In dem Verfahren vor Landgericht Dortmund

[Urteil vom 1.09.2010 (3 O 140/10)] ging es um eine Nachbarstreitigkeit wegen Überhangs und der Verpflichtung zur Beseitigung.

Der Kläger war Eigentümer des einen und der Beklagte Eigentümer des südlich angrenzenden Grundstücks. Auf dem Grundstück des Beklagten standen in der Nähe der Grundstücksgrenze 10 teilweise 15 m hohe Lärchen, deren Äste teilweise auf das Grundstück des Klägers herüber ragten. Die Lärchen waren vor dem Jahr 2002 angepflanzt worden. Nadeln der Lärchen fielen auf das Grundstück des Klägers. Das Ausmaß und die dadurch verursachten Beeinträchtigungen waren streitig.

Der Kläger behauptete, die herabfallenden Nadeln würden zu Verstopfungen in den Dachrinnen und Abflüssen des Hauses und der Garage führen, die regelmäßig von Fachunternehmen beseitigt werden müßten. Aufgrund einer Rohrverstopfung durch Lärchennadeln sei es bereits zu einem Wasserschaden gekommen. Angepflanzte Büsche und Blumen könnten nicht wachsen. Der Hof und die Zuwege würden sich nach kurzer Zeit Grünspan und Moos ansetzten, was an regnerischen Tagen zu einer erheblichen Rutschgefahr führe. Der Filter der Teichpumpe sei immer verstopft. Die Benutzung von Balkon und Terrasse sei an windigen Tagen aufgrund des Nadelfluges erheblich beeinträchtigt.

Das Gericht befand, daß der Kläger einen Anspruch auf Beseitigung der Zweige der Lärchen, soweit die Zweige der Lärchen auf sein Grundstück herüber ragen würden, gemäß §§ 1004, 910 BGB habe.

Der Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB werde nicht durch das Selbsthilferecht des Klägers nach §§ 910 BGB ausgeschlossen.

Derjenige, der es zulasse, daß Baumzweige über die Grundstücksgrenze hinüberwachsen und zu Beeinträchtigungen führen würden, sei Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB und habe danach diese Beeinträchtigungen des Nachbargrundstückes zu beseitigen (OLG Düsseldorf 9 U 10/2005). Nach § 910 BGB habe der Eigentümer eines Grundstücks dafür zu sorgen, daß überhängende Zweige von Bäumen den Nachbarn nicht beeinträchtigen würden.

Der Beklagte sei unstreitig Eigentümer Nachbargrundstückes. Auf diesem Grundstück stünden n der Nähe der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Klägers, zahlreiche Lärchen, deren Äste unstreitig mehr oder weniger auf das Grundstück des Klägers überragen würde.

Die Störereigenschaft des Beklagten entfalle nicht durch die Regelungen der Baumschutzsatzung der Stadt, denn Nadelbäume fielen nach § 3 der Satzung nicht unter die Satzung.

Bei Lärchen handele es sich um eine Pflanzengattung der Familie der Kieferngewächse mithin um Nadelbäume (www.wikipedia.de, Stichwort Lärche, www.naturlexikon.com, www.gartendatenbank.de/wiki/larix-decidua, wikipedia.org/wiki/europäischeLärche, www.stadtfuehrung-herford.de). In den von den zitierten Fundstellen heiße es u. a. wie folgt:< „Europäische Lärche“ Familie: Pinaceae (Kieferngewächse) …
Besonderheiten: Laubabwerfender Nadelbaum mit prächtiger goldgelber Herbstfärbung, … Die Europäische Lärche ist der einzige in Europa heimische laubabwerfende Nadelbaum. … Die im Herbst abfallenden Nadeln führen schon nach kurzer Zeit zu einer Verbesserung des Bodens. …
Lärchenholz stellt unter den europäischen Nadelnutzhölzern das schwerste und härteste Holz da und … Ökologie: Die Lärche ist ein winterkahler Nadelbaum … Die Borke ist goldbraun und die Nadeln sind gewöhnlich einjährig, … Die Europäische Lärche ist der einzige in Europa heimische laubabwerfende Nadelbaum.“

Es sei damit gerichtsbekannt, daß es sich bei der Lärche um einen Nadelbaum handele, der nach § 3 nicht unter die Baumschutzsatzung der Stadt E falle.

Der Beseitigungsanspruch des Klägers sei auch nicht nach § 910 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Danach entfalle der Beseitigungsanspruch, wenn die herüberhängenden Zweige die Benutzung des Grundstücks des Klägers nicht beeinträchtigen würden. Die Vorschrift gelte auch für den Anspruch aus § 1004 BGB.

Die Voraussetzungen des § 910 Abs. 2 BGB seien dann gegeben, wenn die Grundstücksbenutzung im Vergleich zum Zustand ohne Überwuchs nach objektiven Maßstäben nicht oder nur ganz unerheblich beeinträchtigt werde, und unter Umständen bei geringem Lauf nach Nadel- oder Blütenbefall.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür obliege dem Beklagten. Tatsachen habe der Beklagte nicht vorgetragen und nicht unter Beweis gestellt. Der Kläger behaupte demgegenüber erhebliche Beeinträchtigungen in großem Umfang für die die von dem Kläger zu den Akten gereichten Fotos sprechen würden.

Der Beseitigungsanspruch des Klägers sei schließlich auch nicht durch § 47 Nachbargesetz NRW ausgeschlossen. Die Rechte des Nachbarn aus §§ 910 und 1004 BGB blieben bestehen, wenn Äste, Zweige und Wurzeln über die Grenze wachsen würden. Diese Ansprüche würden durch § 47 Nachbarrechtsgesetz NRW nicht ausgeschlossen, da § 47 nur die Beeinträchtigungen durch das Unterschreiten des im Gesetz vorgeschriebenen Grenzabstandes als solches betreffe.

Festzuhalten bleibe damit, daß der Beklagte nach §§ 1004, 910 BGB verpflichtet sei, die Zweige der Lärchen, die auf seinem an der Grenze zum klägerischen Grundstück stehen zu beseitigen, soweit die Zweige dieser Lärchen auf das Grundstück des Klägers herüber ragen würden.

Der Kläger habe aber keinen Anspruch darauf, daß der Beklagte die Äste der Lärchen, die nicht auf das Grundstück herüber ragen würden zur Erhaltung der Standfestigkeit der Lärchen ganz oder teilweise zu beseitigen habe.

Der Anspruch ergebe sich nicht aus § 1004 BGB, denn es sei weder ersichtlich noch dargelegt, woraus sich eine Eigentumsbeeinträchtigung des Grundstücks des Klägers ergeben solle. Wenn die Standsicherheit der Lärchen beeinträchtigt sein sollte, dann würden die Bäume auf das Grundstück des Beklagten fallen. Dahinstehen könne, ob die Grenzabstände gemäß § 41 Nachbargesetz NRW eingehalten seien, denn der sich daraus nach § 1004 BGB ergebende Beseitigungsanspruch sei nach § 47 Nachbargesetz NRW ausgeschlossen, weil die Frist von 6 Jahren abgelaufen sei. Die Bäume seien vor dem Jahr 2002 errichtet worden.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung durch den Nadelbefall „auf ein zumutbares Maß“ durch einen Beschnitt von 50 % der nadelnden Äste. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus §§ 1004, 906 BGB.

Dahinstehen könne in diesem Zusammenhang die Eigentumsbeeinträchtigung des Grundstücks des Klägers durch Nadelbefall durch die nicht grenzüberschreitenden Äste der Bäume (die grenzüberschreitenden Äste würden dem Klageantrag zu 1. a) und der Beseitigungspflicht des Beklagten gemäß §§ 1004, 710 BGB unterfallen, denn diesen Nadelbefall müsse der Kläger nach § 906 BGB dulden (OLG Düsseldorf 9 U 10/95). Es handele sich bei dem Laub-, Blüten- oder Nadelbefall entweder um eine unwesentliche Beeinträchtigung gemäß § 906 Abs. 1 BGB und/oder um eine wesentliche aber ortsübliche Beeinträchtigung gemäß § 906 Abs. 2 BGB.

Der Hilfsantrag, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine jährliche Rente in Höhe von 1.000,00 € zu zahlen, sei nicht begründet. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB lägen nicht vor. Voraussetzung des Ausgleichsanspruches in Geld nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB sei die unzumutbare Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung. Dies bemesse sich entscheidend danach, was in einem nachbarschaftlichen Verhältnis als sozial adäquat hingenommen werden müsse. Laub- und Nadelbefall gehöre dazu (OLG Düsseldorf, 9 U 10/95).