In dem Verfahren vor dem Amtsgericht Geldern sprach das Gericht im Falle einer Flugverschiebung durch Urteil vom 03.08.2011 (4 C 242/09) lediglich einen Entschädigungsbetrag in Höhe von 41,35 € statt geforderter 4.665,10 € zu.

Der Kläger hatte für sich, seine Ehefrau und seine drei Kinder einen Flug bei der Beklagten gebucht. Das Flugzeug sollte planmäßig am 11.10.2008 um 14.55 Uhr abheben. Die Beklagte annullierte den Flug jedoch, was dem Kläger zwei Stunden vor dem geplanten Start mitgeteilt wurde. Weil der Pilot des Zubringerfluges, der die einzusetzende Maschine gegen 14.20 Uhr in Alicante landen sollte, eine Landung für zu riskant hielt, hatte dieser abgedreht, nachdem er zehn Minuten über dem Flughafen gekreist hatte. Nach seiner Einschätzung war eine Landung wegen einer Gewitterfront und böigen Winden mit Geschwindigkeiten von bis zu 60 km/h zu gefährlich. Weil das Unwetter noch andauerte, wurde auch ein für 15.20 Uhr angesetzter Positionierungsflug annulliert. Ein Bustransfer der Fluggäste wurde nach der Annullierung des Positionierungsfluges nicht durchgeführt, weil es insgesamt etwa 5 Stunden gedauert hätte, einen solchen zu organisieren und durchzuführen. Das Flugzeug hätte dann von seiner Besatzung nicht zurückgeflogen werden können, weil diese dann ihre zulässige Höchstdienstzeit überschritten gehabt hätte.

Die Beklagte hatte den wartenden Fluggästen keine Mahlzeiten und Erfrischungen angeboten. Der Kläger hatte die Beförderung mit den von der Beklagten angebotenen Ersatzflügen am 14.10.2008 oder 18.10.2008 abgelehnt. Er fuhr stattdessen mit seiner Familie noch am 11.10.2008 mit einem Mietwagen nach Deutschland zurück, den er anschließend selbst am 15.10.2008 zurückbrachte, weil die Mietwagenfirma diesen nur in Spanien wieder entgegennahm. Die zunächst beim Landgericht Kleve erhobene Klage verwies jenes mit Beschluß vom 30.06.2009 an das Amtsgericht Geldern.

Der Kläger behauptet sodann in dem Verfahren, die Annullierung habe nicht auf einem außergewöhnlichen Umstand beruht, weil die Einschätzung des Piloten „unverständlich“ gewesen sei. Zahlreiche andere Maschinen seien gegen 14.49 Uhr und „zu ähnlichen Zeitpunkten“ gestartet und gelandet. Überdies könne dies ohnehin allenfalls eine Annullierung des Zubringerfluges rechtfertigen, nicht aber des streitgegenständlichen Fluges. Der Flug sei nur wegen eines Organisationsverschuldens der Beklagten annulliert worden, die Überschreitung der Dienstzeiten der Besatzung sei kein außergewöhnlicher Umstand. Die angebotenen Ersatzflüge seien für ihn und seine Familie unannehmbar gewesen, da seine Kinder schulpflichtig seien und die Schule am Montag, den 13.10.2008 bereits wieder begonnen habe. Anders als anderen Passagieren habe die Beklagte ihm keinen Flug für den 12.10.2008 angeboten. Auch sei ihm ein Honorar von 2.500,- € entgangen, da er, von Beruf selbständiger Privatdetektiv, eine für den 12.10.2008 angesetzte 71-Stunden-Observierung nicht habe durchführen können. Das Honorar stelle auch in voller Höhe seinen Gewinn dar, weil es sich bei der vereinbarten Entlohnung um eine Aufwandserstattung handele, die auch etwaige Fahrtkosten beinhalte. Überdies habe er 155,10 € für Verpflegung aufwenden müssen.

Das Amtsgericht befand, daß die Annullierung des Fluges gerechtfertigt gewesen sei, da sie darauf beruht, dasß am Flughafen kein Flugzeug der Beklagten vorhanden gewesen sei, weil der Pilot des Zubringerfluges aus Gründen der Flugsicherheit nicht bereit gewesen sei, die Maschine zu landen, sondern abdrehte. Könne ein Flug nicht durchgeführt werden, weil das für den Transport vorgesehene Flugzeug den Flughafen wegen ungünstiger Witterung nicht anfliegen könne, begründe dies einen „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO.

Wegen des Wetters habe die Maschine der Beklagten den Flughafen aus Sicherheitsgründen nicht anfliegen können. Dies stehe bindend fest, weil der Pilot eine Landung wegen des Wetters als zu gefährlich eingeschätzt habe und diese Einschätzung nicht grob fehlerhaft gewesen sei. Daß der Pilot dieser Auffassung gewesen sei, sei zwischen den Parteien unstreitig und ergebe sich auch aus der Vernehmung des Piloten. Die Einschätzung des Piloten sei grundsätzlich bindend, weil dieser in seiner Eigenschaft als Luftfahrzeugführer gemäß § 3 Abs. 1 LuftVO allein die Entscheidungsgewalt über die Führung des Flugzeuges innehabe und für dessen Sicherheit verantwortlich sei. Dabei obliege ihm ein weiter Ermessensspielraum, der gerichtlich nur eingeschränkt auf grobe Fehler überprüfbar sei (vgl. LG Kleve, Urt. v. 07.04.2011 – 6 S 116/10). Im streitgegenständlichen Fall gelte § 3 Abs. 1 LuftVO zwar nicht direkt, sondern die entsprechende Regelung der spanischen Luftverkehrsordnung, weil es sich um ein Landemanöver im spanischen Luftraum gehandelt habe und das Luftverkehrsrecht aufgrund des Territorialitätsprinzips grundsätzlich nur innerhalb der eigenen Staatsgrenzen gelte. Jene spanische Regelung entspreche jedoch sachlich § 3 Abs. 1 LuftVO.

Der Pilot habe sein Ermessen nicht grob fehlerhaft ausgeübt; seine Entscheidung sei vielmehr richtig gewesen, wie der Sachverständige in seinem Gutachten überzeugend ausführt habe. Ein Landeanflug von Osten sei wegen der Windgeschwindigkeiten von 20 bis 32 Knoten (= 37 km/h – 60 km/h) nicht möglich gewesen, weil dann die zugelassene maximale Rückenwindkomponente für die eingesetzte Maschine vom Typ Boeing 737 überschritten worden wäre. Ein Landeanflug von Westen sei hingegen wegen der Gewitterfront zu gefährlich gewesen. Wegen der starken Bewölkung des Luftraums in der Höhe von 1.800 bis 7.000 Fuß (= 550 m – 2.150 m) sei allenfalls eine Landung im Instrumentenanflug, nicht aber im Sichtflug möglich gewesen. Die Sichtweite habe nur 4.500 Meter betragen, so daß keine Sichtreferenz zur Landebahn habe hergestellt werden können. Ein Instrumentenanflug sei aber wegen des Gebirges in der Nähe des Flughafens unmöglich gewesen. Für einen sicheren Landeanflug wäre erforderlich gewesen, daß das Flugzeug eine Position in 3.300 Fuß Höhe hätte einnehmen können. Wegen des erforderlichen Sicherheitsabstandes sei jedoch nur eine Flughöhe von 3.900 bis 4.000 Fuß durch das dazu berechtigte Flugsicherheitspersonal des Flughafens freigegeben worden. Angesichts dessen, daß die verbliebene Treibstoffmenge nur noch ein kurzes Kreisen über dem Flughafen ermöglicht hätte, sei die auch die Entscheidung des Piloten richtig gewesen abzudrehen. Es könne zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden, daß Maschinen anderer Fluggesellschaften um 14.49 Uhr und „zu ähnlichen Zeitpunkten“ auf dem Flughafen A… gelandet seien, so daß es keiner Vernehmung der durch den Kläger dafür benannten Zeugen bedurfte. Daraus lasse sich jedenfalls nicht ableiten, daß die Einschätzung des Piloten grob fehlerhaft gewesen wäre. Wie der Sachverständige in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt habe, könne es sich bei Gewitterfronten usw. um zeitlich und örtlich beschränkte Wetterphänomene handeln, so daß eine sichere Landung eines anderen Flugzeuges zu einem etwas späteren Zeitpunkt durchaus möglich gewesen sein könnte.

Die Beklagte hätte die Annullierung auch nicht vermeiden können. Auf das Wetter hatte sie naturgemäß keinen Einfluß. An die Entscheidung des Piloten sei auch die Beklagte gebunden gewesen, auch wenn es sich bei diesem um einen ihrer Angestellten gehandelt habe, weil dessen Befugnisse aus § 3 Abs. 1 Luft-VO bzw. der entsprechenden ausländischen Regelung hoheitsrechtlicher Natur sein. Daran habe auch die FluggastrechteVO nichts geändert. Deren Zweck sei in der Hauptsache der Schutz der Interessen der Flugreisenden an einem reibungslosen Luftverkehr; nicht hingegen, den Piloten (faktisch) zu riskanten Landemanövern zu verleiten, um seinen Arbeitgeber vor Ausgleichsansprüchen zu bewahren. Dies liefe den berechtigten Sicherheitsinteressen der Flugreisenden gerade entgegen.

Ob eine Annullierung nur dann gerechtfertigt sei, wenn die Fluggesellschaft alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um die Annullierung trotz der außergewöhnlichen unvermeidbaren Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO zu vermeiden, könne hier offenbleiben. Die Beklagte habe die Annullierung durch zumutbare Maßnahmen nicht abwenden können. Sie habe im Rahmen des ihr zustehenden „vernünftigen Ermessens“ gehandelt, als sie versucht habe die Annullierung durch den geplanten Positionierungsflug abzuwenden, für den sie auch ein Zeitfenster (sog. „Slot“) für 15.20 Uhr hätte reservieren lassen. Es sei nicht ersichtlich, daß dieser Versuch von vornherein aussichtslos gewesen wäre, da Wetterphänomene wie Gewitter usw. durchaus kurzfristig enden könnten. Nachdem auch der Positionierungsflug annulliert worden sei, seien keine zumutbaren Maßnahmen mehr verblieben, durch die die Beklagte die Annullierung hätte vermeiden können. Ihr sei nicht zuzumuten, für jeden geplanten Flug an jedem Flughafen jederzeit ein Ersatzflugzeug bereitzuhalten. Angesichts der hohen Kosten für ein Passagierflugzeug sei dies eine allenfalls theoretische Möglichkeit, die in der Wirklichkeit am finanziellen Aufwand scheitern müsse. Zumutbar seien aber nur Maßnahmen, die „für das betroffene Luftfahrtunternehmen insbesondere in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar“ seien (EuGH RRa 2011, 125, 127). Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Passagiere in Bussen zu transportieren. Dadurch hätte sich die Annullierung nicht vermeiden lassen, weil die Beklagte auch dann den „geplanten Flug“ im Sinne von Art. 2 lit. l) FluggastrechteVO nicht durchgeführt hätte. Der Flug hätte einen anderen Ausgangspunkt als der geplante gehabt. Er hätte damit allenfalls noch als Flug unter „vergleichbaren Reisebedingungen“ angesehen werden können, wie sie in Art. 8 Abs. 1 lit. b) und c) FluggastrechteVO erwähnt würden. Es hätte sich damit allenfalls um eine Ersatzbeförderung im Sinne von Art. 8 FluggastrechteVO gehandelt, nicht aber als (verspätete) Durchführung des ursprünglich geplanten Fluges.

Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 2.500,- € aus §§ 631, 280, 281, 283, 252 BGB. Die Beklagte habe die Annullierung des Fluges nicht zu vertreten. Die Annullierung sei wegen außergewöhnlicher Umstände erfolgt, die die Beklagte nicht habe vermeiden können. Sei eine Annullierung sogar nach dem strengen Maßstab des Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO gerechtfertigt, habe die Fluggesellschaft die Annullierung erst recht nicht nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu vertreten. Überdies habe der Kläger die Höhe des ihm entgangenen Gewinns trotz entsprechenden gerichtlichen Hinweises nicht hinreichend dargetan.

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung von 2.500,- € aus §§ 631, 280 Abs. 1, 252 BGB i.V.m. Art. 8 Abs. 1 lit. b) FluggastrechteVO da er nicht habe nachzuweisen vermocht, daß die Beklagte ihm nicht die frühestmögliche Ersatzbeförderung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. b) FluggastrechteVO angeboten hätte.

Der Kläger habe auch nicht nachzuweisen vermocht, daß die Beklagte ihre Verpflichtung dadurch verletzt hätte, daß sie ihm und seiner Familie keinen Ersatzflug für den 12.10.2008 angeboten habe. Die Verpflichtung des Art. 8 Abs. 1 lit. b) FluggastrechteVO treffe eine Fluggesellschaft nämlich nur in den Grenzen ihrer eigenen Kapazitäten.

Der Kläger habe gegen die Beklagte aber Anspruch auf Zahlung von 41,35 € gemäß §§ 631, 280 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. b), 9 Abs. 1 lit. a) FluggastrechteVO.

Die Beklagte habe ihre Nebenpflichten aus dem Luftbeförderungsvertrag dadurch verletzt, daß sie keine Erfrischungen und Mahlzeiten angeboten habe, obgleich sie den Flug annulliert hatte. Die Ansprüche auf Betreuungsleistungen seien als Nebenpflichten des Luftbeförderungsvertrages im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB anzusehen.

Ersatzfähig sind aber nur die Kosten für die Nahrungsmittel, die der Kläger und seine Familie ausweislich der vorgelegten Quittungen am 11.10.2008 gegen 13.48 Uhr und 15.32 Uhr auf dem Flughafengelände zu sich genommen haben.