Das Oberlandesgericht Hamm wies in einem Nachbarrechtsstreit das Verfahren an das Landgericht Dortmund durch Urteil vom 06.06.2011 (I-5 U 32/11) zurück, da es einerseits der Auffassung war, daß bei einer Zahlungsklage ein Schlichtungsverfahren zunächst nicht durchgeführt werden müsse, und andererseits die Auffassung vertrat, daß die Streitigkeit nicht zu den Streitigkeiten gemäß § 10 Abs. 1 GüSchlG NRW gehöre.

In der Sache stritten die Parteien um Ansprühe bezogen auf eine gemeinsame Grenzmauer. Die Klägerin begehrte die Zahlung der Hälfte der Kosten für die Neuerrichtung der Stützmauer, deren Beschädigung der Beklagte verursacht haben sollte von insgesamt 13.280,00 €.

Das Landgericht hatte die Klage als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des GüSchlG NW nicht gewahrt seien. Es handele sich vorliegend um eine Rechtsstreitigkeit nachbarrechtlicher Art, da die Parteien über Ansprüche betreffend eine gemeinsame Grenzmauer streiten würden. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. e) GüSchlG NW sei besondere Zulässigkeitsvoraussetzung die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens. Vorliegend greife auch nicht die Ausnahmeregelung von § 10 Ziffer 2 lit. e) letzter Halbsatz ein. Danach sei die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens entbehrlich, wenn es sich um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handele. Von dieser Regelung umfaßt werden sollten ersichtlich ausschließlich solche Einwirkungen, die von den Besonderheiten der gewerblichen Tätigkeit, insbesondere Emissionsbeeinträchtigungen und vergleichbaren Einwirkungen ausgingen. Nicht ausgeschlossen werde das Schlichtungsverfahren für Fälle, in denen nicht eine spezifische gewerbliche Einwirkung Grundlage des Streits der Parteien bilde, sondern allein die jedem Nachbarschaftsverhältnis innewohnende Situation, in der die Parteien um die nachbarrechtliche Grenzbebauung und Verantwortlichkeit für Grenzeinrichtungen im weiteren Sinne streiten würden.

Das Oberlandesgericht sah die Angelegenheit anders.

Gemäß § 10 Abs. 1 des Gütestellen- und Schlichtungsgesetz NRW (GüSchlG NRW), das im Zeitpunkt der Erhebung der Klage im vorliegenden Verfahren noch in Kraft gewesen sei, sei die Erhebung einer Klage erst nach Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zulässig, soweit es sich um eine der in den Nrn. 1 bis 3 genannten Streitigkeiten handelt.

Die Klägerin mache gegen den Beklagten einen Zahlungsanspruch geltend. Nach Auffassung des Senats sei bei einem solchen Anspruch die Durchführung des Schlichtungsverfahrens keine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage. Gemäß § 15a Abs. 1 Nr. 1 EGZPO könne durch Landesgesetz bestimmt werden, daß die Erhebung der Klage in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 1.500,00 DM nicht übersteige, erst zulässig sei, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle versucht worden sei, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen (vgl. Gesetz v. 15.12.1999, BGBl. I S. 2400). Von dieser Ermächtigung habe der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen mit § 10 Abs. 1 Nr. 1 GüSchlG zunächst Gebrauch gemacht und bestimmt, daß das Schlichtungsverfahren stattzufinden habe in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 1.200,00 DM nicht übersteige (vgl. Gesetz zur Ausführung von § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (Ausführungsgesetz zu § 15a EGZPO – AG § 15a EGZPO) v. 09.05.2000, GV. NRW, S. 476).

In der Folgezeit sei diese landesrechtliche Bestimmung evaluiert worden, mit dem Ergebnis, daß sich im Bereich der vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis 600,00 € die obligatorische Streitschlichtung nicht bewährt habe, da durch das unbeschränkt zulässig Mahnverfahren die außergerichtliche Streitschlichtung weitgehend umgangen worden sei. Im Gesetzentwurf der Landesregierung vom 10.09.2007, der die später erfolgte Streichung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 GüSchlG vorsehe, heiße es daher in der Begründung weiter, daß durch die Streichung des § 10 Abs. 1 Nr. die vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus dem Anwendungsbereich des Ausführungsgesetzes herausgenommen werden sollen (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 10.09.2007, LT-Drucksache 14/4975, S. 9). Insoweit sei davon auszugehen, daß auch im Nachbarrecht bei der Geltendmachung von Zahlungsansprüchen keine obligatorische Streitschlichtung mehr stattzufinden habe (vgl. Urteil des BGH v. 10.07.2009, Az.: V ZR 69/08 zur Streichung der entsprechenden Vorschrift im Hessischen Schlichtungsgesetz).

Der Senat war des weiteren der Auffassung, daß die vorliegende Streitigkeit sich unter keine der in § 10 Abs. 1 GüSchlG NRW genannten Streitigkeiten fassen lasse.

Streitigkeiten über Ansprüche wegen Überwuchses (§ 910 BGB), Hinüberfalls (§ 911 BGB) und eines Grenzbaumes (§ 923 BGB) gebe es zwischen den Parteien nicht (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) bis d) GüSchlG NRW).

Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 lit. e) GüSchlG NRW gelte das obligatorische Schlichtungsverfahren zwar auch bei Streitigkeiten über Ansprüche wegen der im Nachbarrechtsgesetz für Nordrhein-Westfalen geregelten Nachbarrechte, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handele. Derartige Ansprüche seien aber nicht ersichtlich.

Soweit die Klägerin sich erstinstanzlich auf § 30 NachbarG NRW berufen habe, komme ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 30 Abs. 1, 50 NachbG NRW nicht in Betracht. Denn es sei z.B. zulässig, daß ein Grundstückseigentümer Erdreich an einem Gebäude entlang anfülle, das an der Grenze zu seinem Grundstück stehe; ein Fall des § 30 Abs. 1 NachbG NRW liege nicht vor.

Gleiches sei auch für die hier streitgegenständliche Stützmauer anzunehmen. Denn in einem solchen Fall bestehe nicht die in § 30 Abs. 1 Satz 1 NachbG NRW bezeichnete Gefahr der Schädigung des Nachbargrundstücks insbesondere durch Abstürzen oder Abschwemmen des Bodens.

Auch gehe zweitinstanzlich offenbar keine der Parteien davon aus, daß es sich um eine Nachbarwand gemäß § 7 NachbG handele. Eine Nachbarwand sei die auf der Grenze zweier Grundstücke errichtete Wand, die den auf diesen Grundstücken errichteten oder zu errichtenden baulichen Anlagen als Abschlusswand oder zur Unterstützung oder Versteifung diene bzw. dienen solle. Da die Stützmauer vorliegend nicht von der Grundstücksgrenze durchschnitten werde, sondern in Bezug auf die Grenze zum Grundstück des Beklagten vollständig auf dem Grundstück der Klägerin stehe, kämen Ansprüche wegen Pflichtverletzungen in Bezug auf eine Nachbarwand nicht in Betracht.

Die Stützmauer stelle auch keine Grenzwand i.S.v. § 19 NachbG NRW dar. Eine Grenzwand sei eine unmittelbar an der Grenze zum Nachbargrundstück auf dem Grundstück des Erbauers errichtete Wand. Vorliegend bestehe aber ausweislich des Zahlenrisses ein erheblicher Abstand zwischen der Stützmauer und der Grenze zum Grundstück des Beklagten.

Des Weiteren könnte noch in Betracht gezogen werden, daß es sich um eine Streitigkeit über Ansprüche wegen der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen handele (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 lit.a) GüSchlG NRW). § 906 BGB erfasse nach seinem Wortlaut auch Erschütterungen, die von einem anderen Grundstück ausgehen würden. Es könne jedoch dahin gestellt bleiben, ob die in dem Privatgutachten genannte Verkehrsbelastung unter § 906 BGB gefaßt werden könne, denn es würde sich in jedem Fall um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handeln. Der Begründung des Entwurfs zum Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung (vgl. BT-Drucksache 14/980 v. 04.05.1999) lasse sich entnehmen, daß sich ein Güteverfahren nicht bei Immissionen eigne, wenn diese von einem gewerblichen Betrieb ausgehen würden. In diesen Fällen fehle es an den persönlich geprägten nachbarlichen Beziehungen zwischen den Parteien, die wesentlicher Grund für ein obligatorisches Schlichtungsverfahren seien.

Vorliegend wäre eine eventuelle Erschütterung nach dem Vortrag der Klägerin aber gerade auf eine Verkehrsbelastung zurückzuführen, die mit dem auf dem Grundstück des Beklagten geführten gewerblichen Betrieb zusammenhängen solle.

Nach Alledem sei die Klage zulässig und die Sache, da durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden worden sei, auf Antrag der Klägerin unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO an das Landgericht zurück zu verweisen.