Das Oberlandesgericht Saarbrücken befand in seinem Urteil vom 28.02.2012 (4 U 112/11-34), daß in einem Verkehrsunfallprozeß weder der mit der Begutachtung des entstandenen Schadens beauftragte Sachverständige noch der Reparaturbetrieb hinsichtlich der Obliegenheiten zur Schadensminderung Erfüllungsgehilfen des Geschädigten seien. Der Geschädigte müsse sich infolgedessen eine Pflichtverletzung des Reparaturbetriebs, die zu höheren Reparaturkosten führe, im Verhältnis zum Haftungsschuldner nicht zurechnen lassen. Dieser Einwendungsausschluß habe auch dann Bestand, wenn der Reparaturbetrieb durch Zession Gläubiger des Schadensersatzanspruches geworden sei.

Im dem zugrundeliegenden Rechtsstreit nahm das klagende Kfz-Handelsunternehmen aus abgetretenem Recht des geschädigten Verkehrsteilnehmers (im folgenden: Zedent) den Beklagten auf Erstattung restlicher Reparaturkosten in Anspruch.

Das Kraftfahrzeug des Unfallgeschädigten (Zedenten)war am 10.9.2008 bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden. Das alleinige Verschulden des Unfallgegners, der ein Fahrzeug steuerte, welches von der rumänischen Firma SC. Transilvania S.A., gehalten wurde, stand außer Streit.

Der Zedent beauftragte den Sachverständigen B. mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Dieser ermittelte in seinem schriftlichen Gutachten vom 15.9.2008 die erforderlichen Reparaturkosten mit 10.603,94 EUR und bezifferte den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs auf 12.800 EUR. Am 21.11.2008 erteilte der Zedent der Klägerin den Auftrag, das Fahrzeug zu reparieren.

Nachdem das Fahrzeug zerlegt worden war, fiel den Mitarbeitern der Klägerin auf, daß der Schaden größer war, als zunächst vom Gutachter veranschlagt. Die Klägerin zog den Sachverständigen B. vor der weiteren Durchführung der Reparatur mit der Bitte um Nachbesichtigung hinzu, woraufhin der Sachverständige das Fahrzeug am folgenden Tag noch einmal in Augenschein nahm. Der Sachverständige erteilte trotz des Hinweises, daß sich die Reparaturkosten nicht unerheblich erhöhen würden, Reparaturfreigabe. Sodann setzte die Klägerin – dieser Sachverhalt stand im Berufungsrechtszug außer Streit – die Reparatur fort, ohne den Zedenten zuvor über die zu erwartende Kostensteigerung informiert zu haben.

Nach Abschluß der Reparatur beliefen sich die Kosten auf 18.423,46 EUR, die der Beklagte jedoch nur in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwandes (Wiederbeschaffungswert 12.576,47 EUR abzüglich 1.500 EUR Restwert) beglich. Die Differenz war Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, nachdem der Zedent in der Abtretungserklärung vom 16.12.2009 „seine Forderung auf Reparaturkostenersatz aus dem Unfallereignis vom 10.9.2008 gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung in Höhe von 7.507,63 EUR nebst Zinsen“ an die Klägerin abgetreten hatte.

Das Gericht befand ein Auswahlverschulden des Zedenten bezogen auf die mit der Reparatur beauftragten Firma liege fern, da der Zedent mit der Klägerin einen markengebundenen, vom Hersteller autorisierten Fachbetrieb beauftragt habe.

Zwar seien an die Überwachung des Reparaturbetriebes mit Blick auf die Interessen des Schädigers an einer Geringhaltung des Herstellungsaufwandes keine zu niedrigen Anforderungen zu stellen (BGHZ 63, 186). Jedoch biete der Sachverhalt keinen hinreichenden Anhaltpunkt, um dem Zedenten eine für die Erhöhung der Reparaturkosten kausal gewordene unzureichende Überwachung der Klägerin vorzuwerfen:

Zwar habe es immerhin drei Wochen gedauert, bis sich der Zedent nach eigener Einlassung (Bl. 92 d.A.) in der Werkstatt eingefunden habe, um nach dem Fortgang der Arbeiten zu fragen. Gleichwohl sei dem Geschädigten die späte Rückfrage nicht vorzuwerfen, da er keine Anhaltspunkte dafür besessen habe, daß die verzögerte Erledigung des Auftrags auf eine Ausweitung des im Sachverständigengutachten geschätzten Reparaturumfangs zurückzuführen war.

Der Sachverhalt biete Anlaß, das Überwachungsverschulden unter einem weiteren Aspekt zu überprüfen: So sei der Zedent nach seiner eigenen Aussage noch während der laufenden Reparatur vor Ort gewesen und sei von dem Zeugen K. darüber informiert worden, daß der Reparaturaufwand größer geworden sei. Jedoch gehe alles in Ordnung; der Gutachter sei schon da gewesen.

Es könne – so das Gericht – dahinstehen, ob sich der Zedent auf diese Aussage verlassen durfte oder ob er gehalten gewesen wäre, seinerseits konkrete Nachfrage hinsichtlich der zu erwartenden Kosten zu halten, um sich gegebenenfalls durch Rücksprache bei dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt über die Erstattungsfähigkeit der erhöhten Kosten rückzuversichern. Denn der Beklagte habe sich die Aussage des als Zeuge vernommenen Zedenten nicht zu eigen gemacht. Auch stehe der Fortschritt der Reparaturbemühungen zum Zeitpunkt des Werkstattbesuchs nicht fest, weshalb nicht nachvollzogen werden könne, daß die Kostenüberschreitung vermieden worden wäre, wenn der Zeuge anläßlich seines Werkstattbesuchs einer weiteren Reparatur Einhalt geboten hätte.

Auch ein eventuelles fremdes Verschulden des Sachverständigen oder der Klägerin selbst könne dem Zedenten nicht zugerechnet werden, da weder der Sachverständige noch die Klägerin Erfüllungsgehilfen des Zedenten gewesen seien:

Eine Zurechnung könne nur nach Maßgabe des § 278 BGB erfolgen. Dies setze voraus, daß Sachverständiger oder Reparaturbetrieb als Erfüllungsgehilfen des Geschädigten bei der Erfüllung seiner Obliegenheit zur Schadensgeringhaltung als Gebot des § 249 Abs. 1 BGB oder zur Schadensminderung nach § 254 Abs. 2 BGB anzusehen gewesen seien.

Dieser Rechtsfrage habe sich der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Rechtsstellung des Reparaturbetriebes in der Entscheidung BGHZ 63, 182 gewidmet: Er habe ausgeführt, daß eine Zurechnung des fremden Verschuldens nicht erfolgen dürfe, weil das Verhalten des Reparaturbetriebs dem Einfluß des Geschädigten entzogen sei. Auch habe der Geschädigte sich der Werkstatt nicht in erster Linie in Erfüllung eigener Obliegenheiten zur Schadensminderung, sondern kraft seiner Befugnis zur Herstellung der beschädigten Sache bedient. Eine andere Beurteilung würde das Recht des Geschädigten, die Schadensbeseitigung selber vornehmen zu lassen, dem Sinne des Gesetzes zuwider verkürzen. Hierbei werde das Interesse des Schädigers dadurch gewahrt, daß der Geschädigte nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt verlangen könne (BGHZ 63, 186 f.).

Diese Rechtsausführungen würden überzeugen: Der Schuldner müsse gem. § 278 BGB nicht für alle Hilfspersonen einstehen, die in seinem Auftrag tätig werden. Erfüllungsgehilfen seien nur solche Personen, derer sich der Schuldner zur Erfüllung einer gegenüber dem Gläubiger obliegenden Verbindlichkeit bediene (BGHZ 98, 330, 334; 62, 119, 124). Bestehe die zur erfüllende Verbindlichkeit in einer Obliegenheit, müsse sich der Schuldner der Hilfsperson zur Erfüllung dieser Obliegenheit bedienen. Bei wertender Betrachtung liege diese Aufgabenstellung weder der Beauftragung des Sachverständigen noch des Reparaturbetriebes zugrunde. Reparaturbetrieb und Sachverständiger würden nicht als Hilfspersonen des Schadensersatzgläubigers tätig. Sie erfüllten vielmehr eigene Vertragspflichten, die sie originär gegenüber dem Schadensersatzgläubiger eingegangen seien. Zwar möge die Leistungshandlung dieser Personen faktischen Einfluß auf die Höhe der dem Schadensersatzgläubiger im Rechtsverhältnis zum Haftungsschuldner zustehenden Schadensersatzforderung haben. Indessen sei diese faktische Auswirkung nicht geeignet, der Auftragserteilung den funktionalen Bezug zu verleihen, vom Haftungsgläubiger mit der Erfüllung der Schadensminderungsobliegenheit beauftragt worden zu sein.

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei eine andere Beurteilung nicht deshalb geboten, weil die Klägerin, der der Beklagte ein Verschulden vorwerfe, selber Gläubigerin des Schadensersatzanspruchs geworden sei. Da die Klägerin aus abgetretenem Recht klage, bedürfe es eines tragfähigen dogmatischen Fundaments, weshalb der Beklagte seiner Inanspruchnahme aus dem Haftungsanspruch eine Einwendung entgegensetzen dürfe, die dem Zedenten gegen die Klägerin aus einem anderen Rechtsverhältnis (hier: dem Werkvertrag) zustehen mag.

Ein solcher Einwendungsdurchgriff könnte allenfalls aus § 242 BGB unter Rückgriff auf den in § 404 BGB enthaltenen Rechtsgedanken herzuleiten zu sein: Dem Recht der Abtretung liege die Wertung zugrunde, daß der Schuldner durch eine Abtretung der Forderung keine Nachteile erleiden solle. Diese Wertung könnte auch den Schluß erlauben, daß der Zessionar durch eine Abtretung, die erfüllungshalber erfolge, hinsichtlich der zu erfüllenden Schuld keine Besserstellung erlangen dürfe: Hätte der Zedent selber gegenüber seiner eigenen Inanspruchnahme aus dem Werkvertrag der Klägerin den Einwand der Schlechterfüllung entgegenhalten können, so erschiene es nicht unbedenklich, wenn die Klägerin diese Einwendung durch die erfüllungshalber erfolgte Abtretung des Schadensersatzanspruchs entkräften und so im Ergebnis ihren vollen, nicht durch ein Mitverschulden zu kürzenden Anspruch liquidieren könne.

Andererseits müsse eine nach den Rechtsgrundsätzen des § 242 BGB orientierte Wertung in Erwägung ziehen, daß der Beklagte auch unter Geltung des Einwendungsausschlusses nicht schutzlos ist. So werde dem Interesse des Beklagten dadurch Rechnung getragen, daß der ursprüngliche Haftungsgläubiger, der Zedent, nach den Rechtsgrundsätzen des Vorteilsausgleichs zur Abtretung etwaiger Schadensersatzforderungen gegenüber dem Sachverständigen und auch gegenüber der Klägerin verpflichtet sei. Eine Vertiefung dieser Überlegungen sei entbehrlich, da ein den Reparaturaufwand adäquat kausal erhöhendes Verschulden der Klägerin nicht nachgewiesen sei:

Der Beklagte leitet die Pflichtverletzung der Klägerin daraus her, daß es die Klägerin unterlassen habe, den Zedenten vor der Fortsetzung der Reparatur noch einmal explizit auf die zu erwartende Kostensteigerung hingewiesen zu haben. Es erscheine fraglich, ob dieser Sichtweise zu folgen sei: Entgegen der Auffassung der Berufung bestünden Zweifel, ob der der Klägerin erteilte Werkauftrag tatsächlich gegenständlich auf die Beseitigung der im Gutachten festgestellten Schäden beschränkt gewesen sei. Bei lebensnaher Betrachtung lasse sich die im Reparaturauftrag enthaltene Formulierung („Unfallschaden lt. Gutachten instand setzen“), an deren buchstäblichen Sinn nicht zu haften ist (§ 133 BGB), durchaus auch so verstehen, daß der Zedent den Reparaturauftrag auf die Beseitigung aller Unfallschäden erteilt habe, die durch das im Gutachten beschriebene Unfallereignis entstanden seien. Bei dieser Lesart könnte der Klägerin allenfalls eine Obliegenheitsverletzung vorgeworfen werden, ihren Auftraggeber nicht rechtzeitig über eine Kostensteigerung informiert zu haben. Jedoch erscheine fraglich, ob ein solches Unterlassen für die Entstehung der höheren Kosten adäquat kausal geworden sei. Immerhin hatte die Klägerin den Sachverständigen mit Blick auf die zu erwartenden höheren Kosten um „Freigabe“ der Reparatur gebeten, der diese auch erteilt hat. Es sei nicht ersichtlich, daß der Zedent den Reparaturauftrag gestoppt hätte, wenn die Klägerin den Zedenten auf die höheren Kosten und die Freigabe durch den Sachverständigen informiert hätte. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Zedent über eine hinreichende Sachkunde verfügt habe, die ihn in die Lage versetzt hätte, die unzureichende Auskunft des Sachverständigen kritisch zu hinterfragen. Dem stehe insbesondere die Aussage des Zedenten entgegen. Dieser sei noch während der laufenden Reparatur über die Kostensteigerung informiert worden. Auf die Frage, wie das mit der Versicherung sei, habe ihm der Zeuge K. – so der Zeuge L. weiter – gesagt, dies sei alles geregelt. Vor dem Hintergrund dieser Aussage liege es fern, daß der Zeuge L. die ihm rechtzeitig mitgeteilte Auskunft des Sachverständigen zum Anlaß genommen hätte, vor einer eigenen Freigabe noch einmal bei seinem Rechtsanwalt Nachfrage zu halten.

Soweit der Prozeßbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, die Klägerin sei ihrerseits verpflichtet gewesen, Kontakt mit dem Rechtsanwalt des Zedenten aufzunehmen, um Rückfrage über eine Erweiterung des Reparaturaufwands zu halten, vermochte sich der Senat dieser Sichtweise nicht anzuschließen, da sie die Anforderungen an die vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten überspanne. Ebenso wenig könne auf der Grundlage des in die Erkenntnis des Senats gestellten Sachverhalts unterstellt werden, daß der Klägerin die Überschreitung der 130%-Grenze vor der Ausführung der Reparatur positiv bewusst gewesen sei und sie den Zeugen zum Zwecke der Realisierung eines möglichst hohen Werklohnanspruchs gewissermaßen „ins offene Messer“ habe laufen lassen.

Nach alledem stehe der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der vollen Reparaturkosten zu, gegen deren Berechnung der Beklagte nichts erinnere.