Das Oberlandesgericht Koblenz befand in seinem Urteil vom 20.12.2002 (11UF825/01), daß auch eine viereinhalbjährige Ehe bei Vorliegen besonderer Umstände von kurzer Dauer i.S.d. § 1579 Nr. 1 BGB sein könne, so daß Unterhaltsansprüche teilweise verwirkt sein können.
Nach dieser Vorschrift könne der Unterhaltsanspruch versagt, herabgesetzt oder begrenzt werden, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil die Ehe von kurzer Dauer war.
Entgegen dem Wortlaut des § 1579 Nr1, 2 Halbsatz BGB seien dabei die Zeiten der Kindererziehung nicht in die Ehezeit einzubeziehen, weil ansonsten die Vorschrift, soweit Kinder vorhanden seien, weitgehend leer liefe; die Belange gemeinschaftlicher Kinder seien (erst) im Rahmen der umfassenden Billigkeitsabwägung zu berücksichtigen.
Zutreffend sei der Ausgangspunkt des Amtsgerichts, für die Ehedauer komme es allein auf einerseits das Datum der Eheschließung (6.März 1987), andererseits die Zustellung des Scheidungsantrags an (1. Juli 1991).
Zunächst seien die Voraussetzungen des Härtetatbestandes des § 1579 Nr.1 BGB zu prüfen gewesen, bevor unter Beachtung der Kriterien des § 1579 S1 HS 1 BGB zu entscheiden sei, inwieweit eine Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig sei.
Der Bundesgerichtshof habe als maßgebliches Kriterium grundsätzlich auf das Maß der Verflechtung der beiderseitigen Lebensdispositionen abgestellt und den Grad der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Unterhaltsbedürftigen von dem anderen Ehegatten und dabei festgehalten, von einer entsprechenden ehelichen und unterhaltsrechtlichen Situation könne erst nach einer gewissen Ehedauer ausgegangen werden, für die sich im Grunde keine festen, abstrakten Maßstäbe anlegen ließen. Im Interesse einer praktischen Handhabung seien in der Vergangenheit die zeitlichen Bereiche derart konkretisiert worden, daß in der Regel eine nicht mehr als zwei Jahre dauernde Ehe kurz, eine solche von mehr als drei Jahren hingegen nicht mehr als kurz zu bezeichnen sei. Es sei jedoch immer betont worden, dies gelte nur für den Regelfall; Ausnahmen seien möglich, sofern die besonderen Umstände des Einzelfalls eine andere Beurteilung der kurzen Ehedauer geboten erschienen ließen. Selbst bei einer Ehedauer von knapp 5 Jahren seien Erwägungen im Hinblick auf eine kurze Ehedauer nicht von vornherein ausgeschlossen.
Hier habe die Ehe ausgehend von den o.g. Stichdaten 4 ¼ Jahre gedauert, könne also nicht mehr von vornherein als kurz bezeichnet werden. Gleichwohl rechtfertigten es die besonderen Umstände des Falles hier noch von einer kurzen Ehedauer auszugehen.
Wesentlicher Gesichtspunkt sei, daß es – mit Ausnahme der Kinder kaum zu einer Verflechtung der beiderseitigen Lebensdispositionen im Sinne eines gemeinsamen Lebensplanes gekommen sei, daß die Eheleute sich nicht bereits in wechselseitiger Abhängigkeit auf ein gemeinsames Lebensziel eingestellt hätten, denn das sei bei einer Ehedauer über zwei Jahren wesentliches Beurteilungskriterium.
Bereits am 13.12. 1987 sei die Beklagte mit dem Kind aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und habe am 26.1.1988 anwaltlich Unterhaltsansprüche während des Getrenntlebens geltend gemacht. In der Folge hätten die Parteien nicht mehr zusammen gelebt.
Besonders deutlich werde diese Situation der Fremdheit zudem aus der Stellungnahme des Jugendamtes vom 18.12.1991, nach der die Beklagte gegenüber dem Jugendamt erklärt habe, sie wünsche die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich; die Kinder hätten ihren Vater seit über einem Jahr nicht mehr gesehen. Die Beklagte habe zudem dem Kläger gegenüber eine nicht eben ehefreundliche Gesinnung an den Tag gelegt, wie ihre jedenfalls zum Teil unstreitigen Tagebuchnotizen zeigen würden.
Deutlich werde das ungewöhnliche Bild einer von vornherein völlig zerfahrenen Ehesituation, aus der keinerlei gemeinsame Lebensplanung erkennbar werde, nicht einmal zu Beginn ein Wille zum gemeinsamen Leben, sondern lediglich das Motiv gegenseitiger Abgrenzung, wenn nicht Abneigung. Soweit hier eine gegenseitige Verflechtung eingetreten sei, beruhe diese alleine auf dem Unterhaltsverhältnis zu den Kindern und daraus abgeleitet – der Beklagten, die in der Folgezeit bis dato nicht einmal ansatzweise versucht habe, auf eigenen Füßen zu stehen.
Dies habe zur Folge, daß zu prüfen sei, ob die Erfüllung des Unterhaltsanspruchs sich für den Kläger als grob unbillig darstelle.
Dabei sind alle für die Parteien bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen und insbesondere die Belange der minderjährigen Kinder zu wahren. Die Beklagte habe grundsätzlich einen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB, weil sie die gemeinschaftlichen Kinder der Parteien betreue. In Bezug hierauf stelle sich die Bewertung der groben Unbilligkeit, was den Verwirkungsgrund der kurzen Ehedauer angehe, naturgemäß anders dar als etwa beim Verwirkungsgrund des § 1579 Nr. 2 (Verbrechen oder Vergehen gegen den Verpflichteten). Die Betreuung der eigenen Kinder liege auch im Interesse des Verpflichteten, und auch, wenn die Ehe kurz gewesen sei, seien sie Ergebnis derselben.
Von daher sei die Verpflichtung zur Zahlung von Betreuungsunterhalt vom Grundsatz her auch bei kurzer Ehedauer nicht grundsätzlich unbillig. Ein völliger Wegfall des Unterhalts werde deshalb, sofern Kinder zu betreuen seien, generell, aber besonders in Fällen des § 1579 Nr. 1 BGB, nur in extremen Ausnahmefällen möglich sein. Zu denken sei eher an eine Befristung oder/und höhenmäßige Begrenzung.
Der Senat gehe in ständiger Rechtsprechung bisher davon aus, den ein Kind im Grundschulalter betreuenden Elternteil treffe grundsätzlich bei durchaus möglichen Ausnahmen – keine Erwerbsobliegenheit. In Analogie hierzu halte der Senat zur Wahrung der Kindesbelange etwa bis zum Ende der Grundschulzeit von N, konkret bis Ende 1999, die Zubilligung des eheangemessenen Unterhalts trotz des grundsätzlichen Vorliegens des Verwirkungsgrundes für angemessen. Für die Zeit vom 1.1.2000 bis zur Vollendung von N’s 14. Lebensjahr und bis zur Beendigung des dann laufenden Schuljahres habe der Beklagten der angemessene Unterhalt nach der vom Senat in ständiger Rechtsprechung angewandten Düsseldorfer Tabelle zu bleiben und danach bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres der notwendige Unterhalt nach der Tabelle. Im Anschluß hieran habe sie ihren Unterhalt selbst sicher zu stellen.
Ab Februar 2005 entfalle sodann der Unterhaltsanspruch, denn der Beklagten sei ein fiktives Einkommen von 2.000,00 zuzurechnen, mit dem ihr notwendiger Unterhalt, auch bei den absehbaren Änderungen der Düsseldorfer Tabelle abgedeckt sein werde.
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