In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Köln unterlagen die seinerzeitigen Kläger in einem Nachbarrechtsstreit – gerichtet auf Rückschnitt und Beseitigung von Bepflanzung – durch Urteil vom 12.07.2011 (4 U 18/10) im wesentlichen.

Die Berufung der Kläger – so das Gericht – sei nur insoweit begründet, als sie einen Rückschnitt überhängender Strauchbewachsung bis zu ihrer Grundstücksgrenze verlangten. Dagegen könnten die Kläger bezüglich der 2 Blaufichten keinen Beseitigungsanspruch und bezüglich der übrigen streitgegenständlichen Gehölze keinen Rückschnittanspruch über die Grundstücksgrenze hinaus geltend machen.

Beseitigungsansprüche aus dem NachbG NW nach § 41 NachbG NW scheiterten daran, daß die Fristen des § 47 NachbG NW verstrichen seien.

Auch die Rückschnittansprüche könnten sie nicht aus § 41 NachbGNW herleiten. Dies gelte unabhängig von der Frage der „Verfristung“. Denn in § 41 NachbG NW sei nur ein Beseitigungsanspruch bei Nichteinhaltung der Pflanzabstände geregelt.

Deliktische Ansprüche der Kläger gegen die Beklagten aus §§ 823 ff. BGB scheiterten an einem Verschulden der Beklagten.

Die Kläger könnten ihre Ansprüche auch nicht aus dem Nachbarrecht gemäß §§ 906 Abs. 2 S. 2, 1004 Abs. 1 BGB herleiten. In entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestünde zwar grundsätzlich nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, wenn den Klägern vor dem schädigenden Ereignis dem Grunde nach ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zugestanden habe. Hiervon könne aber im Ergebnis nicht ausgegangen werden.

Die Rechte und Pflichten von Nachbarn würden sich insbesondere nach den Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und den Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder richten. Hierauf sei allerdings der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben anzuwenden. Daraus folge für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammengefasst würden.

Eine solche Pflicht könne allerdings wegen der bestehenden nachbarrechtlichen Sonderregeln nur ausnahmsweise und nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheine. Ein solcher Fall liege hier nicht vor.

Grundsätzlich könnten die Kläger wegen der Versäumung der im Nachbarrechtsgesetz NW geregelten Fristen (im Folgenden: NachbG NW-Fristen) keine Beseitigung mehr verlangen. Der Ausnahmefall, daß eine akute Störung anders als durch das Fällen der Bäume nicht zu beseitigen sei, liege nicht vor. Denn das Begehren würde vorliegend zu einer Aushöhlung der Fristen des NachbG NW und zu deren nicht gerechtfertigter Umgehung führen.

Die Folgen der unterbliebenen Beanstandungen rechtfertigten vorliegend keine Abweichung von den hier anwendbaren nachbarrechtlichen Sonderregelungen der §§ 906, 910 Abs. 1 Satz 2 BGB. Denn die Kläger seien durch das nicht grenzüberschreitende Wachstum der Bäume nicht in erheblicher Weise solchen Beeinträchtigungen ausgesetzt, die das Zumutbare übersteige.

Der geltend gemachte Beseitigungsanspruch ergebe sich auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis in Verbindung mit Treu und Glauben. Daß hier – höchst ausnahmsweise – ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend dahin geboten sei, daß in jedem Fall die Kläger wegen der Höhe und des Umfangs der Bäume ungewöhnlich schweren und keinesfalls mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen ausgesetzt wären, sei nicht ersichtlich. Es erscheine schon fraglich, ob überhaupt eine erhebliche – und nicht bloß eine unwesentliche – Beeinträchtigung klägerischen Eigentums hinsichtlich der Bäume, deren Beseitigung begehrt werde, gegeben sei. Denn die Beweisaufnahme habe gerade keine Standunsicherheit der Bäume ergeben. Zudem wären für die übrigen Beeinträchtigungen der Rückschnitt der Bäume, soweit hierdurch nicht deren Standunsicherheit bedingt werde, und die Bereitschaft zur Reinigung der Dachrinne ausreichend.

Der Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB setze aber eine Störung voraus, die nicht einer Duldungspflicht der Kläger nach § 1004 Abs. 2 BGB unterliege.

Die Beklagten seien Störer i.S.v. § 1004 Abs. 1 BGB, weil sie es zugelassen hätten, daß Zweige der Fichten über die Grundstücksgrenze hinüberwachsen konnten und zu den benannten Beeinträchtigungen geführt hätten. Die Äste der beiden Fichten würden in das Grundstück der Kläger hineinragen. Das Eigentum der Kläger sei damit beeinträchtigt. Die Störereigenschaft der Beklagten bestehe deshalb, weil die beiden Fichten auf dem ihnen gehörenden Grundstück stehen und die Beseitigung oder Kürzung der Äste von ihrem Willen abhänge. Denn nach § 910 Abs. 1 und 2 BGB habe der Eigentümer dafür zu sorgen, daß überhängende Zweige von Bäumen den Nachbarn nicht beeinträchtigten.

Dabei stehe dem Beseitigungsanspruch nicht entgegen, daß der beeinträchtigte Nachbar nach § 910 BGB zur Selbsthilfe greifen könnte. Ferner bleibe es ihm unbenommen, die zu grenznahe Anpflanzung hinzunehmen und sich erst gegen einen Überhang zu wehren. Insoweit würden die landesrechtlichen Ausschlußfristen für den Anspruch auf Beseitigung von Überwuchs nicht gelten.

Die Störereigenschaft der Beklagten folge daraus, daß von ihnen die in Rede stehenden Fichten – zu grenznah – gepflanzt und dadurch die Bedingungen für einen Überwuchs geschaffen worden seien.

Dem Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB könnte nicht die Ortsüblichkeit der in Rede stehenden Störungen entgegengehalten werden. Denn die Ortsüblichkeit sei insoweit ohne Bedeutung – dieser Gedanke, den das Gesetz in § 906 BGB aufgenommen habe, finde sich in § 910 BGB gerade nicht, abgesehen davon, daß der Annahme einer Ortsüblichkeit schon der Umstand des zu grenznahen Standortes der beiden Fichten entgegenstünde.

Die Kläger hätten den in Rede stehenden Überwuchs jedoch aus anderen Gründen nach § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden. Von daher scheitere der Beseitigungsanspruch, den die Kläger nach wie vor geltend machen. Die jeweilige Eigentümerstellung werde durch die Zusammenschau aller sie regelnden gesetzlichen Vorschriften bestimmt, die zugleich ihren Inhalt und ihre Schranken ausmachten. Nur in dem hiernach gegebenen Rahmen könne der Eigentümer sich zur Wehr setzen. Maßstab für die Beurteilung der Störung sei hier folglich § 910 Abs. 2 BGB, der auch für den Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB gelte.

Danach könne der betroffene Eigentümer die Beseitigung nachbarlicher Störungen wie z.B. hinübergewachsene Äste und Zweige nur verlangen, wenn sie die Benutzung seines Grundstücks, ausgehend von der objektiven Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung und nicht vom subjektiven Befinden des Eigentümers, – nicht nur unwesentlich – beeinträchtigen würden.

Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten könne solches nicht angenommen werden. Abzustellen sei auf die aktuelle Nutzung der betreffenden Grundstücksfläche. Hier könne nicht festgestellt werden, daß gerade und allein durch den grenzüberschreitenden Teil der beiden Fichten eine ins Gewicht fallende, zusätzliche Beeinträchtigung der Stellplatznutzung verursacht werde. Im Übrigen würden die beiden Bäume im Hinblick auf den Ablauf der Ausschlußfrist des § 47 NachbG NW im Verhältnis der Parteien untereinander Bestandsschutz genießen, so daß im übrigen die hierdurch verursachten (Immissions-) Beeinträchtigungen hinzunehmen seien. Der Sachverständige habe festgestellt, daß eine konkrete Beeinträchtigung der Standsicherheit der beiden Fichten nicht festzustellen sei.

Damit stelle sich die Situation nicht anders dar, als in der Zeit, zu der die Kläger den Zustand geduldet hätten. Verlangt werden könnte damit allenfalls die Beseitigung des Überhangs. Dem stehe aber entgegen, daß die Kläger solches nicht wollten. Auch wenn die Beschneidung der Bäume sich als „Minus“ zum Fällen der Bäume darstelle, sei der Senat schon wegen des eindeutig geäußerten gegenteiligen Willens der Kläger daran gehindert, ihnen dieses „Minus“ als vom Klageantrag mit umfaßt zuzusprechen.

Gegen eine Beschneidung der Bäume spreche aber auch, daß – wie die Kläger selbst vortragen würden -, hierdurch die Standsicherheit der Bäume weiter beeinträchtigt würde.

Hinzu komme vorliegend noch, daß der nicht grenzüberschreitende Teil der Fichten ohnehin Beeinträchtigungen auf dem klägerischen Grundstück in der beanstandeten Art bewirke, ohne daß dies – wie ausgeführt – von Rechts wegen zu verhindern wäre, und nichts dafür ersichtlich sei, daß diese Auswirkungen durch den Überhang quantifizierbar verschärft würden. Daher würden die Kläger auch allein die Beseitigung der Fichten insgesamt begehren und seien nicht an einer Entfernung des Überhangs interessiert. Folgerichtig sei auch nicht anzunehmen, daß eine Entfernung des Überhangs – in Ansehung des verbleibenden Baumbewuchses – eine spürbare Besserung der (Immissions-) Situation bewirken würde. Die Beschneidung der Bäume als „Minus“ des streitgegenständlichen Beseitigungsbegehrens sei damit im Ergebnis weder durch eine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung gerechtfertigt noch überhaupt ein geeignetes Mittel zur Beseitigung etwaiger Störungen.

Zudem fehle es an einer relevanten Beeinträchtigung, weil die Störungen im Vergleich zu den Wirkungen des Rückschnitts des Überwuchses außer Verhältnis stünden und die Beseitigung des Überhangs deshalb unzumutbar sei.

Denn die verlangte Maßnahme berge die begründete Gefahr in sich, daß sie zu einem Absterben der Bäume oder zu einer erhöhten Risikolage führe. In diesem Fall liefe das Rückschnittbegehren letztlich auf eine verbotene Beseitigung des Baumes hinaus.

Eine Beseitigung des Überhangs für die beiden Bäume würde nicht ohne Konsequenzen bleiben. Vielmehr wäre zu befürchten, daß die Bäume dadurch langfristig ihr natürliches Gleichgewicht verlören und bis zum sich erst nach Jahren einstellenden Ausgleich ebenso die Gefahr des Umsturzes bestünde, wie – wegen der Probleme mit der Windlast – die Gefahr des Verdrehens und Brechens der Stämme bei bestimmten Windverhältnissen. Zudem könnte es auch infolge des unterbundenen Nährstoffaustausches zwischen Krone und Wurzeln zu einer Wurzelschädigung und -fäulnis mit Auswirkungen für den Stamm und letztlich auch auf das Schicksal der beiden Fichten kommen. Dies alles stehe zu der Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks – soweit sie auf dem Überhang beruhe – ersichtlich außer Verhältnis, so daß das Beseitigungsbegehren auch aus diesem Grunde unbegründet sei.

Auch das Kappen der Wurzeln könne nicht verlangt werden, da das Landgericht auch hier zu Recht die Beeinträchtigung im Verhältnis zu den Gefahren als so gering angesehen habe, daß deren Beseitigung nicht verlangt werden könne. Durch das Wurzelwerk seien gerade keine konkreten Schäden am Nachbargrundstück aufgetreten. Der Entzug von Wasser und Nährstoffen sei bei der konkreten Grundstücksnutzung hinnehmbar.

Bezüglich des Beseitigungsanspruchs betreffend die übrigen Gehölze könne auf das oben Gesagte verwiesen werden. Zutreffend habe das Landgericht gemäß Ziffer 2 des Urteilstenors die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, den Überhang der Zweige über die Dachrinne des Wohnhauses der Kläger der auf der Grundstücksgrenze stehenden Eberesche (Sorbus aucuparia) bis zur Grundstücksgrenze zurückzuschneiden. Gleiches gelte für die übrigen grenznahen streitigen Gehölze auf dem Grundstück der Beklagten. Eine Beseitigung von Astwerk darüber hinaus auf dem Grundstück der Beklagten selbst bestehe nicht. Die Einhaltung von Abstandsflächen beim Rückschnitt könne nach § 41 NachbG NW nicht mehr verlangt werden. Daher würden die Angriffe der Berufung der Kläger gegen diesen Teil des Urteils auch für die übrigen Gehölze fehl gehen.

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