Das Oberlandesgericht Celle beschloß in seiner Entscheidung vom 12.09.2006 (8 W 66/06), daß ein Betreiber eines Freibades nicht seine Verkehrssicherungspflicht verletze, wenn er an einer geraden und übersichtlichen Rutsche im Bereich eines Nichtschwimmerbeckens durch eine Tafel mit Warnhinweisen und eine zusätzliche Gestaltung durch Piktogramme darauf hinweise, welche Rutschhaltungen erlaubt seien (Sitzend und Liegend Blick je nach vorn) und darauf aufmerksam mache, daß der Rutschenauslauf sofort zu verlassen sei, es aber gleichwohl zu einem Unfall komme, wenn ein achtjähriger Junge den Auslaufbereich nicht sofort verlasse, ein weiterer Zwölfjähriger auf den Knien sitzend runterrutsche und den Achtjährigen mit den Knien am Kopf treffe und verletze.

Grundsätzlich sei der Betreiber einer solchen übersichtlichen Rutsche weder verpflichtet, zusätzliche technische Hilfsmittel wie Ampeln oder Schranken anzubringen noch bestehe eine Verpflichtung, jeden einzelnen Rutschvorgang durch einen am Rutscheneinstieg postierten Bademeister auf seine Ordnungsgemäßheit zu überwachen.

Dem Antragsteller stünden daher keine Ansprüche auf Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens gem. § 823 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB gegen die Antragsgegnerin wegen seines Unfalls vom 27. Mai 2003 im Freibad H. in L. zu.

Zu dem Unfall war es gekommen, als am 27. Mai 2003 der damals knapp achtjährige Antragsteller gegen 17.00 Uhr eine Rutsche im Bereich des Nichtschwimmerbeckens nach unten rutschte, sich dann nicht sofort aus dem Auslaufbereich entfernte, weil er noch seinen beim Rutschen verloren gegangenen Ball suchte und der sodann rutschende Zeuge S., zum Zeitpunkt des Unfalls 11 ½ Jahre alt, sitzend auf den Knien die Rutsche herabkam, den Antragsteller mit dem Knie am Kopfbereich traf und dieser hierdurch schwere Kopf und Gesichtsverletzungen erlitt.

Das Oberlandesgericht Celle führte aus, daß der Betreiber eines Schwimmbades die Benutzer grundsätzlich vor den Gefahren zu schützen habe, die über das übliche Risiko ei der Anlagenbenutzung hinausgehen würden, vom Benutzer nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar seien (BGH VersR 2000, 984).

Insoweit treffe den Betreiber des Schwimmbades die deliktische Garantenpflicht, dafür zu sorgen, daß keiner der Besucher durch solche Risiken beim Badebetrieb zu Schaden komme. Der Umfang der Kontrollpflichten hänge von den Umständen des Einzelfalles, wie etwa Größe und Lage des Freibades, Anzahl der Besucher, Vorhandensein besonderer Spiel und Sportgeräte etc. ab. Hierbei sei ferner in Betracht zu ziehen, daß insbesondere Kinder und Jugendliche dazu neigen würden, Vorschriften und Anordnungen nicht zu beachten und sich unvernünftig zu verhalten. Daher könne die Verkehrssicherungspflicht auch die Vorbeugung gegenüber solchem mißbräuchlichen Verhalten erfassen (BGH VersR 2004, 657).

Allerdings könne und müsse nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden, da eine Verkehrssicherheit, die jeden Gefährdungsfall ausschließe, nicht erreichbar sei. Geboten seien mithin nur solche Sicherheitsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten dürfe, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zumutbar seien.

Auf dieser Grundlage kommt hier die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nicht in Betracht.

Die Wasserrutsche selbst weise von ihrer Konstruktion her keine besonderen Gefahren aus.

Sie verlaufe – unterbrochen durch einige Absätze – gerade in das Nichtschwimmerbecken. Sowohl vom Standpunkt einer sich oben an der Rutsche befindlichen Person als auch eines bereits nach Ende des Rutschvorganges im Wasser befindlichen Besuchers sei die Anlage auf einen Blick gut zu überschauen. Der oben stehende Benutzer könne leicht erkennen, ob sich im Auslaufbereich, der überdies farblich ringförmig abgesetzt sei, noch andere Personen befänden, so daß er solange zu warten habe, bis diese sich entfernten. Umgekehrt könne jedermann im Bereich des Schwimmbeckens erkennen, ob ein weiterer Badegast oben an der Rutsche stehe und diese herunterrutschen wolle, so daß er sich zu entfernen habe, wenn er sich noch im Bereich der Auslaufzone befinde. Bei derartigen geraden und ohne weiteres zu überblickenden Anlagen seien – anders als etwa bei langen in Kurven verlaufenden Röhrenrutschen, bei denen Beginn und Ende der Rutsche nicht zu überblicken seien (hierzu etwa BGH VersR 2005, 279. 2004, 657) – grundsätzlich keine weiteren technischen Hilfsmittel anzubringen. Weder eine Ampelanlage, eine mechanische Schranke oder ein Monitor mit einem Bild des Auslaufbereichs müßten hier installiert werden, um Besucher vor möglichen Gefahren zu warnen, da sie den erforderlichen Sicherheitsabstand grundsätzlich selbst einschätzen können (OLG Stuttgart VersR 2004, 252).

In derartigen Fällen komme der Betreiber seiner Verkehrssicherungspflicht vielmehr nach, wenn er durch inhaltlich und optisch klar gestaltete Hinweisschilder vor Benutzung der Rutsche die Besucher darauf hinweise, welche Rutschtechniken erlaubt und verboten sowie welche sonstigen Verhaltensmaßregeln zu beachten seien (BGH VersR 2005, 279. OLG Stuttgart, a. a. O.. OLG Köln VersR 1989, 159).

Diesen Anforderungen entspreche das unten am Treppenaufgang zur Rutsche angebrachte Hinweisschild, weil auf ihm auch durch Piktogramme für Kinder klar erkennbar darauf hingewiesen werde, daß als Rutschpositionen nur Rückenlage Blick nach vorn sowie Sitzend Blick nach vorn zugelassen seien. Ein Rutschen auf Knien sei mithin nicht erlaubt. Ferner werde ausdrücklich durch ein weiteres Piktogramm darauf hingewiesen, daß sofort vom Rutschenauslauf wegzutreten sei. Im weiteren Text würden die Benutzer ferner darauf hingewiesen, Abstand zu halten, Rücksicht zu nehmen und den Auslauf freizumachen. Diese Warnhinweise seien hier sowohl für den Kläger als auch für den Zeugen S. klar ersichtlich gewesen. Wenn dann trotz dieser klaren und unmißverständlichen Hinweise einerseits der Zeuge S. auf den Knien sitzend rutsche und nicht abwarte, bis der Auslaufbereich völlig frei sei, andererseits der Kläger sich nicht sofort aus dem Auslaufbereich entferne, sondern in diesem verbleibe bzw. zurückkehre, um nach seinem Ball zu suchen, obwohl die Rutsche erneut durch andere Personen benutzt werde, so habe sich hierin ein Risiko verwirklicht, für das die Antragsgegnerin nicht verantwortlich sei. Es sei schlicht nicht möglich, die Gefahr jeden Unfalls in einem Freibad mit einer Wasserrutsche zu verhindern, wenn mißbräuchliches Verhalten der Benutzer vorliege.

Erfahrungsgemäß sei nämlich auch durch noch so deutliche Warnungen und Mahnungen nicht zu verhindern, daß Kinder und Jugendliche in Freibädern auf Rutschen die notwendigen Sicherheitsvorschriften einhalten (BGH VersR 1980, 863).

Zwar müsse die Antragsgegnerin durch ihre Mitarbeiter darauf achten, daß die von ihr aufgestellten Sicherheitsregeln auch eingehalten würden und bei deren Verletzung einschreiten. Soweit der Antragsteller hierzu geltend mache, die Warnschilder würden nicht beachtet und Verstöße hätten sich als üblich eingebürgert, beruhe ihr Vortrag indessen auf nicht durch Tatsachengrundlagen gestützten Spekulationen. Es sei weder ersichtlich noch vom Antragsgegner mit Substanz vorgetragen, daß es vor dem Unfall bereits Verstöße gegen die Benutzungsregeln durch den Zeugen S., den Kläger oder andere Personen gegeben hätten, die die Antragsgegnerin zu einem Einschreiten hätten veranlassen müssen. Als der Zeuge S. indessen bereits auf den Knien losgerutscht war und der Kläger sich nicht aus dem Auslaufbereich entfernte bzw. in diesen zurückkehrte, sei der Antragsgegnerin ein Einschreiten aber schon aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich gewesen. Eine Möglichkeit des Anhaltens habe für den Zeugen S. zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben. Als er dem Antragsteller eine Warnung zurief, war es bereits zu spät.

Die Antragsgegnerin sei auch nicht etwa verpflichtet gewesen, gesondert einen Bademeister nur für die Rutsche abzustellen und durch seine Positionierung oben auf dem Rutschenturm dafür Sorge zu tragen, daß ein Benutzer die Rutsche nur in der vorgeschriebenen Haltung und erst dann benutze, wenn der Auslaufbereich frei sei. Insoweit entspreche es ständiger Rechtsprechung, daß die Gewährleistung einer ständigen und lückenlosen Aufsicht am Rutscheneinstieg durch einen präsenten Bademeister nicht üblich und dem Betreiber eines Schwimmbades nicht zumutbar sei (BGH VersR 2005, 279. 2004, 657. OLG Koblenz r+s 2003, 519. LG Aachen ZfS 1995, 323). In Schwimmbädern würden an vielen Stellen Gefahren drohen. Ihnen durch eine allgegenwärtige Aufsicht zu begegnen, sei weder geboten noch möglich. Der Besucher eines Schwimmbades könne eine Badeaufsicht, aber keine lückenlose „Rundum“Kontrolle erwarten. Sie werde deshalb auch wegen des damit verbundenen erheblichen Kostenaufwandes nicht geschuldet. Hinzu komme, daß auch der durch eine Anlage vermittelte Freizeitspaß nicht durch Überregulierung zu weit eingeschränkt werden solle. Insoweit seien der Anordnung von Sicherheitsmaßnahmen Grenzen gesetzt durch das berechtigte Interesse der Benutzer eines Freibades, nicht übermäßig gegängelt und in ihrer Bewegungsfreiheit mehr als notwendig eingeschränkt zu werden (BGH NJW 1980, 1159).

Soweit der Antragsteller sich darauf berufe, bei der Antragsgegnerin bestehe eine Dienstvorschrift dahin, es solle immer eine Aufsichtsperson an der Rutsche postiert sein, fehle es hierfür jedenfalls für das Prozeßkostenhilfeverfahren angesichts des Bestreitens der Antragsgegnerin an hinreichenden Anhaltspunkten. Hinzu komme, daß der Unfall – wenn überhaupt – nur dadurch zu verhindern gewesen wäre, daß ein Bademeister oben unmittelbar am Rutscheneinstieg neben dem jeweiligen Badegast stehen und jeden einzelnen Rutschvorgang im Hinblick auf die erlaubte Rutschposition sowie einen nicht mehr benutzten Auslaufbereich freigeben müßte. Daß die nicht belegte Dienstvorschrift gerade diesen Inhalt habe, habe der Antragsteller aber selbst nicht schlüssig vorgetragen. Entsprechendes ergebe sich auch nicht aus dem Vermerk des PHM L. vom 11. Juni 2003. Hätte sich ein Bademeister nur neben der Rutsche am Beckenrand aufgehalten, so hätte er diesen konkreten Unfall ohnehin nicht verhindern können, da der Zeuge S. den wieder bzw. noch im Auslaufbereich anwesenden Antragsteller ohnehin erst wahrnahm, als er sich bereits auf der Rutsche befand. In diesem Augenblick wäre ein Anhalten indessen nicht mehr möglich und der Unfall deshalb durch einen Bademeister nicht zu verhindern gewesen. Daß der Zeuge S. und /oder der Antragsteller bereits zuvor die Rutsche ordnungswidrig benutzt hätten, so daß ein unmittelbar an der Rutsche stehender Bademeister hier weiteren Verstößen hätte Einhalt bieten können, behaupte der Antragsteller selbst nicht.

Im Ergebnis ohne Erfolg berufe der Antragsteller sich ferner darauf, die Antragsgegnerin habe ihre Verkehrssicherungspflicht bereits deshalb verletzt, weil diese überhaupt nur einen Bademeister für das gesamte aus Schwimmer und Nichtschwimmerbecken nebst Sprunganlage und Wasserbecken bestehende Freibad eingeteilt habe, so daß im Zeitpunkt des Unfalls niemand mit der Beaufsichtigung des Nichtschwimmerbeckens und der Rutsche befast gewesen sei. Grundsätzlich sei der Betreiber eines Schwimmbades allerdings verpflichtet, der Aufsichtsperson einen geeigneten Standort zuzuweisen, von dem aus sie das Bad überblicken und Sicht auf die Schwimmbecken und Rutschen haben kann (BGH VersR 2004, 252. 2000, 984). Erforderlichenfalls müsse er die Aufsicht anweisen, den Standort öfter zu wechseln, um das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln verfolgen und nötigenfalls frühzeitig eingreifen zu können. Grundsätzlich sei hierbei ausreichend, wenn je Beckenbereich eine Aufsicht zur Verfügung stehe (OLG Koblenz, a. a. O.).

Auf dieser Grundlage sei es bereits zweifelhaft, ob hier tatsächlich für die gesamte Anlage nur ein Bademeister zur Verfügung gestanden habe. Aus dem Vermerk des PHM L. vom 11. Juni 2003 ergebe sich vielmehr, daß insgesamt drei Aufsichtspersonen für die Anlage zur Verfügung gestanden hätten. Entsprechendes sei auch von der Antragsgegnerin unter Vorlage eines Lageplanes und der Position der drei Aufsichtspersonen vorgetragen worden. Hiernach habe sich ein Bademeister im Bereich des Nichtschwimmerbeckens auf der der Rutsche gegenüberliegenden Seite des Beckens befunden. Selbst wenn indessen der Vortrag des Antragstellers zutreffen sollte, der gesamte Bereich des Nichtschwimmerbeckens einschließlich der Rutsche sei nicht überwacht worden, würde hieraus keine Haftung der Antragsgegnerin folgen. Auch ein im Bereich des Nichtschwimmerbeckens anwesender Bademeister hätte nämlich den Unfall, selbst wenn er in diesem Moment gerade das Verhalten des Antragstellers und des Zeugen S. wahrgenommen hätte, nicht verhindern können. Der Zeuge S. war nämlich bereits auf den Knien sitzend losgerutscht, als sich im Auslaufbereich wieder bzw. immer noch der Antragsteller aufhielt. Ein Ausweichen bzw. Anhalten war ihm Aussage gerade nicht mehr möglich. Es sei nicht ersichtlich, wie ein hier anwesender Bademeister diesen Unfall dann noch hätte verhindern sollen. Ein Eingreifen sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen. Insoweit fehle es jedenfalls an der Kausalität einer Verletzung der Aufsichtspflicht für den eingetretenen Schaden.