In dem Revisionsverfahren vor dem Oberlandesgericht Köln ging es darum, daß eine Vermittlerin von Fahrschülern einen Fahrprüfer des TÜV gebeten hatte, ihr im Vorhinein, d. h. länger als drei Tage vor der Prüfung, mitzuteilen, wer prüfen würde. Der angeklagte Fahrprüfer hatte dies zunächst abgelehnt. Nach drei bis vier weiteren Versuchen wurde der Fahrprüfer schließlich schwach und händigte der Vermittlerin einige Tage vor dem 15.03.2006 die Prüferliste für die Zeit vom 20.03. bis zum 30.03.2006 aus. Beide Angeklagte waren sich darüber bewußt, daß die auf der Liste enthaltenen Informationen geheim waren und die angeklagte Vermittlerin die Informationen eigentlich nicht besitzen durfte..

Zum Hintergrund der Prüfliste ist auszuführe, daß die Diensteinteilung der jeweiligen Fahrlehrer nach Ort, Zeit und zu prüfender Fahrschule intern beim TÜV ca. drei Wochen vor dem Prüfungstermin an einem Montag erfolgt, wobei die genannten Daten jeweils für einen Zeitraum von zwei Wochen festgelegt werden. Nachdem die Einteilung der Fahrprüfer bis November 2005 zunächst per Hand erfolgt war, wurde die Einteilung seit dieser Zeit durch Computer unter Verwendung eines Zufallsgenerators durchgeführt. Durch dieses System sollte verhindert werden, daß bestimmte Prüfer immer einer bestimmten Fahrschule für die Prüfung zugeordnet würden. Hierdurch sollte der Korruption und Manipulationsmöglichkeiten vorgebeugt werden. Der Computer war so programmiert, daß er ein Warnsignal abgab, wenn eine bestimmte Zuteilungskonstellation zwischen Prüfer und Fahrschule zu häufig auftrat.

Die Listen wurden von den Mitarbeitern der Führerscheinstelle des TÜV Bonn streng vertraulich und als Geheimnis behandelt. Durch die Geheimhaltung der Listen sollte verhindert werden, daß bestimmte Fahrschulen früher als andere Fahrschulen den Namen des Prüfers erfahren würden und so einem bestimmten Prüfling einen bestimmten Prüfer bewußt zuordnet würden.

Die angeklagte Vermittlerin wollte diese für sie wichtige Liste haben, damit die Anmeldung der Prüflinge bei „passenden“ Prüfern möglich war. Ob sie diese Informationen für eigene Prüfungen verwenden oder die Informationen an andere Fahrschulen weitergeben wollte, konnte gerichtlich nicht geklärt werden. Zudem konnte nicht geklärt werden, ob die Information tatsächlich dem Tatplan entsprechend dazu verwendet wurden, bestimmte Prüflinge bei bestimmten Prüfern zu platzieren.

Das Amtsgericht hatte gegen den angeklagten Prüfer wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50,00 € und gegen die angeklagte Vermittlerin wegen Anstiftung hierzu eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 50,00 Euro verhängt.

Das Landgericht hatte die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten beide verworfen.

Das Oberlandesgericht sprach beide Angeklagte im Revisionsverfahren – und entsprechend des Antrages der Generalstaatsanwaltschaft – frei.

Hierzu hatte die Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt:

Zwar handele es sich bei der Liste des TÜV über die Diensteinteilung der Fahrlehrer betreffend den Zeitraum 20.03.2006 bis 31.03.2006 nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts um ein „Geheimnis“ im Sinne dieser Vorschrift, weil die Kenntnis dieser Liste nicht über einen begrenzten Personenkreis hinausginge. Der Umstand, daß die Namen der Prüfer frühestens drei Tage vor der jeweiligen Prüfung durch einen Aushang in den Räumen des TÜV bekannt gegeben würden, ändere nichts an dieser Bewertung, da jedenfalls zum Zeitpunkt der Sicherstellung der handschriftlichen Aufzeichnungen am 15.03.2006 eine solche Bekanntmachung noch nicht erfolgt gewesen sei.

In revisionsrechtlicher Hinsicht ebenfalls nicht zu beanstanden sei, daß die Strafkammer ein „unbefugtes Offenbaren“ dieses Geheimnisse durch den Fahrpüfer angenommen habe. Offenbaren eines Geheimnisses heiße, ein Wissen zu vermitteln, das dem Empfänger – aus der Sicht des Vermittelnden – noch verborgen sei oder von dem dieser – aus nämlicher Sicht – noch keine sichere Kenntnis habe.

Die Urteilsfeststellungen würden jedoch nicht belegen, daß durch das Offenbaren dieses Dienstgeheimnisses „wichtige öffentliche Interessen gefährdet“ worden seien.

Die Vorschrift des § 353b StGB setze eine konkrete Gefahr eines Nachteils für öffentliche Interessen von Rang voraus (BGHSt. 20, 348). An einer solchen konkreten Gefahr bestünden bereits deshalb Zweifel, weil schon abstrakt gesehen allein die Kenntnis eines bestimmten Prüfers noch keinen entscheidenden Vorteil – gerade für leistungsschwache Prüflinge – bedeuten dürfte. Soweit die Kammer die Gefahr sehe, ungeeignete Prüflinge könnten nach einer „manipulativen Zuordnung“ eines Prüfers bessere Chancen auf das Bestehen der Fahrprüfung haben, sei zu bedenken, daß sich die Ungeeignetheit dieser Kandidaten angesichts der hohen Standards des TÜV unabhängig von der Person des Prüfers im Rahmen der Prüfung herausstellen dürfte. Entscheidend für die rechtliche Bewertung sei jedoch, daß die Kammer nicht habe klären können, ob die von der Vermittlerin die erhaltenen Informationen tatsächlich dazu verwendet habe, bestimmte Prüflinge bei bestimmten Prüfern zu platzieren. Eine unmittelbare Gefährdung des Prüfungssystems sei daher nicht erwiesen.

Zwar könnten nach der in Rechtsprechung und Schrifttum herrschenden Auffassung wichtige öffentliche Interessen i. S. von § 353b Abs. 1 StGB auch dadurch gefährdet werden, daß die Tatsache des Geheimnisbruchs aufgedeckt und allgemein bekannt werde, und daß sodann als mittelbare Folge der Tat das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Ansehen und die Verschwiegenheit der Verwaltung erschüttert werde. Ob in diesem Sinne wichtige öffentliche Interessengefährdet worden seien, könne nicht allgemein beurteilt werden, sondern sei Tatfrage des Einzelfalls. Hierbei sei immer darauf abzustellen, ob konkret eine Gefahr entstanden sei. Die Gefährdung liege nicht schon dann vor, wenn mit ihr nur nach allgemeinen Erfahrungssätzen (abstrakt) zu rechnen sei.

Konkrete Tatsachen, die geeignet seien, das Ansehen des TÜV in der Öffentlichkeit zu erschüttern, lägen nach den Feststellungen des Landgerichts Bonn nicht vor. Vielmehr sei ausdrücklich festgestellt worden, daß die Vorgänge von der Öffentlichkeit unbemerkt geblieben seien und lediglich nach der Verurteilung der beiden Angeklagten ein Zeitungsartikel erschienen sei. Dafür, daß es hierauf weitere Reaktionen in der Öffentlichkeit gegeben habe, etwa durch Leserbriefe oder öffentliche Proteste, sei nichts ersichtlich.

Da die Tatsachenfeststellungen der Kammer vollständig und fehlerfrei seien und darüber hinaus auszuschließen sei, daß eine neue Hauptverhandlung noch Aufschlüsse über eine – auch nur mittelbare – Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB bringen könne, seien die Angeklagten gemäß § 354 Abs. 1 StGB freizusprechen.“

Diesen Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft stimmte das Oberlandesgericht Köln zu.

Ergänzend merkte der Senat an, daß sich die Angeklagten auch nicht etwa nach § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben. Betriebs-oder Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 203 StGB seien solche, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen würden und an deren Geheimhaltung der Unternehmer ein wirtschaftliches Interesse habe. Die hier in Rede stehende (interne) Diensteinteilung sei kein solches Geheimnis.

Beschluß vom 21.08.2009 (81 Ss 52-53/09)