In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (I-15 U 80/08; PM 27/2010 v. 24.08.2010) verlangte eine Lehrerin einer Realschule die Löschung ihrer gespeicherten Daten und machte geltend, daß das Benotungssystem auf der Internetseite ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletze. Sie war auf der Internetseite mit der Gesamtnote 4,2 bewertet worden.
Das Landgericht Duisburg hatte am 18.4.2008 die Klage in erster Instanz abgewiesen. Das Landgericht war der Auffassung gewesen, daß im konkreten Fall das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin hinter dem Recht auf Meinungsfreiheit zurücktrete. So werde nur die berufliche Tätigkeit der Lehrerin beurteilt. Mit Internet-Suchmaschinen könnte auch nicht nach dem Namen der Lehrerin gesucht werden. Vielmehr müsse eine Schule konkret angegeben werden, um das Bewertungsprofil eines Lehrers aufrufen zu können.
Die von der Klägerin eingelegte Berufung wurde vond em Oberlandesgericht Düsseldorf als unbegründet zurückgewiesen.
Die Bewertung aller im Portal genannter Eigenschaften seien der Sozialsphäre zuzuordnen, weil bei der Abgrenzung zur Privatsphäre einerseits auf die soziale Anschauung, zu welchem Bereich andere nur mit Zustimmung des Betroffenen Zugang haben sollen und andererseits auf die Erwartung des Einzelnen, nicht beobachtet zu werden, abzustellen sei.
Der Lehrer, der, wie auch ein Anwalt oder Arzt, eine stark personenbezogene Dienstleistung erbringe, trete in seinem Berufsleben zu seiner Umwelt eben auch mit seinen charakterlichen Wesenszügen in Kontakt, so daß er nicht erwarten könne, daß seine menschlichen Stärken und Schwächen reine Privatsache seien.
Die Bewertungen würden auch durchweg Meinungsäußerungen und keine Tatsachenbehauptungen darstellen. Die Klägerin halte dies im Ansatz deshalb für unzutreffend, weil Grundlage der Internetseite die falsche Tatsachenbehauptung sei, daß Schüler Lehrer bewerten würden, obwohl jeder Beliebige mehrere Bewertungen unter irgendeinem Namen abgeben könne.
Dem sei allerdings entgegenzuhalten, daß sich durch die Art ihres Zustandekommens an der Einordnung der Bewertungen als Werturteile nichts ändern könne und die von der Klägerin angesprochenen Manipulationen zwar bei der noch zu erfolgenden Interessenabwägung, nicht jedoch bei der Frage, ob es sich um Meinungsäußerungen oder Tatsachenbehauptungen handele, zu berücksichtigen seien. Die Klägerin greife mit ihren Anträgen auch nur die Bewertungen und Zitate, nicht jedoch die Äußerung, daß die Bewertungen von Schülern stammen würden, an, so daß diese, die zweifellos als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren sei, nicht gesondert auf ihre Zulässigkeit zu prüfen sei.
Auch wenn die von der Klägerin angegriffenen Bewertungen somit als Meinungsäußerungen, die die Sozialsphäre der Klägerin betreffen würden, einzuordnen seien, müsse sie es grundsätzlich nicht hinnehmen, in eine von ihr ungewollte und nicht herausgeforderte Öffentlichkeit gedrängt zu werden ( BGHZ 161, 266, 269 f) und sich einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt fühlen, als derjenigen, die sie im sozialen Kontakt gesucht habe. Darauf würden auch die Angriffe der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil zielen, mit denen sie geltend mache, in eine weltweite Öffentlichkeit gezerrt zu werden, obwohl die Veröffentlichung nur die Schüler der Schule, an der sie unterrichte, interessiere.
Allerdings gelte auch der Grundsatz, daß sich professionelle Leistung öffentlicher Kritik stellen müsse, wobei von der die Entscheidung des Bundesgerichtshofes kritisierenden Literatur darauf hingewiesen werde, daß sich abhängig Beschäftigte nicht darauf einrichten müßten, daß ihr Beitrag zur Leistung des Unternehmens oder der sonstigen Einheit, bei dem bzw. der sie beschäftigt seien, ebenfalls in einem Massenmedium wie einem uneingeschränkt einsehbaren Bewertungsforum im Internet erörtert werde. Deshalb gelte der Grundsatz, daß sich professionelle Leistung öffentlicher Kritik stellen müsse, nur für Unternehmer, weil sie mit ihrem Leistungsangebot auf den Markt drängen würden und sich deshalb darauf einrichten müßten, daß jedermann sich mit ihnen und ihrem Angebot auseinandersetze und sie sich ihrerseits gegen Kritik durch Pressearbeit etc. wehren könnten. Letztgenannter Aspekt betreffe auch ein weiteres Argument der Klägerin, daß sie gegen die Veröffentlichung wegen deren Anonymität wehrlos sei.
Insgesamt würden jedoch die Auswirkungen, die die angegriffenen Veröffentlichungen der persönlichen Daten der Klägerin über das von den Beklagten betriebene Internet-Forum für sie haben, nicht die Feststellung rechtfertigen, daß hier von einem anprangerndem Zerren in eine über den eigentlich betroffenen Sozialbereich hinausgehende Öffentlichkeit gesprochen werden könnte. Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre dürften nur im Fall schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sei. Dies ist hier nicht der Fall.
Zum einen sei zu berücksichtigen, daß die Wahrnehmung einer Veröffentlichung als Anprangerung von der sozialen Anschauung und dem Lebensumfeld geprägt werde. Insoweit sei darauf zu verweisen, daß Bewertungsportale im Internet mittlerweile in großer Anzahl existieren würden (vgl. insbesondere meinprof.de., aerzte.de, richterdatenbank.net/staatsanwaltdatenbank, kennstdueinen.de) und die angesprochenen Kreise dadurch (inzwischen) damit vertraut seien, daß Personen im Internet mit Meinungen, Bewertungen und Kommentierungen versehen würden.
Dadurch werde es nicht mehr per se als etwas Besonderes oder gar Anprangerndes empfunden, wenn solche Kommentare negativ oder Bewertungen schlecht ausfallen würden. Immerhin hätten die Beklagten auf ihrem Bewertungsportal spickmich. de dafür gesorgt, daß nur die vorgegebenen Eigenschaften bewertet werden könnten, kein Raum für sonstige Kommentare sei und eine Kontrollfunktion durch die Spalte „Hier stimmt was nicht“ existiere. Dadurch sei gewährleistet, daß das Portal nicht für beleidigende oder sonst rechtswidrige Äußerungen missbraucht werde.
Zum anderen sei der Verbreitungsgrad über das Internet nicht so massiv, als daß die Klägerin hier tatsächlich einer Weltöffentlichkeit präsentiert würde. Zugang zu dem von den Beklagten betriebenen Portal hätten nur registrierte Nutzer. Die Registrierung erfolge nach Eingabe des orthografisch richtigen Namens der Schule, des Schulortes , eines Benutzernamens und einer E-Mail-Adresse, an die dann ein Passwort versandt werde, das den Zugang zu dem Portal eröffne. Die Daten könnten mit der bloßen Eingabe eines Lehrernamens weder über eine Suchmaschine noch über die Internetadresse www.spickmich.de abgerufen werden. Von daher sei die Öffentlichkeit, die Zugang zu der die Daten der Klägerin enthaltenden Veröffentlichung habe, begrenzt.
Als schutzwürdiges, der Datenerhebung im Internet entgegenstehendes Interesse der Klägerin könne nicht erachtet werden, daß sie sich wegen der Anonymität der Bewertenden nicht mit den Bewertungen auseinandersetzen und sich dagegen nicht wehren könnte. Denn dies würde umgekehrt bedeuten, der Klägerin das Recht zuzubilligen, jeden Kritiker zu identifizieren und zur Auseinandersetzung auffordern zu können und würde dem gesamten Portal den Boden entziehen. Vielmehr mache ein Lehrerbewertungsforum nur Sinn, wenn die Bewertenden anonym bleiben dürften, da ihre Meinung äußernde Schüler ansonsten befürchten müssen, sich bei guten Bewertungen gegenüber den Mitschülern als „Schleimer“ zu outen und bei schlechten Bewertungen gegenüber den Lehrern, auf deren ermessensgerechte Notengebung sie angewiesen seien, in „Ungnade“ zu fallen.
Desweiteren begründe die Möglichkeit, die Bewertungen zu manipulieren, indem sich jedermann, gegebenenfalls auch mehrfach, bei dem Portal unter einer oder mehreren E-Mail-Adressen anmelden und Bewertungen abgeben könne, keine schutzwürdigen, der Datenerhebung im Internet entgegenstehenden Interessen der Klägerin. Ohne weiteres verständlich sei die Sicht der Klägerin, daß sie, wenn sie sich einer derartigen Bewertung im Internet stellen müsse, auch fair und zumindest von denjenigen, die durch Teilnahme an ihrem Unterricht die erforderlichen Kenntnisse hätten, beurteilt werden wolle.
Indes sei bei Abstimmungen und Bewertungen im Internet, wie überhaupt bei der Nutzung des Internets, ein gewisses Manipulationsrisiko nie ganz auszuschließen und den Nutzern auch bekannt. Die Beklagten hätten bereits geschilderte Vorkehrungen getroffen, um Manipulationen entgegenzuwirken, da auch sie kein Interesse daran hätten, daß sich auf dem von ihnen betriebenen Forum Nicht-Angesprochene betätigen würden, die allein dem Ruf bestimmter Lehrer Schaden zufügen möchten. Was die Beklagten darüber hinaus zumutbar tun könnten, um Manipulationen auszuschließen, sei nicht ersichtlich. Im Übrigen ergebe der Vortrag der Klägerin auch nicht, daß ihre oder andere Bewertungen so aus dem Rahmen fallen würden, daß die Annahme gerechtfertigt wäre, daß tatsächlich in großem Umfang bei der Lehrerbewertung von spickmich.de manipuliert werde.
Schließlich seien die zuvor geschilderten und gewichteten Belange der Klägerin mit der verfassungsrechtlich gewährleisteten Kommunikationsfreiheit der Beklagten und der Nutzer abzuwägen. Der Bundesgerichtshof habe in der Entscheidung vom 23.06.09 diesbezüglich ausgeführt, daß die Beklagten das Informationsinteresse von Schülern, Eltern und Lehrern der Schule befriedigen würden, indem sie den Meinungsaustausch unter den Schülern über ihre Erfahrungen mit der Klägerin vereinfachen und anregen würden. Der Klägerin eröffne die Bewertungsseite die Möglichkeit eines Feedback über ihre Akzeptanz bei den Schülern.
Die Klägerin mache demgegenüber geltend, daß ein Feedback und eine Kommunikation angesichts der Anonymität der Bewertungen nicht möglich sei und sie hierzu auch nicht gezwungen werden könne. Auch in der die Entscheidung des Bundesgerichtshof besprechenden Literatur werde die Frage aufgeworfen, warum sich Lehrer mit Schülern auseinandersetzen sollten, die ihnen möglicherweise nur „eins Auswischen“ wollten, und es werde der Unterhaltungs- und Belustigungseffekt des Portals spickmich. de in den Vordergrund gestellt.
Letzterer sei schon angesichts des Aufbaus des Portals und der Möglichkeit, verschiedenen Clubs beizutreten, nicht von der Hand zu weisen. Allerdings sei es nicht gerechtfertigt, das von den Beklagten betriebene Bewertungsportal als reines Spaßportal ohne jeglichen Informationszweck anzusehen. Immerhin ließen sich gewisse Rückschlüsse daraus ziehen, wie die Lehrer einer Schule (zumindest überwiegend tatsächlich von ihren Schülern) bewertet würden, auch, welche Lehrer zum Beispiel im Mittelpunkt des Interesses der Schüler, sie zu bewerten, stünden und welche Lehrer von Bewertungen weitgehend unbehelligt bleiben würden oder wie die Bewertung der fachlichen Qualitäten im Vergleich zu den menschlichen Qualitäten ausfalle. Für den einzelnen Schüler habe es nicht nur Unterhaltungs- sondern auch Informationsfunktion, wie andere seine Lehrer beurteilen würden im Vergleich zu seiner eigenen Meinung.
Jedenfalls stünde dem auch in Anbetracht von Unterhaltungselementen gegebenen Informationsinteresse der Beklagten und der Nutzer des Portals keine schutzwürdigen Belange der Klägerin am Ausschluss der Datenerhebung entgegen.
Wäre die verfassungsmäßig geschützte Verbreitung von Beiträgen zur Meinungsbildung in Form der Teilnahme an einem Meinungsforum im Internet nur zulässig, sofern dabei nicht persönliche Daten übermittelt würden, würden Meinungs- und Informationsfreiheit auf Äußerungen ohne datenmäßig geschützten Inhalt beschränkt, wenn wie hier- keine Einwilligung des Betroffenen vorliege. Deshalb müßte die Zulässigkeit der Übermittlung der Daten an die abfragenden Nutzer aufgrund einer Gesamtabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Informationsinteresse desjenigen, dem die Daten über das Internet übermittelt würden, beurteilt werden.
Konkrete Beeinträchtigungen habe die dortige Klägerin nicht vorgetragen.
Trotz eines objektiv nicht hoch einzustufenden Wertes des Informationsinteresses der Schüler ergebe die Abwägung jedoch kein Überwiegen des Persönlichkeitsrechts der klagenden Lehrerin.
Indes sei bei der Interessenabwägung auch zu berücksichtigen, daß das Grundrecht der Schüler auf freie Meinungsäußerung dort an seine Grenze stoße, wo die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Verfassungsinstitution Schule und die Erfüllung des staatlichen Bildungsauftrags im Sinne von Art. 7 Abs. 1 GG in Frage stehe. Die Störung des Bildungsbetriebes habe das Tribunal de Grande Instance Paris (Beschluß vom 03.03.08, No 08/51650, bestätigt durch Beschluss des Cour d´appel de Paris vom 25.06.08, No 08/04727), das im einstweiligen Rechtsschutz über einen vergleichbaren, das Bewertungsportal Note2be betreffenden, Fall zu entscheiden hatte, für maßgeblich erachtet, um die Meinungs- und Informationsfreiheit hinter die betroffenen Persönlichkeitsrechte zurücktreten zu lassen.
Es stehe außer Frage, daß denjenigen, denen die staatlich zu gewährleistende Bildung und Ausbildung anvertraut sei, persönlicher Respekt gebühre, damit sie ihre für das Gemeinwesen so wichtige Aufgabe erfolgreich erfüllen könnten. Allerdings könne nicht festgestellt werden, daß die Lehrer generell und insbesondere die klagende Lehrerin in ihrer Autorität gegenüber den Schülern durch eine negative Bewertung auf dem Portal www.spickmich.de derart herabgesetzt würden, daß eine erhebliche Störung des sogenannten Schulfriedens gegeben wäre (vgl. auch Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 10.03.10, 7 B 09.1906 Rn 36) Eine solche Störung sei nicht allein aus der Sicht der betroffenen Lehrer zu beurteilen . Vielmehr sei zu berücksichtigen, daß die Autorität der Lehrkräfte in den vergangenen Jahrzehnten einen Wandel erfahren habe und einem geänderten Verständnis unterliege. Es werde in der heutigen Zeit keineswegs als sozial unverträglich oder störend empfunden , wenn Lehrer auch in Bezug auf ihre Persönlichkeit- kritisiert würden. Die früher als selbstverständlich geltende Rollenverteilung, daß Lehrer Schüler zu beurteilen hätten und nicht umgekehrt, werde heute so nicht mehr akzeptiert (auch wenn die Bewertung von Lehrern durch Schüler ohne rechtliche Wirkung bleibe). So habe zum Beispiel ein als „Lehrerhasserbuch“ betiteltes Werk, das im Jahre 2005 unter dem Pseudonym Lotte Kühn veröffentlicht worden sei, breite Zustimmung erfahren und vorne auf den Bestsellerlisten rangiert. Jedenfalls verstehe es sich nicht von selbst, daß die Klägerin durch die hier angegriffenen Bewertungen einen erheblichen Autoritätsverlust erleiden und in der Erfüllung ihrer Dienstpflichten gestört würde; dies hätte insoweit näherer Darlegungen bedurft.
Schließlich sei auch das auf ein Verbot der Zitatfunktion gerichtete Begehren der Klägerin nicht gerechtfertigt. Ob diesbezüglich eine Begehungsgefahr, die Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch wäre, bestehe, könne dahingestellt bleiben. Eine vorbeugende Unterlassungsklage sei jedenfalls deshalb nicht möglich, weil die Klägerin, von der bisher keine Zitate veröffentlicht worden seien, für die Zukunft jegliche Zitate untersagt haben wolle. Da jedoch wie oben ausgeführt- eine Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit der Benutzer des Internet- Forums stattzufinden habe, sei anhand des konkreten Einzelfalles zu beurteilen, welchem Grundrecht der Vorrang gebühre, und es könne nicht für alle nur denkbaren Fälle vorweg gesagt werden, daß eine Zitierung unzulässig wäre.
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