Der Bundesgerichtshof befand in seiner Entscheidung vom 21.09.2011 (XII ZR 121/09), daß die Anzahl der zum Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit vom Anspruchsteller vorgetragenen Bewerbungen nur ein Indiz für seine dem Grundsatz der Eigenverantwortung entsprechenden Arbeitsbemühungen sei, nicht aber deren alleiniges Merkmal. Für ausreichende Erwerbsbemühungen komme es vielmehr wie für das Bestehen einer realistischen Erwerbschance vorwiegend auf die individuellen Verhältnisse und die Erwerbsbiografie des Anspruchstellers an, die vom Familiengericht aufgrund des – ggf. beweisbedürftigen – Parteivortrags und der offenkundigen Umstände umfassend zu würdigen seien (Fortführung der Senatsurteile vom 30. Juli 2008 – XII ZR 126/06 – FamRZ 2008, 2104 und vom 27. Januar 1993 – XII ZR 206/91 – FamRZ 1993, 789).

Ferner sei bei der Bedarfsermittlung aufgrund der beiderseitigen Einkommensverhältnisse es Aufgabe der Tatsacheninstanzen, unter den gegebenen Umständen des Einzelfalls eine geeignete Methode zur möglichst realitätsgerechten Ermittlung des Nettoeinkommens zu finden. Daher könne es im Einzelfall zulässig und geboten sein, die abzuziehende Einkommensteuer nicht nach dem sog. In-Prinzip, sondern nach dem Für-Prinzip zu ermitteln (Anschluß an Senatsurteil vom 2. Juni 2004 – XII ZR 217/01 – FamRZ 2004, 1177).

Für eine Befristung des nachehelichen Aufstockungsunterhalts genüge auch bei fehlenden ehebedingten Nachteilen nicht der alleinige Hinweis auf die Dauer der Ehe, der Kinderbetreuung und der bisherigen Unterhaltszahlungen, wenn andere Umstände unstreitig seien, die für eine Verlängerung des Unterhalts sprächen. Die Entscheidung des Familiengerichts müsse erkennen lassen, daß alle wesentlichen Faktoren berücksichtigt worden seien.

In dem zugrundeliegenden Verfahren stritten die Parteien um nachehelichen Unterhalt. Sie hatten 1972 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe waren zwei Kinder hervorgegangen, die 1979 und 1987 geboren worden waren. Die Ehe war seit Januar 2001 rechtskräftig geschieden.

Die 1953 geborene Klägerin arbeitete von 1968 bis 1980 als Textilfachverkäuferin. Nach der Scheidung absolvierte sie eine Umschulung zur Bürokauffrau. Sie war arbeitslos. Der Beklagte war Diplom-Ingenieur und als IT-Berater selbstständig tätig.

In einem Scheidungsfolgenvergleich hatte sich sich der Beklagte zu einem monatlichen Unterhalt von 2.166 DM verpflichtet. Im Jahr 2004 hatten die Parteien den Unterhalt wegen zwischenzeitlicher Erwerbslosigkeit des Beklagten auf monatlich 500 € herabgesetzt. Mit der Abänderungsklage begehrte die Klägerin die Erhöhung des Unterhalts, weil der Beklagte seit 2006 wiederum eine selbstständige Tätigkeit ausübte. Der Beklagte erhob Widerklage, mit der er die Befristung des Unterhalts geltend machte.

Die Parteien stritten außerdem über die Einkommensermittlung auf Seiten des Beklagten. Das Amtsgericht hatte den Unterhalt ab August 2007 auf 1.157 € und ab Januar 2008 auf 700 € festgesetzt. Das Berufungsgericht hatte den Unterhalt auf zuletzt 1.548 € weitergehend erhöht, diesen aber bis zum 31. Dezember 2009 befristet.

Dagegen richtete sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit welcher sie eine Erhöhung des Unterhalts auf monatlich 2.500 € und einen Wegfall der Befristung erstrebte.

Abweichend vom Amtsgericht hatte das Berufungsgericht – wenngleich ohne den konkreten Unterhaltstatbestand zu benennen – in der Sache keinen Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit (§ 1573 Abs. 1 BGB) angenommen, sondern war auf Seiten der Klägerin von einem erzielbaren Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit ausgegangen und hatte somit lediglich einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) bejaht.

Das Berufungsgericht hatte die von der Klägerin vorgetragenen Bemühungen um eine Arbeitsstelle als nicht ausreichend betrachtet.

Das hielt den Angrif-fen der Revision nicht stand.

Der Bundesgerichtshof machte deutlich, daß nach seiner Rechtsprechung Voraussetzung des Anspruchs aus § 1573 Abs. 1 BGB sei, daß sich der Ehegatte unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel nachhaltig bemüht haben müsse, eine angemessene Tätigkeit zu finden, wozu die bloße Meldung beim Arbeitsamt nicht genüge. Er trage im Verfahren zudem die uneingeschränkte Darlegungs- und Beweislast für seine Bemühungen und müsse in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte in welchem zeitlichen Abstand er im Einzelnen in dieser Richtung unternommen habe. Die Beweiserleichterung nach § 287 Abs. 2 ZPO komme ihm nicht zugute (Senatsurteile vom 30. Juli 2008 – XII ZR 126/06 – und vom 27. Januar 1993 – XII ZR 206/91).

Die unzureichende Arbeitssuche führe indessen noch nicht notwendig zur Versagung des Anspruchs aus § 1573 Abs. 1 BGB. Die mangelhafte Arbeitssuche müsse vielmehr für die Arbeitslosigkeit auch ursächlich sein. Eine Ursächlichkeit bestehe nicht, wenn nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes sowie den persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten des Unterhalt begehrenden Ehegatten für ihn keine reale Beschäftigungschance bestanden hätte (Senatsurteile vom 30. Juli 2008 – XII ZR 126/06 und vom 27. Januar 1993 – XII ZR 206/91).

Die Anzahl der vom Anspruchsteller vorgetragenen Bewerbungen sei nur ein Indiz für seine dem Grundsatz der Eigenverantwortung entsprechenden Arbeitsbemühungen, nicht aber deren alleiniges Merkmal. Vielmehr könne auch bei nachgewiesenen Bewerbungen in großer Zahl die Arbeitsmotivation nur eine vorgeschobene sein, während andererseits bei realistischer Einschätzung der Arbeitsmarktlage auch Bewerbungen in geringerer Zahl ausreichend sein könnten, wenn etwa nur geringe Chancen für einen Wiedereintritt in das betreffende Berufsfeld bestehen würden(vgl. OLG Hamm für eine Textil-verkäuferin). Allerdings könne allein durch einen Rückgriff auf das Lebensalter des Unterhalt Begehrenden von über 50 Jahren ebenfalls nicht generell belegt werden, daß für ihn keine realistische Erwerbschance bestehen würde. Vielmehr komme es auch insofern vorwiegend auf die individuellen Verhältnisse an, die vom Familiengericht aufgrund des – ggf. beweisbedürftigen – Parteivortrags und der offenkundigen Umstände umfassend zu würdigen seien (vgl. auch Senatsurteil vom 15. November 1995 – XII ZR 231/91 zur entsprechenden Lage beim Unterhaltspflichtigen).

Diesen Anforderungen werde das Berufungsurteil nicht gerecht. In seiner Begründung habe das Berufungsgericht allein auf die Zahl der Bewerbungen abgestellt. Weil diese unzureichend gewesen sei, müsse von einem fiktiven Einkommen der Klägerin ausgegangen werden. Abgesehen davon, daß – wie ausgeführt – die Zahl der Bewerbungen nur begrenzt aussagekräftig sei, sei das Berufungsgericht aber nicht auf die Ursächlichkeit der – unterstellt – unzureichenden Bewer-bungen für die durch Erwerbslosigkeit bedingte Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin eingegangen. Aufgrund des Vortrags der Klägerin scheine es aber zumindest naheliegend, daß die im Jahr 2007 53jährige Klägerin nach einer Erwerbsabstinenz von über 25 Jahren und bei – unstreitigen – gesundheitlichen Einschränkungen jedenfalls nicht sogleich eine Vollzeitstelle finden könne. Anders als in jenem Fall, der dem Senatsurteil vom 30. Juli 2008 (XII ZR 126/06) zugrunde lag, träfe die Klägerin auch nicht schon seit längerer Zeit eine Erwerbsobliegenheit, sondern seien die Parteien in dem abzuändernden Vergleich aus dem Jahr 2004 offenbar noch davon ausgegangen, daß der Klägerin – drei Jahre nach der Scheidung – kein eigenes Erwerbseinkommen anzurechnen sei.

Demnach hätte sich das Berufungsgericht zumindest mit dem Vortrag der Klägerin auseinandersetzen müssen, daß ihr aufgrund ihres Alters, ihrer langen Berufsabstinenz und ihrer gesundheitlichen Einschränkungen aktuell jedenfalls eine Vollzeitstelle als Bürokauffrau oder Textilverkäuferin nicht offenstehe. Aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen lasse sich ein Unterhaltsanspruch der Klägerin wegen Erwerbslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB demnach nicht verneinen.

Die Bedarfsbemessung des Berufungsgerichts nach § 1578 Abs. 1 BGB sei ebenfalls zu beanstanden.

Grundsätzlich nicht zu beanstanden sei es, daß das Berufungsgericht die vom Beklagten zu leistende Steuernachzahlung für die Zeit ab 1998 nicht berücksichtigt habe, sondern das Für-Prinzip angewendet habe und von dem zugrunde gelegten Gewinn aus dem Jahr 2007 nur die hierfür in 2008 festgesetzte Einkommensteuer abgezogen habe. Der Senat habe bereits aus anderem Anlaß betont, daß die geläufigen Methoden zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens und zum Steuerabzug bei der Einkommensermittlung für Selbstständige nicht als Dogma mißverstanden werden dürften (Senatsurteil vom 2. Juni 2004 – XII ZR 217/01). Es sei vielmehr Aufgabe der Tatsacheninstanzen, unter den gegebenen Umständen des Einzelfalls eine geeignete Methode zur möglichst realitätsgerechten Ermittlung des Nettoeinkommens als Grundlage der Unterhaltsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu finden. Da im vorliegenden Fall die Steuernachzahlung aus einem längeren Zeitraum (seit 1998) erwachsen sei, habe mangels gegenteiliger Darlegung des Beklagten als Unterhaltsschuldner, daß etwa die zusätzliche Liquidität der Klägerin als Unterhaltsberechtigter anderweitig zugute gekommen sei, von einer Berücksichtigung der Steuernachzahlung in zulässiger Weise abgesehen werden können.

Ebenso wenig sei zu beanstanden, daß das Berufungsgericht hinsichtlich der Gewinnermittlung nur auf das Jahr 2007 abgestellt habe, da es sich um das einzige abgeschlossene Geschäftsjahr handele.

Entsprechend seiner Auffassung zum Unterhaltstatbestand sei das Berufungsgericht auf Seiten der Klägerin von einem erzielbaren Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit ausgegangen. Dies könne aus den bereits ausgeführten Gründen keinen Bestand haben. Überdies lasse das Berufungsurteil aber auch eine nähere Begründung dazu vermissen, wie sich das der Klägerin unterstellte Nettoeinkommen von 1.100 € errechnen solle. Ein solches Einkommen, das allenfalls aufgrund einer qualifizierten Vollzeittätigkeit als Bürokauffrau erzielbar wäre, dürfte auch hier jedenfalls nicht ohne nähere Begründung als mindestens erzielbar unterstellt werden.

Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Befristung des Unterhalts nach § 1578 b Abs. 2, Abs. 1 BGB könne ebenfalls keinen Bestand haben, was zum Teil mit den bereits oben aufgeführten Beanstandungen zusammenhänge.

Für die Herabsetzung und Befristung des Unterhalts nach § 1578 b BGB sei nach ständiger Senatsrechtsprechung zunächst zu prüfen, ob auf Seiten des Unterhaltsberechtigten ehebedingte Nachteile eingetreten seien (vgl. Senatsurteil vom 17. Februar 2010 – XII ZR 140/08). Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, die Klägerin könne eine Vollzeitstelle als Bürokauffrau erlangen, die ihr ein monatliches Nettoeinkommen von 1.100 € ermögliche, könne – wie oben ausgeführt – keinen Bestand haben. Demnach sei aber auch nicht ausgeschlossen, daß der Klägerin ehebedingte Nachteile entstanden seien, wenn und soweit sie aufgrund ihrer Berufspause während der Ehe nunmehr schlechtere Erwerbschancen habe (zur Darlegungs- und Beweislast s. Senatsurteil BGHZ 185, 1).

Die bei der Befristung und Herabsetzung des Unterhalts anzustellende Billigkeitsabwägung beschränke sich überdies nicht auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile, sondern habe darüber hinaus die vom Gesetz geforderte nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen. Das gelte nicht nur für die Unterhaltstatbestände, die – wie der Alters- oder Krankheitsunterhalt nach §§ 1571, 1572 BGB – bereits ihre Begründung in der nachehelichen Solidarität fänden, sondern auch für den Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB (Senatsurteil vom 8. Juni 2011 – XII ZR 17/09).

In dieser Hinsicht habe das Berufungsgericht lediglich die Dauer der Ehe, die Kindererziehung (und Haushaltsführung) sowie die Dauer der Unterhaltszahlungen einbezogen. Das erscheine nicht ausreichend. Eine umfassende Würdigung habe vielmehr auch zu berücksichtigen, daß der Beklagte – wie für das Revisionsverfahren zu unterstellen sei – seine während der Ehe durchgeführte berufliche Fortbildung und sein heute erzieltes Einkommen jedenfalls auch der Unterstützung durch die Klägerin zu verdanken habe. Nicht berücksichtigt sei auch, da die Klägerin während der Arbeitslosigkeit des Beklagten nur einen reduzierten Unterhalt bezogen habe. Dieser Umstand rechtfertige es, daß sie auch an einem später verbesserten Einkommen länger teilhaben könne. Zudem habe der Beklagte seine wiederum erlangte Tätigkeit als IT-Berater erst mit erheblicher Verzögerung offenbart, was seine Unterhaltsbelastung vermindert habe. Es erscheine demnach naheliegend, daß das Berufungsgericht bei einer vollständigen Berücksichtigung der vorstehenden Aspekte selbst bei – unterstellt – fehlenden ehebedingten Nachteilen zu einer längeren als der von ihm angenommenen Unterhaltsdauer gelangt wäre.

Das Berufungsurteil sei demnach aufzuheben. Dem Senat sei eine abschließende Sachentscheidung verwehrt, weil noch weitere tatrichterliche Feststellungen zu treffen sein.

Für das weitere Verfahren wies der Senat darauf hin, daß bei der abermaligen Prüfung der Unterhaltsbegrenzung nach § 1578 b BGB zunächst eine Herabsetzung bis auf den eigenen angemessenen Bedarf nach § 1578 b Abs. 1 BGB zu prüfen ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Februar 2010 – XII ZR 140/08 – FamRZ 2010, 629, 633).

Nach der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung waren die Voraussetzungen für das Bestehen eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs wegen Erwerbslosigkeit sehr hoch gewesen. Neben der Meldung beim Arbeitsamt war der Vortrag eigener konkreter Erwerbsbemühungen erforderlich gewesen, die in Form von qualifizierten Bewerbungen nachzuweisen waren und eine Anzahl von 20 – 30 erreichen sollten.

Konnten diese Voraussetzungen nicht erfüllt werden, rechnete die Rechtsprechung i.d. R. fiktive Erwerbseinkünfte hinzu.

Der Bundesgerichtshof macht in seinem Urteil deutlich, daß die Anzahl der vorgetragenen Bewerbungen nur ein Indiz für die Arbeitsbemühungen des Unterhaltsberechtigten, nicht aber deren alleiniges Merkmal darstellten.

Darüber hinaus muß eine Ursächlichkeit der unzureichenden Bewerbungen für die Erwerbslosigkeit des Unterhaltsberechtigten bestehen.

Für ausreichende Erwerbsbemühungen und das Bestehen einer realistischen Erwerbschance, die Voraussetzung für die Zurechnung fiktiver Einkünfte sei, komme es auf die individuellen Verhältnisse und die Erwerbsbiografie des Unterhaltsberechtigten an.

Im Hinblick auf die Frage der Befristung und Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs im Rahmen des § 1578 b BGB weist der Bundesgerichtshof darauf hin, daß neben den Kriterien wie Dauer der Ehe, Kindererziehung, ehebedingte Nachteile und Dauer der Unterhaltszahlungen auch berücksichtigt werden muß, daß der Unterhaltspflichtige seine aktuelle berufliche Position der Unterstützung der Unterhaltsberechtigten während der Ehe zu verdanken hat.