BayObLG, Beschluß vom 31.01.2022 (204 StRR 574/21):
(…)
“ cc) Gleichwohl wurde jedenfalls mit der Textzeile „und ich dachte immer, die Schockbilder auf den Kippenschachteln wären schlimmer“ sowie der Kommentierung des Angeklagten, „das sind absolute Lachnummern“, „das kannste auf ne Kippenschachtel tun als Warnhinweis“, die Grenze überschritten, bis zu der das Persönlichkeitsrecht und der Ehrschutz hinter das Recht auf Meinungsfreiheit zurücktreten muss.
(1) Es handelt sich, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, um eine grob ehrverletzende Äußerung, wenn die Abgebildeten wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes auf eine Stufe gestellt werden mit ekelerregenden Aufnahmen von Krebsgeschwüren, abstoßenden Zahnreihen und sonstigen Krankheiten. Durch diesen abfälligen Vergleich hat der Angeklagte in emotionalisierender Weise eine Stimmung gegen die abgebildeten einzelnen Personen kundgetan und verbreitet, die mit dem Anlass (Kritik an bestimmten Politikern wegen konkreter Handlungen etc.) in keinem Zusammenhang stand, so dass diese Äußerung über eine Wahrnehmung berechtigter Interessen hinausgeht (vgl. BVerfG, NJW 2020, 2629, juris Rn. 19).
(2) Der Schutz der Meinungsfreiheit ist zwar gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen und findet darin unverändert seine Bedeutung. Teil dieser Freiheit ist, dass Bürger von ihnen als verantwortlich angesehene Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für deren Art und Weise der Machtausübung angreifen können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext herausgelöst werden und die Grundlage für einschneidende gerichtliche Sanktionen bilden. Die Grenzen zulässiger Kritik sind bei Politikern weiter zu ziehen als bei Privatpersonen. Insofern Politiker bewusst in die Öffentlichkeit treten, unterscheidet sich ihre Situation auch von derjenigen staatlicher Amtswalter, denen ohne ihr besonderes Zutun im Rahmen ihrer Berufsausübung eine Aufgabe mit Bürgerkontakt übertragen wurde (zum Ganzen BVerfG NJW 2020, 2622, juris Rn. 30 f. m.w.N. auch zur Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 Absatz 2 EMRK).
Demgegenüber liegt aber ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgern und Politikern auch im öffentlichen Interesse, (…)“