Mit dem Urteil des Oberlandesgericht Hamm vom 17.11.2011 (I-28 U 109/11) begründen geringfügige Mängel, die ein Neufahrzeug bei einem Transport davon trägt, nicht die Annahme eines Sachmangels.

Weise ein als Neufahrzeug verkaufter Pkw allerdings nach Verlassen des Herstellerwerkes nicht ganz unerhebliche (in Abgrenzung zu geringfügige und fachgerecht beseitigte) Lackschäden auf, sei das Fahrzeug auch dann nicht mehr „fabrikneu“, wenn die Schäden vor Übergabe durch Nachlackierung ausgeglichen worden seien.

Eine Nacherfüllungsaufforderung mit Fristsetzung sei dann entbehrlich,wenn der Verkäufer dem Käufer bei Abschluß des Kaufvertrages den Mangel arglistig verschwiegen habe.

In dem vorliegenden Verfahren hatte das Oberlandesgericht Hamm das Recht zur Rückabwicklung verneint, da es sich nur um geringfügige, fachgerecht beseitigte Lackschäden gehandelt hatte und Anhaltspunkte für eine Arglist nicht bestanden hatten.

Die Klägerin hatte von der Beklagten, die ein Autohaus betriebt, Rückabwicklung eines Neuwagenkaufs verlangt.

Am 18.02.2009 hatte die Klägerin bei der Beklagten ein Neufahrzeug der Marke Nissan, Modell Qashqai, Tekna 2.0 CVT, zum Preis von 24.630 € bestellt.

Das Fahrzeug wurde am 26.06.2009 der Klägerin übergeben. Zuvor war auf Veranlassung der Beklagten ein Transportschaden auf der linken Seite des Fahrzeugs behoben worden. Hierüber wurde die Klägerin bei der Übergabe nicht informiert.

Im Dezember 2009 wurde die Klägerin, als sie das Fahrzeug wegen eines von ihr selbst verursachten Schadens in eine Lackiererei brachte, auf eine erhöhte Lackschichtdicke der linksseitigen Türen hingewiesen.

Darauf zunächst vom Ehemann der Klägerin, dann auch von ihr selbst angesprochen, informierte sie der Geschäftsführer der Beklagten T über den reparierten Transportschaden.

Die Einzelheiten der im Dezember 2009 geführten Gespräche waren streitig. Jedenfalls wurde seitens der Beklagten eine Zahlung von 1.000 € angeboten, die die Klägerin ablehnte.

Mit Anwaltsschreiben vom 24.12.2009 focht die Klägerin den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an und erklärte zugleich den Rücktritt vom Vertrag. Die Beklagte trat dem entgegen, woraufhin die Klägerin ihr mit Schreiben vom 16.01.2010 vergeblich eine Frist zur Rückzahlung des Kaufpreises bis zum 31.01.2010 setzte.

Das Landgericht hatte ein Gutachten des Sachverständigen T2 vom 12.01.2011 eingeholt. Dieser hatte festgestellt, daß im fraglichen Bereich des Fahrzeugs keine Spachtelarbeiten, sondern nur die von der Beklagten beschriebenen Lackierarbeiten ausgeführt worden seien.

Mit Urteil vom 28.03.2011 hatte das Landgericht – unter Abweisung der weitergehenden Klage – die Beklagte zur Zahlung von 22.290,15 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 16.01.2010 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verurteilt und den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt.

Das Landgericht hatte ausgeführt, die Klägerin habe den Kaufvertrag wirksam angefochten. Die Beklagte habe sie arglistig getäuscht. Beim Neuwagenkauf seien auch geringfügige Schäden offenbarungspflichtig. Dazu gehöre der reparierte Transportschaden, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen die Nachlackierung an den Innenseiten der Türen bei fachkundiger Betrachtung feststellbar sei, sich rein technisch eine Abweichung vom Zustand eines schadensfrei ausgelieferten Neufahrzeugs ergebe und der Wert der Nachlackierung mit 700 € netto nicht mehr geringfügig sei.

Von dem zurückzuzahlenden Kaufpreis sei als Nutzungsentschädigung ein Betrag von 2.339,85 € in Abzug gebracht worden.

Das Oberlandesgericht Hamm erachtete die Berufung als begründet und damit die Klage als unbegründet.Die Klägerin habe ihre kaufvertragliche Willenserklärung nicht wirksam angefochten. Sie sei bei Abschluß des Kaufs nicht arglistig über den Zustand des später an sie übergebenen Fahrzeugs getäuscht worden. Zu diesem Zeitpunkt sei nichts von einem Transportschaden bekannt gewesen; möglicherweise sei er noch nicht einmal vorhanden gewesen. Als die Klägerin am 18.02.2009 die Neufahrzeugbestellung aufgegeben habe, habe noch nicht festgestanden, welches konkrete Fahrzeug an sie übergeben werden würde. Das Fahrzeug, welches sie später erhalten habe, sei noch nicht an die Beklagte ausgeliefert worden.

Dabei könne offen bleiben, ob das Fahrzeug bei Übergabe einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB aufgewiesen habe; es fehle jedenfalls an der gemäß § 323 Abs. 1 BGB erforderlichen Nacherfüllungsaufforderung mit Fristsetzung, die auch nicht entbehrlich gewesen sei.

Das Fahrzeug sei nur dann im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB mängelbehaftet, wenn die Behebung des Transportschadens nicht fachgerecht in Werksqualität ausführt worden sei.

Allein die Tatsache, daß es beim Transport beschädigt worden war, begründet noch keinen Sachmangel.

Es habe sich nicht um eine Unfallbeschädigung gehandelt, die sowohl bei einem Neu- wie bei einem Gebrauchtfahrzeug auch bei fachgerechter Reparatur eine Abweichung von der üblichen, vom Käufer berechtigterweise zu erwartenden Beschaffenheit darstelle und deshalb nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB einen Sachmangel begründe (vgl.BGH, Versäumnisurt. v. 10.10.2007, VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53, 54).

Von den mangelbegründenden -– offenbarungspflichtigen – Unfallschäden seien Bagatellschäden abzugrenzen, worunter insbesondere geringfügige Lackschäden fallen würden.

Hier lasse sich nicht feststellen, daß die beim Transport entstandene Beschädigung über den von der Beklagten beschriebenen kleinen Lackkratzer im Bereich der hinteren linken Tür hinausgegangen sei.

Das Fahrzeug habe durch die reparierten Lackschäden als solche auch nicht die Eigenschaft der Fabrikneuheit verloren, was andernfalls die Mangelhaftigkeit begründete.

Ein aus neuen Materialien hergestelltes und – abgesehen von der Überführung – unbenutztes Fahrzeug sei „fabrikneu“, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut werde, es keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweise, zwischen Herstellung und Kaufabschluß nicht mehr als 12 Monate liegen würden und wenn nach seiner Herstellung keine erheblichen Beschädigungen eingetreten seien, auch wenn sie vor Auslieferung an den Käufer nachgebessert worden seien.

„Fabrikneu“ bedeute dagegen nicht fehlerfrei (BGH NJW 1980, 2127, 2128).

Während ein als Neuwagen verkaufter Pkw, der nach Verlassen des Herstellerwerks nicht ganz unerhebliche Lackschäden erlitten habe, nicht mehr „fabrikneu“ sei, auch wenn die Schäden vor Übergabe durch Nachlackierung ausgebessert worden seien (BGH a.a.O.), gelte anderes bei geringfügigen Lackschäden, soweit sie fachgerecht beseitigt worden seien (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.04.1998, 32 U 159/97, NJW-RR 1998, 1212; OLG München, Urt. v. 25.03.1998, 30 U 598/97, NJW-RR 1998, 1210).

Hier sei die Grenze der Geringfügigkeit nicht überschritten worden.

Nach den unwiderlegten Angaben der Beklagten habe es sich um einen nur ca. 4 cm langen, oberflächlichen Lackkratzer an der hinteren linken Tür gehandelt, der durch Neulackierung der Tür und  zwecks optischer Angleichung – Beilackierung der vorderen Tür behoben worden sei. Der Reparaturaufwand habe nach der unangegriffenen Schätzung des Sachverständigen T2 bei rd. 700 € netto gelegen. Das seien lediglich 3,4 % des Neupreises.

Ein solcher Lackschaden stehe, wenn er fachgerecht in Werksqualität behoben worden sei, der „Fabrikneuheit“ des Fahrzeugs nicht entgegen und sei als solcher folglich nicht offenbarungspflichtig.

Anderes gelte, wenn die Reparaturarbeiten nicht in diesem Sinne fachgerecht ausgeführt worden sein sollten. Dann wiche die Beschaffenheit des Fahrzeugs der Klägerin der nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB geschuldeten Beschaffenheit ab.

Der Frage, ob das klägerische Fahrzeug einen Sachmangel wegen nicht fachgerechter Ausführung der Lackierarbeiten aufweise, müsse nicht nachgegangen werden.

Ein etwaiger Mangel habe die Klägerin nicht zum Rücktritt berechtigt, weil sie die Beklagte zuvor – unstreitig – nicht zur Nacherfüllung aufgefordert und hierzu eine Frist gesetzt habe.

Eine solche Nacherfüllungsaufforderung mit Fristsetzung sei nicht entbehrlich gewesen.

Die Klägerin könne auch nicht mit Erfolg geltend machen, sie hätte deshalb nicht zur Nacherfüllung auffordern müssen, weil ihr dies wegen arglistigen Verhaltens der Gegenseite unzumutbar gewesen sei.

Nach der Rechtsprechung werde regelmäßig ein die sofortige Rückabwicklung des Kaufvertrags rechtfertigendes Interesse des Käufers angenommen, wenn der Verkäufer dem Käufer einen Mangel bei Abschluß des Kaufvertrags arglistig verschwiegen habe (BGH, Beschl. v. 08.12.2006, V ZR 249/05, NJW 2007, 835, s. auch BGH, Urt. v. 09.01.2008, VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371).

Ob dies gleichermaßen gelte, wenn es nicht um eine Täuschung bei Vertragsschluß, sondern um das Verschweigen eines der Verkäuferin bekannt gewordenen Mangels bei Übergabe des Fahrzeugs gelte, könne dahin stehen.

Im vorliegenden Fall sei das Unterlassen der Aufklärung über den – etwaigen – Sachmangel nicht arglistig gewesen. Arglist setze voraus, daß der Verkäufer den Mangel kenne oder jedenfalls mit seinem Vorhandensein rechne und dies billigend in Kauf nehme (Reinking/Eggert a.a.O. Rn 2077 ff.).

Diese Voraussetzungen ließen sich nicht feststellen.