Mit dem Urteil des Oberlandesgericht Koblenz (11 UF 371/02) kann ein vor der Ehe vereinbarter Ausschluß des Versorgungsausgleichs für den Fall der Ehescheidung nichtig sein, wenn einer der Vertragsschließenden aufgrund der Gesamtumstände den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen konnte.
In dem Verfahren hatten die Parteien am 10.9.1997, den Tag der Hochzeit, durch einen notariellen Vertrag Gütertrennung vereinbart, insoweit jedoch für den Fall der Scheidung einen nach Ehedauer gestaffelten Vermögensausgleich (höchstens 75.000,00 DM) vereinbart, den Versorgungsausgleich ausgeschlossen und auf Unterhalt verzichtet mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB für die Ehefrau. Durch das angefochtene Urteil schied das Amtsgericht die Ehe, stellte fest, ein Versorgungsausgleich fände nicht statt, und verurteilte den Antragsteller zur Zahlung monatlichen Elementarunterhalts in Höhe von 968,50 DM und Altersvorsorgeunterhalts in Höhe von 262,19 .
Die Berufung der Antragsgegnerin, die sich gegen den Ausschluß des Versorgungsausgleichs und gegen die (ihrer Meinung nach zu niedrige) Verurteilung zu Ehegattenunterhalt wandte, war, so das Oberlandesgericht zum Teil begründet.
Ehegattenunterhalt sei nach § 1570 BGB geschuldet, weil die Antragsgegnerin das gemeinsame Kind der Parteien L, geboren 1998, also demnächst 5 Jahre alt, betreue. Auch nach dem notariellen Vertrag sei dieser Unterhaltsanspruch nicht von dem vereinbarten Unterhaltsverzicht umfaßt.
Der Ausschluß des Versorgungsausgleichs in der notariellen Urkunde vom 10. September 1997 sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts unwirksam. Das Amtsgericht habe deshalb nicht ohne Durchführung weiterer Ermittlungen zu den während der Ehezeit erworbenen Anrechten der Beteiligten feststellen dürfen, der Versorgungsausgleich fände nicht statt. Die Sache sei insoweit in entsprechender Anwendung von § 538 Abs.2 Nr 4 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen, das die fehlenden Feststellungen nachzuholen habe.
Grundsätzlich könne in einem Ehevertrag der Versorgungsausgleich insgesamt ausgeschlossen werden (§ 1408 Abs.2 BGB). Der Ausschluß sei in jedem Falle unwirksam, wenn innerhalb eines Jahres nach Vertragschluß Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt werde.
Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen. Der Scheidungsantrag wurde erst am 22. August 2001 zugestellt.
Unabhängig davon könnten Eheverträge aber auch nach den zivilrechtlichen Generalklauseln nichtig (§ 138 Abs.1 BGB) oder zumindest über § 242 BGB zu korrigieren sein. Grundsätzlich gelte aber auch für Vereinbarungen unter Eheleuten der Grundsatz der Privatautonomie. Jedoch setze der Schutz der staatlichen Ordnung, der für Ehe und Familie in Art. 6 Abs.1 GG ausdrücklich verbürgt sei, eine gesetzliche Ausgestaltung der Ehe voraus (BVerfGE 31, 58, 69). Verfassungsrechtlich geschützt sei deshalb eine Ehe, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen (BVerfGE 37, 217, 249 ff). Wenn aus einer besonders einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Leistungen und erheblich ungleichen Verhandlungspositionen ersichtlich sei, daß einer der Partner den Vertragsinhalt faktisch einseitig habe bestimmen können, seien die Gerichte zur Korrektur im Sinne der Wahrung der Grundrechte beider Parteien aufgerufen. Der Vertragsfreiheit seien dort Grenzen gesetzt, wo der Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft ist, sondern auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt.
Das bedeute, in derartigen Fällen gestörter Vertragsparität sei es Aufgabe der Gerichte, über zivilrechtliche Generalklauseln zur Wahrung beeinträchtigter Grundrechtspositionen eines Ehevertragspartners den Inhalt des Vertrages einer Kontrolle zu unterziehen und gegebenenfalls zu korrigieren.
Gemessen an diesen Grundsätzen halte der Ausschluß des Versorgungsausgleichs einer Inhaltskontrolle nicht stand.
Grundsätzlich sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine besondere richterliche Inhaltskontrolle erforderlich, wenn ein Ehevertrag eine erkennbar einseitige Lastenverteilung zu Ungunsten der Frau enthalte und er vor der Ehe und im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft geschlossen worden sei.
Eine Situation von Unterlegenheit sei regelmäßig anzunehmen, wenn eine nicht verheiratete schwangere Frau sich vor die Alternative gestellt sehe, in Zukunft entweder allein für das erwartete Kind Verantwortung und Sorge zu tragen oder durch Eheschließung den Kindesvater in die Verantwortung einzubinden, wenn auch um den Preis eines mit ihm zu schließenden, sie aber stark belastenden Ehevertrages. Ihre Verhandlungsposition werde hier geschwächt sein durch die tatsächliche Lage, in der sie sich befinde, durch ihre Rechtsstellung als ledige Mutter und insbesondere durch das Bemühen um die Sicherung der eigenen Existenz und der des erwarteten Kindes.
Allerdings bedeute dies nicht, daß bei derartigen Eheverträgen generell von einem Ungleichgewicht zu Lasten der Schwangeren auszugehen sei; Schwangerschaft bei Abschluß eines Ehevertrages sei aber ein starkes Indiz für eine vertragliche Disparität.
Maßgebend seien daneben die jeweilige Vermögenslage der Partner, ihre berufliche Qualifikation und Perspektive sowie die von ihnen beabsichtigte Ehekonstellation, insbesondere die Frage, wer in welchem Umfang am Erwerbsleben teilnehmen und wer sich der Familienarbeit widmen solle.
Die Antragsgegnerin entstamme nach dem Vortrag des Antragstellers eher einfachen Verhältnissen, während es sich bei ihm um eine sog. gute Partie gehandelt haben solle.
Geplant gewesen sei, daß die Antragsgegnerin, die als Friseurin nur über ein geringes Einkommen verfügt habe, sich im Wesentlichen Haushalt und Kinderbetreuung habe widmen sollen.
Wenn der Inhalt des Ehevertrages eine solche Unterlegenheitsposition der nicht verheirateten Schwangeren zum Ausdruck bringe, werde die Schutzbedürftigkeit offenkundig. Dies sei der Fall, wenn der Vertrag die Schwangere einseitig belastet und ihre Interessen keine angemessene Berücksichtigung finden. Je mehr Rechte abbedungen seien, desto stärker sei die Vermutung für die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages. Dabei könne das Eheversprechen diese einseitige Belastung nicht aufwiegen.
Denn: In ihrer Entscheidung, ob sie eine Ehe eingehen wollen, sind die Vertragspartner frei. Entschließen sie sich dafür, bringt die Ehe beiden Rechte wie auch Pflichten und verteilt sie gleichermaßen auf Mann und Frau, deren Leistungen, die sie füreinander erbringen, gleichrangig sind
Der Vertrag benachteilige die Antragsgegnerin in unangemessener Weise. Der Versorgungsausgleich werde ausgeschlossen, was bei der für die Ehe vorgesehenen Rollenverteilung, bei der die Ehefrau keine eigene Altersversorgung erwerben könne, besonders gravierend sei. Ebenso werde Gütertrennung vereinbart und damit ein Ausschluß des Zugewinnausgleichs, der nur allerdings in gewisser Weise durch die gestaffelte Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen je nach Ehedauer, höchstens 75.000,00 DM kompensiert werde. Zudem werde mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB – jeder andere Unterhaltsanspruch ausgeschlossen, also gerade auch solche nach §§ 1572 und 1573 BGB. D.h. die Antragsgegnerin begebe sich mit diesem Vertrag eines wesentlichen Teils ihrer Rechte.
Hinzu kämen die besonders merkwürdigen Umstände des Vertragsschlusses, daß dieser nämlich am Tage der Hochzeit geschlossen worden sei, vor der standesamtlichen Trauung und den Hochzeitsfeierlichkeiten. Die Antragstellerin sei daher zusätzlich massiv unter Druck gesetzt worden, weil sie nämlich habe befürchten müssen, daß bei einer Weigerung, den Vertrag zu unterzeichnen der Antragsteller die Hochzeit platzen lassen würde mit allen damit zusammenhängenden gesellschaftlich extrem unangenehmen Folgen.
All dies zusammengenommen mache nach den dargelegten Kriterien den Ausschluß des Versorgungsausgleichs im notariellen Vertrag sittenwidrig und damit nichtig (§ 138 Abs.1 BGB).
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