Hessisches Landessozialgericht entschied in seinem Urteil vom22.06.2012 (L 7 AL 186/11), daß, wer einen Auflösungsvertrag unterzeichnet, um eine höhere Abfindung zu erlangen, mit einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeldbezug rechnen müsse.

Eine Sperrzeit von zwölf Wochen wegen Arbeitsaufgabe trete nach § 144 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F. ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.

Vorliegend habe die Klägerin, die keine konkreten Aussichten auf einen Anschlußarbeitsplatz gehabt habe, durch den Abschluß des Aufhebungsvertrages vom 30. März 2010 ihr Beschäftigungsverhältnis mit der XY. Service-Center B-Stadt GmbH gelöst und dadurch ihre Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, ob die Arbeitslosigkeit auch unabhängig vom Abschluß des Aufhebungsvertrages aufgrund einer ansonsten ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung eingetreten wäre.

Denn für die Beurteilung der Frage, ob eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zum Eintritt der Arbeitslosigkeit geführt habe, komme es allein auf den tatsächlichen Geschehensablauf an (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 24; BSGE 77, 48/51; BSGE 89, 243/245). Keine Beachtung finde demgegenüber ein hypothetischer Geschehensablauf, zu dem auch eine angedrohte betriebsbedingte Kündigung gehöre (vgl. BSGE 97, 1).

Eine Arbeitgeberkündigung zum Ablauf des 30. September 2010 sei vorliegend jedoch gerade nicht ausgesprochen worden. Mit der Zustimmung zum Aufhebungsvertrag vom 30. März 2010 habe die Klägerin somit eine wesentliche Ursache zur endgültigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gesetzt. Unerheblich sei insoweit auch, ob die Initiative hierzu von ihr oder vom Arbeitgeber ausgegangen sei (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juni 1997, Az.: 7 RAr 22/96).

Nach Auffassung des Senats habe der Klägerin für ihr Verhalten auch kein wichtiger Grund zur Seite gestanden. Über das Vorliegen eines wichtigen Grundes sei nach der Rechtsprechung des BSG unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden. Diese diene dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor Risikofällen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten habe. Eine Sperrzeit solle nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden könne (vgl. BSGE 99, 154).

Im Falle der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag und Zahlung einer Abfindung könne sich der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BSG auf einen wichtigen Grund dann berufen, wenn ihm der Arbeitgeber mit einer nach Arbeitsrecht objektiv rechtmäßigen betriebsbedingten Kündigung zu dem Zeitpunkt drohe, zu dem er das Arbeitsverhältnis löse, und ihm die Hinnahme dieser Kündigung nicht zuzumuten sei (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juli 2006, B 11a AL 47/05 R; BSG, Urteil vom 8. Juli 2009, B 11 AL 17/08 R).

Vorliegend sei jedoch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages am 30. März 2010 eine objektiv rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung zum Ablauf des 30. September 2010 gar nicht möglich gewesen, da zunächst das – für den Monat April 2010 vorgesehene – sog. Clearingverfahren durchzuführen war. Dies ergebe sich ohne Weiteres schon aus § 2 (4) des zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat unter dem 15. Februar 2010 geschlossenen Interessenausgleichs, wonach die Arbeitgeberin verpflichtet gewesen sei, den Versuch zu unternehmen, im sog. Clearingverfahren den Arbeitnehmer auf einen zumutbaren Arbeitsplatz zu vermitteln. Erst nach Durchlaufen dieses Vermittlungsverfahrens hätten – so ausdrücklich § 2 (5) des Interessenausgleichs – personelle Maßnahmen ergriffen werden können.

Damit hätte vorliegend frühestens im April 2010 als personelle Maßnahme eine betriebsbedingte Kündigung erklärt werden können, die – unter Beachtung der für die Klägerin maßgeblichen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Schluß eines Kalendervierteljahres (vgl. § 25 Abs. 2 6. Alt. des Manteltarifvertrages vom 31. Dezember 2004) – das Arbeitsverhältnis damit rechtmäßig erst zum Ablauf des 31. Dezember 2010 beendet hätte. Auf die Frage, ob die Klägerin auch im Falle der Ablehnung eines Arbeitsangebotes in MX., AB. oder BJ. den Anspruch auf Auszahlung einer Abfindung in jedem Fall komplett verloren hätte, komme es daher gar nicht an.

Indes dürfte diese von der Klägerin vertretene Rechtsansicht auch nach Einschätzung des Senates im Hinblick auf die von ihr selbst in die Argumentation eingeführte Versorgung und Unterstützung ihrer zunehmend pflegebedürftig werdenden Eltern nicht zwingend sein. Denn der ihr angebotene Arbeitsplatz hätte funktional, regional, zeitlich und (auch) sozial zumutbar sein müssen. Sozial zumutbar sei ein Arbeitsplatz nach § 3 (1) 4. des Sozialplans vom 15. Februar 2010 u.a. jedoch nur gewesen, wenn dadurch nicht die aktuelle und in Zukunft erforderliche Betreuung und Versorgung pflegebedürftiger Ehegatten, Eltern oder Lebenspartner sowie pflegebedürftiger unterhaltsberechtigter Kinder, unmöglich gemacht werde. Hätte man der Klägerin im Hinblick auf ihre pflegebedürftigen Eltern somit keinen (sozial) zumutbaren Arbeitsplatz im Sinne des § 3 des Sozialplans anbieten können, hätte auch nicht die Ausschlußnorm des § 2 (3) des Sozialplans durchgegriffen, mit der Folge, daß ihr ein Anspruch auf die (normale) Abfindung im Sinne des § 6 des Sozialplans zugestanden hätte.

Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt nach § 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F. zwölf Wochen. Sie verkürze sich nach Satz 2 Nr. 2b der Vorschrift auf sechs Wochen, wenn eine Sperrzeit von zwölf Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde. Das Vorliegen einer besonderen Härte sei von Amts wegen zu prüfen, der Beklagten stehe dabei weder Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum zu, es handele sich vielmehr um einen unbestimmten Rechtsbegriff (vgl. BSG, SozR 4100 § 119 Nrn. 32 und 33; SozR 3-4100 § 119 Nr. 11). Diese gesetzliche Regelung entziehe sich grundsätzlich einer generalisierenden Betrachtung; vielmehr sei eine Bewertung der Gesamtumstände des Einzelfalls vorzunehmen.

Nach dem Gesetzeswortlaut beurteile sich das Vorliegen einer besonderen Härte allein nach den Umständen, die für den Eintritt der Sperrzeit maßgeblich seien, außerhalb des Sperrzeittatbestandes liegende Umstände könnten grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (vgl. BSGE 77, 61, 63 = SozR 3-4100 § 119a Nr. 3). In Betracht kämen insoweit Umstände des Beschäftigungsverhältnisses, aber auch persönliche und sonstige Umstände, die zwar von ihrem Gewicht her den Eintritt einer Sperrzeit nicht verhindern, aber aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls den Eintritt der Regelsperrzeit als besonders hart erscheinen lassen würden (vgl. BSGE 54, 7, 14 = SozR 4100 § 119 Nrn. 19 und 32; Curkovic in NK-SGB III, 3. Aufl., § 144 Rdnr. 192). Die unmittelbaren Folgen der Sperrzeit, die nach dem SGB III bei allen Betroffenen eintreten würden, wie Ruhen und Kürzung des Leistungsanspruchs, sollten nach dem Willen des Gesetzgebers gerade keine Rolle spielen. Mittelbare Folgewirkungen seien nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots zu berücksichtigen (vgl. BSGE 77, 61, 63 = SozR 3-4100 § 119a Nr. 3).

Für den Senat seien keine Umstände ersichtlich, die von ihrem Gewicht her zwar den Eintritt einer Sperrzeit nicht verhindern, aber aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls den Eintritt der Regelsperrzeit als besonders hart erscheinen lassen würdeb. Wie bereits oben ausgeführt, habe der Klägerin zum 30. September 2010 oder früher keine betriebsbedingte Kündigung ihres unbefristeten Arbeitsverhältnisses seitens der Arbeitgeberin gedroht. Gleichwohl habe sie sich entschlossen, ihr Beschäftigungsverhältnis zu beenden, anstatt die konkreten Ergebnisse des vorgesehenen Vermittlungsverfahrens abzuwarten. Schließlich weise der vorliegende Sachverhalt, daß Arbeitnehmern anläßlich einer Betriebsschließung der Abschluß von Aufhebungsverträgen angeboten und diesen nachdrücklich ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nahegelegt werde, keine relevanten Besonderheiten auf. Vielmehr handele es sich um ein typisches Geschehen, das nicht aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls den Eintritt der Regelsperrzeit als besonders hart erscheinen lasse. Daß dieses Angebot vorliegend noch durch eine „Turboprämie“ in Höhe von zusätzlichen 1.500,00 € pro vollendetem Beschäftigungsjahr neben der üblichen Abfindung besonders schmackhaft gemacht worden sei, führe nach Auffassung des Senats zu keiner anderen Bewertung.