In dem Verfahren vor dem OLG Hamm (Beschluß vom 29.03.2012 – AZ 2 UF 215/11 –) stritten die Parteien über nachehelichen Unterhalt.

Die Beteiligten schlossen im Jahre 1985 die Ehe. Zuvor war die Antragsgegnerin bereits einmal verheiratet gewesen. Aus der im Jahre 1971 geschlossenen und etwa im Jahre 1981 geschiedenen ersten Ehe waren zwei Kinder hervorgegangen. Aus der Ehe der Beteiligten waren die 1987 geborenen Zwillinge D und D2 hervorgegangen. Im August 2003 trennten sich die Beteiligten; der Antragsteller zog aus dem vormaligen Familienheim aus. Der Antragsteller reichte am 11.02.2005 den Scheidungsantrag ein, der am 26.10.2006 zugestellt wurde. Durch den teilweise angefochtenen Verbundbeschluß hatte das Amtsgericht – Familiengericht – Dorsten die Ehe der Beteiligten geschieden. Der Ausspruch zur Scheidung war seit dem 19.11.2011 rechtskräftig.

Das Amtsgericht hatte den Antragsteller zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 61,00 Euro ab Rechtskraft der Scheidung verpflichtet und den nachehelichen Unterhaltsanspruch befristet bis zum 31.06.2014. Das Amtsgericht hatte u.a. ausgeführt, daß die aus den Überstunden folgende Mehrvergütung des An­tragstellers lediglich in Höhe von 20 % als eheprägend in die Unterhaltsberechnung einzustellen sei. Die Befristung sei deswegen geboten, weil die Antragsgegnerin keine ehelichen Nachteile erlitten habe und der Antragsteller bereits seit der Tren­nung der Beteiligten im Jahr 2003 Unterhalt an die Antragsgegnerin zahle.

Auf die Beschwerde der Ehefrau hob das Oberlandesgericht Hamm den Unterhaltsanspruch der Höhe nach an, bestätigte aber die Befristung dem Grunde nach und verlängerte diese bis Dezember 2015.

Das Oberlandesgericht Hammm rechnete der Ehefrau fiktive Erwerbseinkünfte aus einer leichten Vollzeittätigkeit unter Ansatz eines Stundenlohns von 7,00 € zu und ging somit von Bruttoeinkünften in Höhe von 1.211,00 € oder 913,00 € netto aus und folgte im übrigen dem Vorbringen des Antragsgegners, daß der Antragstellerin durch die Heirat ehebedingte Nachteile nicht entstanden seien.

Der Anspruch der Antragsgegnerin, so daß Oberlandesgericht, folge grds. aus § 1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungs­unterhalt). Dagegen sei nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen kein Anspruch auf Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB gegeben, da die Antragsgegnerin trotz bestehender gesundheitlicher Be­einträchtigungen in der Lage sei, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Der Sachverständige habe in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten vom 22.12.2011, auf das Bezug genommen werde, festgestellt, daß bei der Antrags­gegnerin verschiedene Leiden vorliegen würden, aufgrund derer eine Einschränkung des allgemeinen Leistungsvermögens bestehe. Aus diesem Grund kämen körperlich schwere und auch mittelschwere Tätigkeiten nicht mehr in Betracht.

Hingegen seien körperlich leichte Tätigkeiten noch ausführbar, wobei Tätigkeiten mit häufigerem Bücken, Stehen oder Sitzen nicht mehr in Betracht kommen. Ebenso würden Tätig­keiten mit Zwangshaltungen und einseitigen Körperhaltungen entfallen sowie, wegen der Kniebeschwerden, insbesondere Tätigkeiten mit häufigerem Treppensteigen. Daneben kämen Tätigkeiten, die ein kräftiges Zupacken der rechten Hand erfordern, nicht mehr in Betracht. Mit diesen Einschränkungen könne eine körperlich leichte Tätigkeit noch vollschichtig ausgeübt werden. Als mögliche Tätigkeiten kämen bei­spielsweise Bürohilfstätigkeiten und dergleichen in Betracht.

Das Maß des Unterhalts bestimme sich gemäß § 1587 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen, hier also dem bereinigten Einkommen des Antrag­stellers in prägender Höhe sowie dem (fiktiven) Einkommen der Antragsgegnerin sowie dem Wohnvorteil aufgrund des kostenfreien Wohnens in dem in ihrem hälftigen Miteigentum stehenden vor­maligen Familienheim.

Das für die Unterhaltsberechnung maßgebliche Einkommen des Antragstellers stellt sich wie folgt dar:

Gesamtbrutto 79.968,80 €
Lohnsteuer ./. 22.123,87 €
Solidaritätszuschlag ./. 1.216,74 €
Rentenversicherung ./. 6.431,70 €
Arbeitslosenversicherung ./. 904,96 €
Krankenversicherung ./. 3.555,00 €
Pflegeversicherung ./. 438,72 €
verbleiben 45.297,81 €
= monatlich 3.774,82 €
Korrektur Auslösung ./. 76,66 €
Auslösung steuerfrei 31,65 €
Übernachtung steuerfrei 0,00 €
Fahrgeld 0,00 €
Nettoquote vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers ./. 15,06 €
Fahrtkosten ./. 308,00 €
Gewerkschaft ./. 24,00 €
Steuererstattung 150,00 €
private Altersvorsorge ./. 266,56 €
Belastung Familienheim ./. 801,05 €
verbleiben 2.465,13 €
davon 6/7 2.112,97 €

Der Senat legt für den hier maßgeblichen Zeitraum ab 19.11.2011 das vom Antrag­steller im Jahr 2010 erzielte Einkommen zugrunde gelegt und schrieb dieses Einkommen fort. Eine Unterhaltsberechnung auf der Basis des im Jahr 2011 erzielten Einkommens komme nicht in Betracht, da dieses Einkommen nicht als eheprägend angesehen werden könne.

Der Senat betrachtete ferner die aufgrund der in außergewöhnlichem Umfang erfolg­ten Mehrarbeit im Jahr 2011 erzielten Bruttoeinkünfte in für den Antragsteller außer­gewöhnlicher Höhe nicht als eheprägend und legt sie der Unterhaltsberechnung nicht zugrunde.

Ebensowenig könne allerdings das im Monat Januar 2012 erzielte, deutlich reduzierte Einkommen des Antragstellers zugrundegelegt werden.

Auf Seiten der Antragsgegnerin sei das folgende Einkommen in die Unterhalts­berechnung einzustellen.

Erwerbseinkommen (fiktiv) brutto 1.211,00 €
Erwerbseinkommen (fiktiv) netto 913,00 €
abzüglich 5 % Werbungskosten 867,35 €
davon 6/7 743,44 €
Wohnvorteil 510,00 €
gesamt 1.253,44 €.

Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, daß die Antragsgegnerin die unterhaltsrecht­liche Obliegenheit treffe, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Weiter­hin sei unstreitig, daß sie in den vergangenen Jahren keinerlei Erwerbsbemühungen entfaltet habe, so daß zu ihren Lasten mit fiktiven Erwerbseinkünften zu rechnen sei.

Der Senat gehe davon aus, daß die Antragsgegnerin bei entsprechenden Bemühun­gen in der Lage wäre, eine vollschichtige Erwerbstätigkeit mit einem Stundenlohn von 7,00 € zu finden, die zu einem monatlichen Bruttoeinkommen von 1.211,00 € führen würde.

Der Senat hat hierbei die oben wiedergegebene Einschätzung des Sachverständigen Dr. Nensa berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin nur noch in der Lage ist, körper­lich leichten Tätigkeiten nachzugehen. In Betracht kommen etwa Bürohilfsarbeiten.
103

Nach den Erfahrungen des Senats ist für derartige Arbeiten ein Stundenlohn von 7,00 Euro erzielbar.

Soweit der Sachverständige in seiner Anhörung vor dem Senat die Ansicht vertreten habe, die Antragsgegnerin sei auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar, folgte der Senat dieser Einschätzung des Sachverständigen, die im übrigen nicht von seinem Gutachtenauftrag erfaßt war, nicht.

Vielmehr sei es nach den Erfahrungen des Senats sehr wohl möglich, daß die am 07.07.1955 geborene Antragsgegnerin eine Arbeits­tätigkeit mit dem beschriebenen Tätigkeitsfeld finden könne. Sie sei als Anspruch­stellerin darlegungs- und beweispflichtig dafür, daß ihr dies trotz entsprechender Bemühungen nicht möglich wäre. Entsprechende Bemühungen habe sie indes bislang gar nicht entfaltet. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, daß die Antragsgegnerin bereits seit mehreren Jahren gehalten gewesen sei, sich um einen Arbeits­platz zu bemühen. Die Trennung erfolgte im August 2003, so daß jedenfalls anfangs des Jahres 2005 von ihr habe erwartet werden können, sich um eine Arbeitstätigkeit zu bemühen. Das Alter der am Kinder habe dem nicht ent­gegen. Zu ihren Aussichten auf dem Arbeitsmarkt sei er­gänzend darauf hinzuweisen, daß sie immerhin in der Zeit von 1998 bis 2004 zu­mindest teilweise eigenverantwortlich eine Boutique geführt habe, was ihre Chancen bei einer Arbeitsplatzsuche verbessert oder jedenfalls bei zeitnahen Bemühungen verbessert hätte, da ein potentieller Arbeitgeber davon ausgehen könne, daß sie den Anforderungen für leichte Bürotätigkeiten ohne Weiteres gewachsen sei.

Weiterhin in die Unterhaltsberechnung einzustellen sei der Wohnvorteil der Antrags­gegnerin, die kostenfrei das in ihrem hälftigen Miteigentum stehende vormalige Familienheim bewohne. Der Senat habe den Wohnvorteil mit monatlich 510,00 Euro bemessen.

Die unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen vorzunehmende Unter­haltsberechnung führe zu monatlichen Unterhaltsansprüchen der Antragsgegnerin auf Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 95,00 Euro und auf Elementarunterhalt in Höhe von 389,00 Euro, mithin auf monatlich insgesamt 484,00 Euro.

Der auf die vorstehende Weise ermittelte Unterhalt nach den ehelichen Lebens­verhältnissen sei mit Ablauf des Jahres 2013 gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, die Zahlungsverpflichtung auf 200,00 € zu reduzieren. Mit Ablauf des Jah­res 2015 sei der Unterhaltsanspruch gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB zeitlich zu begren­zen.

Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt sei nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrau­ten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwä­gung ergeben sich aus § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Danach sei vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten seien, für den Eigenunterhalt zu sorgen. Solche Nachteile könnten sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Ehe ergeben.

Danach sei vorrangig zu berücksichtigen, ob ehebedingte Nachteile eingetreten sind. Den Unterhaltsberechtigten treffe insoweit eine sekundäre Darlegungslast. Diese habe im Rahmen von § 1578 b BGB zum Inhalt, daß der Unterhaltsberechtigte die Be­hauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substantiiert bestreiten und seinerseits darlegen müsse, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstan­den sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anfor­derungen genügt, müßten die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unter­haltspflichtigen widerlegt werden. Die an die sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen seien nicht zu überspannen und müßten den Besonderheiten des Ein­zelfalles Rechnung tragen. Erforderlich sei allerdings die Darlegung konkreter beruf­licher Entwicklungsmöglichkeiten, die so konkret sein müßten, daß sie auf ihre Plausibilität überprüft werden könnten und der Widerlegung durch den Unterhalts­pflichtigen zugänglich seien (BGH, Urteil vom 26.10.2011, XII ZR 162/09, NJW 2012, 74 = FamRZ 2012, 93).

Hier könnten ehebedingte Nachteile im Sinne von § 1578 b BGB auf Seiten der An­tragsgegnerin nicht festgestellt werden.

Es gebe keine konkreten Hinweise darauf, daß die Antragsgegnerin, hätte sie den Antragsteller nicht geheiratet und die beiden Kin­der aus der Ehe betreut, noch eine Berufsausbildung absolviert hätte.

Sie habe zu keinem Zeitpunkt, sei es vor ihrer zweiten Ehe oder sei es nach der im Jahr 2003 erfolgten Trennung, irgendwelche dahingehende Bemühungen entfaltet. Eben­sowenig könne festgestellt werden, daß die Antragsgegnerin jetzt ein höheres Ein­kommen erzielen könnte, wenn sie bereits in früheren Jahren – ohne Berufsausbil­dung – einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wäre. Denn es könne nicht ohne weite­res davon ausgegangen werden, daß es der Antragsgegnerin gelungen wäre, durchgehend beim selben Arbeitgeber tätig zu werden und auf diese Weise mit der Zeit ein höheres Lohnniveau zu erreichen. Vielmehr sei es gerade bei ungelernten Kräften nicht unüblich, daß diese nach einer Zeit der Arbeitstätigkeit ihren Arbeits­platz verlieren und sich dann erneut auf den Arbeitsmarkt begeben müßten, um auf niedrigem Lohnniveau eine neue Anstellung zu finden.

§ 1578 b BGb beschränke sich indes nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität.

Auch im Rahmen der insoweit gebotenen Billigkeitsabwägung seien nach § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB neben weiteren relevanten Umständen im Einzelfall die Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie die Dauer der Ehe zu berücksichtigen. Die Ehedauer gewinne durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eintrete (BGH, Urteil vom 06.10.2010, AZ. XII ZR 202/08, FamRZ 2010, 1971).

Hier sei bei der Billigkeitsabwägung zu berücksichtigen, daß die Ehe der Beteiligten vom 29.08.1985 bis zur Zustellung des Scheidungsantrages am 26.10.2006 rund 21 Jahre gedauert habe. Die Antragsgegnerin habe während der Ehezeit den Haushalt ge­führt und die beiden gemeinsamen Kinder betreut. Daneben habe sie von 1998 bis zum Jahr 2004 in der auf den Namen des Antragstellers laufenden Boutique ge­arbeitet.

Weiterhin sei zugunsten des Antragstellers die außergewöhnlich lange Trennungszeit verbunden mit dem Umstand, daß er bereits seit der Trennung im August 2003 Trennungsunterhalt an die Antragsgegnerin zahle, zu berücksichtigen.

Unter Abwägung sämtlicher vorgenannter Gesichtspunkte halte es der Senat für ge­boten, von der Möglichkeit des § 1578 b Abs. 3 BGB Gebrauch zu machen und die Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs miteinander zu verbinden.