Mit dem Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 27.07.2012 (6 C 386/11) kann eine vorangegangene Kündigung in eine Abmahnung umgedeutet werden.

In dem zugrundeliegenden Verfahren verlangten die Klägerin von den Beklagten Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung.

Die Beklagte Z. 1 mietete die Wohnung der Klägerin an und bewohnte diese seit dem Jahre 1979. Die Beklagte Z. 2 lebte seit dem Jahr 1969 in der streitgegenständlichen Wohnung. Die Beklagte Z. 1 war zu 100 % schwerbehindert und am 30.4.1926 geboren. Die Beklagte Z. 2 war 73 Jahre alt. Die monatliche Grundmiete beträgt 241,18 Euro.

Am 19.1.2011 fand eine Besichtigung der streitgegenständlichen Wohnung durch die Mitarbeiterinnen der Klägerin statt, nachdem sich zuvor zahlreiche Nachbarn über Gestank aus der Wohnung beschwert hatten.

Mit Schreiben vom 13.5.2011 erklärte die Klägerin der Beklagten Z. 1 die fristlose und hilfsweise fristgemäße Kündigung der Wohnung wegen Verletzung ihrer Pflichten aus dem Mietvertrag. Die Kündigung wurde darauf gestützt, daß die Wohnung völlig verwahrlost, verschmutzt und zugemüllt sei, so daß es zum Teil nicht möglich sei, jedes Zimmer der Wohnung zu betreten, da durch den Müll die Türen zugestellt seien. Das Schreiben führte weiter aus, daß aus der Wohnung der Beklagten ein ekelerregender, penetranter Geruch dringe, welcher durch ein nicht akzeptables Wohnverhalten verursacht sei. Es wurde klargestellt, daß ein solches Wohnverhalten seitens der Klägerin nicht akzeptiert werde. Die Mitarbeiter der Klägerin seien bei der Wohnungsbesichtigung lautstark beschimpft, beleidigt und angeschrien worden. Die Klägerin wolle das Wohnverhalten der Beklagten nicht länger akzeptieren, da hierdurch der Hausfrieden erheblich gestört werde und das Mietverhältnis nunmehr als unheilbar zerrüttet anzusehen sei. Die Beklagten wurden in dem Schreiben sodann aufgefordert, die Wohnung unverzüglich zu räumen.

Am 18.8.2011 erfolgte durch die Mitarbeiter der Klägerin eine weitere Wohnungsbesichtigung.

Mit Schriftsatz vom 2.9.2011 kündigte die Klägerin der Beklagten Z. 1 erneut das Mietverhältnis fristlos und hilfsweise fristgemäß.

Die von der Klägerin getätigten Hilfsangebote wurden von den Beklagten nicht angenommen.

Die Klägerin behauptete, daß aus der Wohnung der Beklagten auch bei geschlossener Tür ein Gestank nach Fäulnis, Moder und Fäkalien bis ins Treppenhaus dringe würden. Die weiteren Bewohner fühlten sich durch die Gerüche belästiget und seien in ihrem Mietgebrauch eingeschränkt. Bei den Begehungen der Wohnung habe sich zudem herausgestellt, daß sämtliche Fußböden verschmutzt, verdreckt und verklebt seien. Es werde davon ausgegangen, daß die Wohnung seit Jahren nicht gereinigt worden sei. Die gesamte Wohnung sei mit Müll und Sperrmüll – teilweise bis zur Decke – vollgestellt. In der Küche seien die Wände bespritzt, es befänden sich dort verdorbene Lebensmittel und es bestehe Ungezieferbefall. Aus dem Schlafzimmer dringe ein Gestank – insbesondere nach alten und frischen Fäkalien. Das Wohnzimmer sei gar nicht begehbar, da dort Möbel bis zur Decke gestapelt seien. Im Bad sei das Waschbecken mit einem bräunlichen Film überzogen. Die Beklagte Z. 1 sei mündlich durch Mitarbeiterinnen aufgefordert worden, den Zustand in der Wohnung zu beheben und diese zu reinigen. Darin sei eine mündliche Abmahnung vom 19.1.2011 zu sehen. Zumindest könne jedoch in der Kündigung vom 13.5.2011 eine Abmahnung an die Beklagten erblickt werden.

Die Klägerin bestritt das Vorliegen von Härtegründen für die Beklagten. Der Hausfrieden werde durch die Beklagten gestört und es bestehe eine akute Gefahr für das Eigentum der Klägerin aufgrund der Vernachlässigung der Mietsache. Der Klägerin sei es nicht zuzumuten, ihr Eigentum auch nur einen Tag im Besitz der Beklagten zu lassen. Hinreichende Bemühungen um Ersatzwohnraum würden durch die Beklagten nicht vorgenommen.

Das Amtsgericht Karlsruhe gabe der Räumungsklage statt.

Das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten Z. 1 sei durch die ordentliche Kündigung vom 02.09.2011 zum 30.6.2012 wirksam beendet worden.

Ein Grund zur fristlosen Kündigung habe nicht bestanden.

Es liege ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt habe.

Die Beklagte Z. 1 habe die ihr obliegenden Pflichten als Mieterin erheblich verletzt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das Gericht zu der Überzeugung gelangt, daß die Beklagten die streitgegenständliche Wohnung in erheblichem Umfang verwahrlosen ließen. Es bestehe die deutliche Gefahr, daß durch das Verhalten der Beklagten auf Dauer eine Verletzung der Substanz der Wohnung eintrete. Die Beklagten reinigten die Wohnung nicht regelmäßig und lagerten in der Wohnung erhebliche Mengen von Unrat. In der Wohnung bestehe ein erheblicher Gestank, welcher langfristig in die Wände, die Decken und den Boden einziehe. Dieser Gestank breite sich bis in das Treppenhaus des Wohngebäudes aus, so daß die anderen Bewohner durch die Beklagten in ihrer Nutzung beeinträchtigt würden.

Die Beklagten seien durch das Kündigungsschreiben vom 13.5.2011 abgemahnt worden und hinreichend auf ihre vertraglichen Pflichten hingewiesen worden. Aus diesem Schreiben ließe sich klar entnehmen, welche Verstöße ihnen vorgeworfen würden und mit welcher Verhaltensänderung sie die Fortsetzung des Mietverhältnisses erreichen könnten. Diesbezüglich sei es unschädlich, daß das Schreiben vom 13.5.2011 als Kündigung bezeichnet worden sei. Eine vorangegangene Kündigung könne in eine Abmahnung umgedeutet werden (vgl. LG Berlin, Urteil vom 03.08.2010, Az.: 63 S 607/09). Die hier vorgelegte Kündigung vom 13.05.2011 erfülle unabhängig von deren Erforderlichkeit die Voraussetzungen einer Abmahnung. Aus dem Inhalt des Schreibens lasse sich die erforderliche Warnwirkung für die Beklagten ableiten.

Unter Abwägung der beiderseitigen Parteiinteressen sei das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, daß die Beendigung des Mietverhältnisses und der damit verbundene Auszug aus der Wohnung für die Beklagten keine unzumutbare Härte darstelle.