber dem anderen Elternteil geltend zu machen (vgl. Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 04.09.1998, 10 UF 512/97).