In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm hatte sich der Senat mit einer Entscheidung des Familiengerichts zu befassen, bei der es um den Antrag auf Aussetzung des Versorgungsausgleiches ging und der Rentenversicherungsträger dem entgegen trat. Insofern ist es zum Verständnis auszuführen, daß die geschiedene Ehefrau selbst noch keine Altersrente bezog und der geschiedene Ehemann (Antragsteller) eine vorgezogene Knappschaftsrente erhielt

[Beschluß vom 20.07.2011 (II-12 UF 90/11)].

Die Ehe des Antragstellers war durch Scheidungsverbundurteil vom 5. Oktober 2009 geschieden worden. Im Scheidungsverbund wurde der Versorgungsausgleich noch auf der Grundlage des alten Rechts durchgeführt. Dabei hatte das Amtsgericht vom Versicherungskonto des Antragstellers bei der DRV Knappschaft Bahn See (DRV) Rentenanwartschaften in Höhe von 691,74 € monatlich, bezogen auf den 31.05.2009, auf das Versicherungskonto der Antragstellerin übertragen und die Umrechnung des Monatsbetrags der Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte angeordnet.

Seit dem 1.1.2011 bezog der Antragsteller als Bergmann eine Rente der DRV für Bergleute wegen langjähriger Untertagesbeschäftigung und Vollendung des 50. Lebensjahres; hinzu trat ein Anpassungsgeld vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sowie ein betrieblicher Zuschuss der RAG. Mit Antrag vom 27. Dezember 2010 beantragte der Antragsteller, die Rentenkürzung auszusetzen, da er seiner geschiedenen Ehefrau unterhaltspflichtig sei.

Mit dieser hatte er am 5. Oktober 2009 einen Vergleich zum nachehelichen Unterhalt geschlossen. Dieser verhielt sich aber nur über Unterhaltszahlungen bis Ende 2010. Ab dem 1. Januar 2011 sollte der Vergleich keine Gültigkeit und keine Präjudizwirkung für ab diesem Zeitraum geschuldeten Unterhalt mehr haben.

Das Amtsgericht hatte die Kürzung der laufenden Versorgung des Antragstellers bei der DRV “bis maximal 273,17 €“ und bei dem BAFA “bis maximal 646,56 €“ ausgesetzt. Mit ihrer Beschwerde rügte die DRV, daß das Familiengericht bei seiner Entscheidung die konkrete Höhe der Aussetzung nicht festgesetzt, die Höhe des ohne die Kürzung bestehenden Unterhaltsanspruchs der weiteren Beteiligten gegen den Antragsteller nicht berechnet und keinen Beginnzeitpunkt für die Aussetzung festgesetzt habe.

Im Beschwerdeverfahren holte das Oberlandesgericht ergänzende Auskünfte der DRV, des BAFA und der RAG ein. Ferner holte das Gericht Auskünfte der weiteren Beteiligten zur Ermittlung ihres ohne die Kürzung bestehenden Unterhaltsanspruchs ein.

Das Oberlandesgericht gab der Beschwerde teilweise statt.

Der Senat führte aus, daß über eine Aussetzung der Kürzung der von der DRV Knappschaft-Bahn-See dem Antragsteller gewährten Rente zu entscheiden sei. Eine Anwendung des § 33 VersAusglG auf das vom BAFA gewährte Anpassungsgeld, wie vom Amtsgericht vorgenommen scheide aus, so dasß insoweit eine Entscheidung nicht erfolge.

Die §§ 32 ff. VersAusglG seien nur auf Anrechte anzuwenden, die in der Entscheidung zum Wertausgleich bei der Scheidung neuen Rechts oder im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich alten Rechts geteilt worden seien. Das ergebe sich für die Anpassung wegen Unterhalt eindeutig aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 VersAusglG. Ausgesetzt werden könne danach nur die Kürzung einer laufenden Versorgung durch den Versorgungsausgleich, die auf der Gegenseite zum Anrechtserwerb der ausgleichsberechtigten Person geführt habe, wenn die ausgleichsberechtigte Person aus dem erworbenen Anrecht noch keine Leistungen beziehe. Das von dem BAFA gewährte Anpassungsgeld sei nicht Gegenstand der Entscheidung zum Versorgungsausgleich und sei nicht geteilt worden, so daß es auch nicht Gegenstand der Anpassungsentscheidung nach den §§ 33 f. VersAusglG sein kann.

Im Versorgungsausgleich sei ausschließlich das Anrecht des Antragstellers bei der DRV geteilt worden. Nur die bei diesem Anrecht bewirkte Kürzung könne also ausgesetzt werden.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie herausgegebenen Richtlinien zur Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen des Steinkohlebergbaus vom 12. Dezember 2008. Soweit in diesen Richtlinien unter Ziff. 4.1.1., lit. b) vorgesehen sei, daß bei geschiedenen Antragstellern die Regelungen des Versorgungsausgleichs bei der Berechnung des Anpassungsgeldes anzuwenden seien, führe dies schon deshalb nicht zu einer Anwendung des VersAusglG auf das Anpassungsgeld, weil die Richtlinien keine Gesetzeskraft hätten. Die Höhe des Anpassungsgeldes richte sich im vorliegenden Fall nach der Höhe der erworbenen Rentenanwartschaften, wobei der Zugangsfaktor 1 maßgeblich sei (Ziff. 4.1.1 der Richtlinien). Die Bezugnahme auf die Regelungen des Versorgungsausgleichs, die sich in der Fassung der Richtlinien vom 12. Dezember 2008 noch auf das alte Recht bezogen habe, sei jetzt dahin zu verstehen, daß in den Fällen, in denen die Kürzung der gesetzlichen Rentenanrechte nach den §§ 33, 34 VersAusglG vom Familiengericht ganz oder teilweise ausgesetzt werde, auch für die Berechnung des Anpassungsgeldes nunmehr diejenigen gesetzlichen Rentenanrechte maßgeblich seien, die sich nach Aussetzung der Kürzung ergeben würden. Insoweit bedürfe es keiner Entscheidung durch das Familiengericht; eine solche sei auch, wie dargelegt, gesetzlich nicht vorgesehen.

Gegen eine Entscheidungszuständigkeit des Familiengerichts über das Anpassungsgeld (in Analogie zu den §§ 33 f. VersAusglG) spreche zudem, daß nach Ziff. 1.2 der Richtlinien ein Anspruch auf Gewährung des Anpassungsgeldes nicht bestehe, sondern das BAFA auf Grund seines pflichtgemäßen Ermessens über die Gewährung entscheide.

Auf die Frage, ob das Anpassungsgeld zu den in § 32 VersAusglG enumerativ aufgezählten Primärversorgungsanrechten oder überhaupt zu den vom VersAusglG betroffenen Anrechten zähle (hiergegen OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 25.05.2010 – 10 UF 100/11 mit beachtlichen Argumenten) und ob die Beschränkung des Anwendungsbereichs der §§ 33 ff. VersAusglG auf die in § 32 VersAusglG genannten Anrechte verfassungsgemäß sei, komme es danach nicht an.

Der Antragsteller sei bereits Rentner, die weitere Beteiligte beziehe dagegen noch keine Leistungen aus dem ihr übertragenen Anrecht (vgl. § 33 Abs. 1 VersAusglG).

Die im Versorgungsausgleich vorgenommene Kürzung um Rentenanwartschaften in Höhe von 691,74 € monatlich, bezogen auf den 31.05.2009, überschreite die Wesentlichkeitsgrenze des § 33 Abs. 2 VersAusglG. Es könne dahinstehen, ob diese Kürzung oder deren derzeitige Auswirkung maßgeblich sei, welche die DRV mit monatlich brutto 273,17 € berechne, weil auch der Betrag von 273,17 € die Wesentlichkeitsgrenze überschreite.

Da ein Versorgungsausgleich nach altem Recht zugrunde liege, stelle die Kürzung zugleich das Ergebnis der Saldierung beiderseitiger Anrechte i.S.d. § 33 Abs. 3 VersAusglG dar; auch die weitere Beteiligte hätte ausschließlich gesetzliche Rentenanrechte in der Ehezeit erworben.

Nach § 33 Abs. 3 VersAusglG könne der Versorgungsausgleich nur bis zur Höhe eines ohne die Kürzung bestehenden Unterhaltsanspruchs der weiteren Beteiligten ausgesetzt werden. Insoweit gehe das Gericht davon aus, daß er die Höhe dieses Unterhaltsanspruchs, der sich grundsätzlich nach den ehelichen Lebensverhältnissen richte (§ 1578 Abs. 1 BGB), von Amts wegen (§ 26 FamFG) zu ermitteln habe. Zwar hätten der Antragsteller und die weitere Beteiligte am 5. Oktober 2009 einen Vergleich zum nachehelichen Unterhalt geschlossen. Die Unterhaltsvereinbarung reiche aber nur bis zum 31.12.2010; die Beteiligten hätten auch eine Bindung an die Vergleichsgrundlagen für die Zeit ab dem 1. Januar 2011 ausgeschlossen.

Ohne die Auswirkungen des Versorgungsausgleichs würde der Antragsteller nach den erteilten Auskünften Anpassungsgeld in Höhe von netto 975,68 €, gesetzliche Rente in Höhe von netto 789,67 € und einen Zuschuss von der RAG in Höhe von netto 838,28 € beziehen. Insgesamt beliefe sich damit sein Einkommen auf netto 2.603,63 € monatlich. Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27.06.2011 auf eine mögliche Besteuerung der Rente des Antragstellers verweisen würde, widerspreche das den ausdrücklichen Auskünften der genannten Versorgungsträger zur Frage nach den Nettoeinkünften.

Der Antragsteller habe seine Rentenanrechte zudem jedenfalls ganz überwiegend zu Zeiten erworben, in denen Beiträge zur Altersversorgung noch nicht nachgelagert besteuert worden seien. Die Frage nach einer – entgegen den erteilten Auskünften – etwaigen nachgelagerten Besteuerung der aus seinen ab 2005 geleisteten Rentenversicherungsbeiträgen resultierenden Leistungen könne daher vernachlässigt werden.