Mit dem Beschluß des Oberlandesgericht Bamberg stellt es keine Ordnungswidrigkeit dar, wenn der Fahrzeugführer barfuß Auto oder nur mit Socken fährt, da es an einer Sanktionsnorm fehle (2 Ss OWi 577/06).

In dem zugrundeliegenden Verfahren hatte das Amtsgericht den Betroffenen am 23.01.2006 wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit des Führens eines Fahrzeugs, obwohl die Besetzung nicht vorschriftsmäßig war, wodurch die Verkehrssicherheit wesentlich litt, zu einer Geldbuße in Höhe von 50,00 EUR verurteilt.

Der Betroffene befuhr am 20.09.2005 um 17.35 Uhr mit einem Lkw mit Anhänger die Bundesautobahn A9 im Bereich von P. in nördlicher Fahrtrichtung. Zum Zeitpunkt der Fahrt hatte der Betroffene kein Schuhwerk angezogen. Er fuhr mit Socken.

Das Amtsgericht war der Ansicht gewesen, daß der Betroffene durch sein Verhalten eine vorsätzliche Ordnungswidrigkeit nach §§ 23 Abs. 1, 49 StVZO i.V.m. § 24 StVG begangen habe. Zum sicheren Führen eines Fahrzeugs, insbesondere eines Lkw´s mit Anhänger, gehöre der Umstand, daß ein Betroffener jederzeit mit den vorhandenen Pedalen entsprechend reagieren könne, ohne daß die Gefahr des Abrutschens bestehe. Dies sei nur gewährleistet bei festem Schuhwerk. Beim bloßen Tragen von Socken, insbesondere dann, wenn ein Betroffener noch an den Folgen einer Verletzung leide, sei nicht geeignet, eine sichere Bedienung der Pedale zu gewährleisten, vgl. auch § 44 Abs. 2 UVV „Fahrzeuge“.

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragte, rügte der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.

Das Oberlandesgericht erachtete die zugelassene Rechtsbeschwerde als begründet.

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen würden die Verurteilung des Betroffenen nicht tragen.

Das bloße Fahren ohne geeignetes Schuhwerk sei – jedenfalls bei einer nicht dem Anwendungsbereich des § 209 SGB VII unterfallenden Fahrt – weder nach § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO (das Amtsgericht führt fälschlicherweise §§ 23, 49 StVZO an) noch nach anderweitigen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts mit Bußgeld sanktioniert.

Dem Amtsgericht sei allerdings insoweit beizupflichten, als es mit den Pflichten eines sorgfältigen Kraftfahrzeugführers unvereinbar sei, ein Kraftfahrzeug ohne (oder mit hierfür ungeeignetem) Schuhwerk zu führen. Da wesentliche Fahrzeugfunktionen über Pedale mit Fußkontakt gesteuert würden, könne das Fahren ohne (oder mit ungeeignetem) Schuhwerk infolge einer dadurch bedingten Fehlbedienung der Pedale oder eines Abrutschens von den Pedalen mit erheblichen Risiken verbunden sein. Werde dadurch ein von der Rechtsordnung mißbilligter Erfolg herbeigeführt, insbesondere ein Dritter geschädigt, gefährdet oder auch nur belästigt im Sinne von § 1 Abs. 2 StVO, könne der Fahrzeugführer – über die zivilrechtliche Haftung für einen dadurch verursachten Schaden hinaus (vgl. BGH VM 57,32) – auch strafrechtlich oder bußgeldrechtlich verantwortlich sein.

Ein solcher „Erfolg“ sei nach den getroffenen Feststellungen jedoch nicht eingetreten. Der Betroffene könnte deshalb nur dann bußgeldrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sein Verhalten über die allgemeine Sorgfaltspflicht des § 1 Abs. 1 StVO hinaus auch gegen eine bußgeldbewehrte Verhaltensvorschrift verstoßen hätte. Dies sei jedoch nach den bisherigen Feststellungen nicht der Fall.

Die insoweit maßgeblichen verkehrsrechtlichen Regelungswerke (StVG, StVO, StVZO, FeV) enthielten keine (ausdrückliche) Bestimmung, die dem Fahrzeugführer das Tragen bestimmten Schuhwerks vorschreiben oder verbieten würden.

Das Amtsgericht habe die Verurteilung des Betroffenen auf § 23 Abs. 1 StVO gestützt, ohne zwischen Satz 1 und Satz 2 dieser Vorschrift zu differenzieren, wobei ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1 Satz 1 StVO von vornherein nicht in Betracht komme, da eine Beeinträchtigung der Sicht oder des Gehörs des Fahrzeugführers nicht in Rede stehe. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO müsse der Fahrzeugführer dafür sorgen, daß die Ladung und die Besetzung des Fahrzeugs vorschriftsmäßig seien und die Verkehrssicherheit durch Ladung und/oder Besetzung nicht beeinträchtigt werde. Nachdem die Ausrüstung des Fahrzeugs und die Kleidung des Fahrers schon begrifflich nicht zur Ladung gehören würden (Janiszewski/Jagow/Burmann Straßenverkehrsrecht 19. Aufl. § 22 StVO Rn. 2), habe das Amtsgericht, ohne dies auszuführen, den Betroffenen als Fahrer offensichtlich zur Fahrzeugbesetzung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO gerechnet. Dem vermöge der Senat nicht zu folgen.

Soweit § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO dem Fahrzeugführer die Verantwortlichkeit für die Besetzung des Fahrzeugs auferlege, könnten damit nur die Personen gemeint sein, die sich neben dem Fahrer noch im Fahrzeug befinden würden (BayObLG DAR 79, 45; Hentschel Straßenverkehrsrecht 38. Aufl. § 23 StVO Rn. 22). Dies sei u.a. auch § 31 Abs. 2 StVZO zu entnehmen, der für den Fahrzeughalter eindeutig zwischen seiner Verantwortung für die Eignung des Fahrzeugführers einerseits und die (Ladung und) Besetzung andererseits differenziere, den Fahrer somit nicht als Teil der Besetzung ansehe. Dementsprechend werde im Rahmen des § 23 Abs. 1 StVO die Besetzung insbesondere in den Fällen als nicht vorschriftsmäßig angesehen, in denen sie den Bestimmungen des § 21 StVO nicht entspreche und dadurch die Verkehrssicherheit beeinträchtigt werde (vgl. Hentschel aaO § 23 StVO Rn. 22; Janiszewski/Jagow/Burmann aaO § 23 StVO Rn. 16). § 21 StVO wiederum regele die Sorgfaltspflichten des Fahrers bei der Mitnahme anderer Personen.

Der Fall, daß durch eigenes Verhalten des Fahrers, das sich nicht auf die Ladung oder Besetzung des von ihm geführten Fahrzeugs beziehe, die Verkehrssicherheit beeinträchtigt werde, wie hier durch das Führen eines Lkw ohne geeignetes Schuhwerk, werde von § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO nicht umfaßt.

Auch §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 75 Nr. 1 FeV trügen die Verurteilung des Betroffenen nicht. § 2 Abs. 1 Satz 1 FeV beziehe sich nur auf solche Fälle, in denen ein körperlicher (oder hier nicht in Betracht kommender geistiger) Mangel zur Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit beim Führen eines Kraftfahrzeugs führen könne. Fehlendes oder ungeeignetes Schuhwerk stelle schon begrifflich keinen körperlichen Mangel dar. Es könne auch nicht mit dem ggf. im Rahmen des § 2 Abs.1 FeV beachtlichen Tragen eines Gipsverbandes (BayObLG Beschluß vom 30.04.1986, Az. 2 ObOWi 444/86 r+s 1986, 270; vgl. hierzu auch Pluisch NZV 95, 173; Rothardt-Habel DAR 93, 275 jew. m.w.N.) verglichen werden, da durch diesen – zumindest vorübergehend vorhandene – körperliche Mängel kompensiert werden sollten, auch wenn in technischer Hinsicht das Führen eines Kraftfahrzeugs mit Gipsverband und mit ungeeignetem Schuhwerk in vergleichbarer Weise geeignet erscheinen würden, die Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen. Die beiläufige Feststellung des Amtsgerichts, der Betroffene habe noch an den Folgen einer Sprunggelenksverletzung gelitten, sei für die Annahme eines körperlichen Mangels i.S.d. § 2 Abs.1 Satz 1 FeV nicht ausreichend.

Schließlich komme auch eine Verurteilung nach §§ 209 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 SGB VII i.V.m. §§ 44 Abs. 2, 58 und 32 der Unfallverhütungsvorschriften „Fahrzeuge“ (BGV D29) derzeit nicht in Betracht. Zwar heiße es in § 44 Abs. 2 BGV D29: „Der Fahrzeugführer muss zum sicheren Führen des Fahrzeugs den Fuß umschließendes Schuhwerk tragen.“ Als Unfallverhütungsvorschrift könne § 44 Abs. 2 BGV D29 aber nur im Rahmen eines Versicherungsverhältnisses nach dem SGB VII Geltung beanspruchen (soweit der gesetzliche Unfallversicherungsschutz reiche; vgl. Lauterbach/Fröde UV-SGB VII 4. Aufl. § 15 Rn. 47). Dementsprechend richte sich der Bußgeldtatbestand des § 58 BGV D29 im hier maßgeblichen Regelungsbereich über die Verweisung auf § 32 BGV D29 nur an Unternehmer und Versicherte als Normadressaten (vgl. Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht SGB VII § 15 Rn. 7, § 209 Rn. 6). Das angefochtene Urteil enthalte jedoch keine ausreichenden Feststellungen dafür, daß der Betroffene die Fahrt am 20.09.2005 als Unternehmer oder Versicherter im Sinne des § 32 BGV D29 durchgeführt habe. Das Führen eines Lkw mit Anhänger sei auch im rein privaten Bereich möglich.

Eine entsprechende Anwendung der unter (1) und (2) angeführten Ordnungswidrigkeitentatbestände auf die vorliegende Fallkonstellation oder der §§ 209 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 SGB VII i.V.m. §§ 44 Abs. 2, 58 und 32 der Unfallverhütungsvorschriften „Fahrzeuge“ (BGV D29) auf außerhalb des Anwendungsbereichs des SGB VII liegende Fälle scheide ebenfalls aus.

Dies wäre eine unzulässige, mit Art. 103 Abs. 2 GG und § 3 OWiG nicht zu vereinbarende Ausdehnung der Bußgeldbewehrung. Zwar schließe Art. 103 Abs. 2 GG auch im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht die (angesichts der Vielfältigkeit möglicher Fallgestaltungen unumgängliche) Verwendung auslegungsfähiger oder – bedürftiger Rechtsbegriffe nicht aus; die Auslegung solcher Begriffe finde jedoch im erkennbaren und (aus Sicht des betroffenen Verkehrsteilnehmers) verstehbaren, sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergebenden Wortsinn der Norm ihre Grenzen (BVerfGE 71, 114; BGHSt 4, 114; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 1 Rn. 11). Deshalb verbiete sich eine ausdehnende Auslegung der oben unter (1) und (2) näher dargelegten Bußgeldtatbestände auf die vorliegende Fallkonstellation, da sie tatsächlich eine unzulässige Analogie zu Lasten des Betroffenen darstellen würde. Dies gelte auch für § 23 StVO, auch wenn dieser allgemein als Auffangtatbestand für anderweitig nicht normierte Pflichten eines Fahrzeugführers angesehen werde (vgl. Janiszewski/Jagow/Burmann Straßenverkehrsrecht 19. Aufl. § 23 StVO Rn. 1). Auch die „Auffangfunktion“ lasse eine den Wortsinn überschreitende Auslegung nicht zu. Dabei sei es unerheblich, aus welchen Gründen der Gesetzgeber es unterlassen habe, im Straßenverkehrsrecht (anders als im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung) Anordnungen hinsichtlich des von einem Fahrzeugführer zu tragenden Schuhwerks zu erlassen.

Die sich aus § 44 Abs. 2 BGV D29 ableitende Ordnungswidrigkeit sei bereits durch die Verweisung auf § 32 BGV D29 in ihrem personalen Anwendungsbereich ausdrücklich auf Unternehmer und Versicherte beschränkt, auf die sich (bei der konkreten Tätigkeit) der gesetzliche Unfallversicherungsschutz erstrecke. Eine entsprechende Anwendung auf außerhalb des Sozialversicherungsrechts liegende Fallkonstellationen sei unzulässig. Allein das vom Amtsgericht als naheliegend erachtete Bedürfnis, ein bestimmtes, als verkehrswidrig beurteiltes Verhalten zu unterbinden, könne eine Ahndung ohne entsprechenden gesetzlichen Tatbestand nicht stützen (BayObLG DAR 1979, 45).