Das Oberlandesgericht Saarbrücken machte in seinem Beschluß vom 19.5.2010 (6 UF 38/10) deutlich, daߠeine im Wege einstweiliger Anordnung erlassene Gewaltschutzanordnung wegen des Hauptsachevorwegnahmeverbots und des Verhältnismäßigkeitsprinzips grundsätzlich befristet werden müsse, zumal die vorläufigen Schutzmaßnahmen aus Gründen des gebotenen effektiven Opferschutzes in ihrer persönlichen, örtlichen und gegenständlichen Reichweite meist den in einer deckungsgleichen Hauptsache zu erlassenden Entscheidung zumindest sehr nahe, wenn nicht gleich komme, weshalb das Übermaßverbot zumeist nur noch im Wege der Befristung der vorläufigen Maßnahmen überhaupt Wirkkraft entfalten könne.

Bei der Bestimmung der Frist sei ferner zu berücksichtigen, ob der Täter schon wiederholt die Rechtsgüter des Opfers verletzt oder dieses über einen längeren Zeitraum unzumutbar belästigt habe. In diesen Fällen könne eine längere Dauer der Schutzmaßnahmen angeordnet werden als bei einer einmaligen Rechtsgutsverletzung, deren Schwere ebenfalls eine längere Dauer der Verbote rechtfertigen könne.

In dem zugrundeliegenden Verfahren wandte sich der Antragsgegner gegen eine auf der Grundlage des Gewaltschutzgesetzes erlassene einstweilige Anordnung.

Der Antragsgegner hatte bis Februar 2008 eine Beziehung zu seiner damaligen Freundin J. V. unterhalten. Das Amtsgericht Saarbrücken hatte auf deren Antrag gegen den Antragsgegner am 1. August 2008 eine auf das Gewaltschutzgesetz gestützte einstweilige Verfügung erlassen, weil dieser ihr nach der Trennung – auch per Telefon und SMS – nachgestellt hatte. Ein aus demselben Grund gegen den Antragsgegner geführtes Strafverfahren wegen Verstoßes gegen § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB war am 20. Februar 2009 vorläufig und am 16. Juni 2009 endgültig nach § 153 a Abs. 1 StPO eingestellt worden, nachdem der Antragsgegner eine Geldauflage in Höhe von 200,00 € erfüllt hatte.

Die Beteiligten lebten von September 2009 bis zum 16. Dezember 2009 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft in der Wohnung der Antragstellerin zusammen. Sie trennten sich erstmals am 16. Dezember 2009 und – nach einem kurzfristigen Versöhnungsversuch über den Jahreswechsel – endgültig am 6. Januar 2010.

In dem vorliegenden, durch Antrag der Antragstellerin vom 20. Januar 2010 eingeleiteten einstweiligen Anordnungsverfahren hatte die Antragstellerin am selben Tage eine – ohne mündliche Verhandlung erlassene – einstweilige Anordnung erwirkt, in der folgendes angeordnet wurde:

Dem Antragsgegner wird untersagt,

– sich der Wohnung der Antragstellerin bis auf eine Entfernung von 20 Metern zu nähern;
– folgende Orte aufzusuchen, an denen sich die Antragstellerin regelmäßig aufhält: den Arbeitsplatz in …;
– Verbindung zur Antragstellerin, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen;
– ein Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen; sollte es zu einem zufälligen Zusammentreffen kommen, hat der Antragsgegner einen Abstand von 20 Metern herzustellen.

Für den Fall der Zuwiderhandlung wird dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Auf den Antrag des Antragsgegners aufgrund mündlicher Verhandlung neu zu entscheiden – und in diesem Rahmen erklärten Einverständnisses mit einer vergleichsweisen, unbefristeten gegenseitigen Regelung des Inhalts, daß jeglicher Kontakt zwischen den Beteiligten abgebrochen werde – hatte das Familiengericht nach mündlicher Verhandlung vom 12. Februar 2010 mit der angefochtenen einstweiligen Anordnung vom 23. Februar 2010 im Wege neuer Beschlußfassung Folgendes angeordnet:

Dem Antragsgegner wird untersagt,
– die Wohnung der Antragstellerin zu betreten;
– sich ihrer Wohnung bis auf eine Entfernung von 20 Metern zu nähern;
– folgende Orte aufzusuchen, an denen sich die Antragstellerin regelmäßig aufhält: den Arbeitsplatz in …;
– Verbindung zur Antragstellerin, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen;
– ein Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen; sollte es zu einem zufälligen Zusammentreffen kommen, hat der Antragsgegner einen Abstand von 20 Metern herzustellen.

Für den Fall der Zuwiderhandlung wird dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Mit seiner gegen diesen – keine Befristung enthaltenden – Beschluß gerichteten Beschwerde, der das Familiengericht nicht abgeholfen hatte, erstrebte der Antragsgegner in erster Linie eine Befristung der Gewaltschutzanordnung, hilfsweise deren Aufhebung bzw. Befristung, soweit das Familiengericht im Hinblick auf zufällige Zusammentreffen der Beteiligten eine Fernhalteverfügung erlassen hatte.

Die Antragstellerin bat unter Verteidigung des angefochtenen Beschlusses um Zurückweisung der Beschwerde.

Das Oberlandesgericht befand, daß der Rüge des Antragsgegners, das Familiengericht habe zu Unrecht seinen Beschluss nicht befristet, der Erfolg nicht versagt bleiben könne. Sie führe unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses zu dessen Ergänzung um eine Befristung der darin zugunsten der Antragstellerin erkannten Gewaltschutzanordnungen bis zum 23. November 2010.

Das Familiengericht habe die Ablehnung einer Befristung darauf gestützt, daß der Antragsgegner bereits im Sommer 2008 in ähnlicher Art und Weise mit einer damaligen Freundin verfahren sei, wobei diese im Strafverfahren geäußert habe, sie vermute, daß der Antragsgegner unter Realitätsverlust leide. Der Antragsgegner sei bereits wegen eines Verbrechens nach § 30 BtMG verurteilt worden und habe noch 2009 deswegen unter Bewährung gestanden. Das gleiche Schema lege der Antragsgegner auch heute an den Tag, weshalb eine Befristung der Anordnung, die in der Regel ergehen solle, hier ausnahmsweise nicht in Betracht komme. Dies hielt dem Beschwerdeangriff nicht stand.

Nach § 1 Abs. 1 S. 2 GewSchG, auf den auch § 1 Abs. 2 GewSchG verweise, sollen Gewaltschutzanordnungen befristet werden; die Frist könne verlängert werden.

Die Sollvorschrift des § 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GewSchG – grundsätzlich Befristung – sei Ausfluß des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes; denn die gerichtliche Anordnung greife stets – jedenfalls – in die grundgesetzlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit des Täters ein. Stehe nur der Erlaß einer einstweiligen Anordnung in Rede, gelte das Befristungserfordernis umso mehr, weil das Familiengericht bereits nach dem gesetzlichen Wortlaut des § 214 Abs. 1 FamFG auf Antrag eines Beteiligten durch einstweilige Anordnung nur eine „vorläufige“ Regelung nach § 1 oder § 2 GewSchG treffen könne, sofern ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden bestehe. Von einer „vorläufigen“ Regelung könne aber nur dann gesprochen werden, wenn diese von ihrem Regelungsgehalt her hinter der im Hauptsacheverfahren möglichen Regelung zurückbleibe. Die vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 214 FamFG vorgenommene Beschränkung der einstweiligen Anordnung auf eine bloß vorläufige Regelung sei Ausfluß des auch in Ansehung der Neuregelung des § 51 Abs. 3 FamFG weiterhin geltenden Grundsatzes, daß der Erlaß der einstweiligen Anordnung – auch wenn diese nun nicht mehr von der Einleitung eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens abhängig sei – in der Regel nicht zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen dürfe und sich auf eine aufgrund summarischer Prüfung zu treffende, vorläufige Regelung zu beschränken habe. Die Richtigkeit dieses Verständnisses zeige sich auch darin, daß der Gesetzgeber in § 49 Abs. 1 FamFG am grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache ausdrücklich festhalten wollte und daß das FamFG Ausnahmen von diesem Verbot jeweils gesondert regele, so etwa für die einstweilige Unterhaltsanordnung in § 246 Abs. 1 FamFG.

Damit stehe die vom Gesetzgeber – sowohl bezüglich einstweiliger Anordnungen als auch hinsichtlich von Hauptsacheentscheidungen – in § 1 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 GewSchG eröffnete Möglichkeit der – erforderlichenfalls mehrmaligen – Fristverlängerung, wenn auch nach Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist weitere Verletzungen der Rechtsgüter des Verletzten zu befürchten seien, in Einklang, zumal der Gesetzgeber durch den Begriff der „Vorläufigkeit“ in § 49 Abs. 1 FamFG den Gesichtpunkt des Außerkrafttretens der einstweiligen Maßnahme besonders betonen wollte, was auch in § 56 Abs. 1 FamFG Niederschlag gefunden habe.

Die grundsätzlich erforderliche Befristung einer einstweiligen Anordnung trage aber nicht nur dem – bereits der Verhältnismäßigkeit gerichtlicher Maßnahmen geschuldeten – Hauptsachevorwegnahmeverbot Rechnung, das darauf beruhe, daß einstweilige Anordnungen leicht vollendete Tatsachen schaffen und regelmäßig auf der Grundlage eines noch nicht zuverlässig aufgeklärten Sachverhalts ergehen würden, weshalb bereits die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit mit der Eingriffsmaßnahme nicht bis zu einer besseren Aufklärung des Sachverhalts abgewartet werden könne, am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu messen sei (vgl. dazu BVerfGE 67, 43; 69, 315). Sie sei vielmehr auch und gerade in Gewaltschutzsachen von besonderer Bedeutung. Denn die im Wege einstweiliger Anordnung getroffenen Schutzmaßnahmen kämen aus Gründen des gebotenen effektiven Opferschutzes in ihrer persönlichen, örtlichen und gegenständlichen Reichweite meist den in einer deckungsgleichen Hauptsache zu erlassenden zumindest sehr nahe, wenn nicht gleich. Das verfassungsrechtliche Übermaßverbot könne daher zumeist nur (noch) im Wege der Befristung der vorläufigen Maßnahmen überhaupt Wirkkraft entfalten. Bleibe aber nur dieser Weg, um die erforderlichen Einschränkungen der Grundrechte des Täters möglichst gering zu halten, bedürfe es von Verfassungs wegen umso dringenderer Gründe, um gleichwohl von einer zeitlichen Beschränkung abzusehen.

Ob hiernach für das Absehen von einer Befristung etwa im Falle schwerster Gewaltdelikte Raum bleiben könne, zumal im Rahmen einer einstweiligen Anordnung, könne jedoch dahinstehen.

Denn ein solcher Ausnahmefall, der nach der Gegenauffassung bei besonderen Einzelfallumständen – jedenfalls im Rahmen einer Hauptsacheentscheidung – eine unbefristete Gewaltschutzanordnung zu rechtfertigen vermöge – wofür auch die Gesetzesmaterialien streiten würden, denen zufolge der Gesetzgeber zumindest die Möglichkeit eines unbefristeten Verbotes nicht ausgeschlossen sehen wollte –, habe weder im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung vorgelegen, noch sei er nach dem sich in der Beschwerdeinstanz darbietenden Sach- und Streitstand gegeben, nachdem der Antragsgegner unstreitig die Antragstellerin nie körperlich angegriffen habe.

Müsse folglich die vom Familiengericht erlassene einstweilige Anordnung befristet werden, so sei bei der Bestimmung der Frist zu berücksichtigen, ob der Täter schon wiederholt die Rechtsgüter des Opfers verletzt oder dieses über einen längeren Zeitraum unzumutbar belästigt habe. In diesen Fällen könne eine längere Dauer der Schutzmaßnahmen angeordnet werden als bei einer einmaligen Rechtsgutsverletzung, deren Schwere ebenfalls eine längere Dauer der Verbote rechtfertigen könne. Je geringer die Intensität und Dauer der Verletzungshandlungen sei, desto kürzer werde in der Regel die Frist zu bemessen sein.

Die Geltungsdauer der einstweiligen Gewaltschutzanordnung des Familiengerichts bemesse der Senat bei den gegebenen Umständen auf neun Monate seit ihrem Erlaß. Dabei habe sich der Senat davon leiten lassen, daß der Antragsgegner, der bis 2009 wegen eines begangenen Verbrechens nach dem Betäubungsmittelgesetz unter Bewährung gestanden habe, sich weder diese noch die kurze Zeit später ergangene Schutzanordnung des Amtsgerichts Saarbrücken zugunsten seiner damaligen Lebensgefährtin noch das gegen ihn in diesem Zusammenhang geführte Strafverfahren und die von ihm zwecks dessen Einstellung geleistete Geldauflage habe zur Warnung gereichen lassen. Vielmehr sei er bei Beendigung der Beziehung zur Antragstellerin wieder in seine alten Verhaltensweisen zurückgefallen und in diesem Rahmen zugleich erneut straffällig geworden. Soweit der Antragsgegner sich im Zusammenhang mit dem rechtwidrigen Zutritt zur Wohnung der Antragstellerin auf „Selbsthilfe“ berufe, sei dies für den Senat rechtlich in keiner Weise nachvollziehbar.

Andererseits habe – unbeschadet der nachgewiesenen erheblichen psychischen Beeinträchtigung der Antragstellerin – nicht außer Betracht bleiben können, daß der Antragsgegner keine körperliche Gewalt gegen die Antragstellerin angewendet habe und sich unstreitig seit Erlaß der angefochtenen Entscheidung des Familiengerichts an dessen Anordnungen gehalten habe. Soweit die Antragstellerin sich darauf berufe, der Antragsgegner habe in der Zeit zwischen den beiden familiengerichtlichen Gewaltschutzanordnungen durch telefonische Kontaktaufnahme Anfang Februar 2010 und im Rahmen des „Vorfalls mit dem Hund“ gegen die erste Schutzanordnung des Familiengerichts vom 20. Januar 2010 verstoßen, habe sie diese vom Antragsgegner bestrittene Behauptung nicht im Sinne der §§ 51 Abs. 1 S. 2, 31 FamFG glaubhaft gemacht.

Zwar teile der Senat die Beurteilung der Antragstellerin, daß der Antragsgegner sein Verhalten nach wie vor nicht in dem wünschenswerten Ausmaß als gravierend einschätze. Auch habe der Antragsgegner nach dem von ihm unbestrittenen Vortrag der Antragstellerin eine Mitarbeiterin des Wochenspiegels aufgefordert, ihm Informationen über die Antragstellerin zu geben und habe auch über „Wer kennt wen“ Bekannte der Antragstellerin angeschrieben. Die Einschätzung des Antragsgegners, daß diese Vorfälle „irrelevant“ seien, teile der Senat nicht. Vielmehr zeige sich, daß er das Ende der Beziehung zur Antragstellerin weiterhin noch nicht verarbeitet habe, was durchaus die Befürchtung der Antragstellerin als verständlich erscheinen lasse, daß er sich ihr nach Ablauf der Befristung erneut nähern könnte. Der Antragsgegnerin bleibe es jedoch unbenommen, zu gegebener Zeit – sollte der Antragsgegner wieder an seine früheren Verhaltensweisen anknüpfen – auf eine Verlängerung der hier angefochtenen einstweiligen Anordnung anzutragen oder beizeiten das Hauptsacheverfahrens anhängig zu machen.