Das Oberlandesgericht Köln sprach in seinem Urteil vom 12.01.2011 (5 U 37/10) dem seinerzeitigem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000,00 € aufgrund einer fehlerhaften Arztbehandlung zu.

In dem Verfahren nahm der 1954 geborene Kläger die Beklagte, Fachärztin für Orthopädie, in Anspruch wegen dargelegter fehlerhafter und mangels ausreichender Aufklärung rechtswidriger ärztlicher Behandlung im Februar 2004.

Der Kläger litt seit Jahren an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit tiefen Rückenschmerzen, die von der Beklagten konservativ behandelt wurden. Ende 2003 hatte der Kläger ein akutes Ereignis, nach dem er erstmalig neben Rückenschmerzen auch Schmerzen im linken Bein hatte. Die radiologische Diagnostik zeigt Protusionen der Bandscheiben L3/4 sowie L5/S1 und einen Bandscheibenvorfall L4/5. Nachdem eine konservative Akuttherapie durch die Beklagte ohne durchgreifenden Erfolg blieb, führte die Beklagte beim Kläger am 17.02.2004 in einer radiologischen Praxis mit Beistand des Radiologen eine CT-gesteuerte periradikuläre Lumbalinfiltration im Segment S1 durch. In der Praxis des Radiologen erhielt der Kläger vor der Behandlung einen von dem Radiologen entwickelten und von ihm unterschriebenen Aufklärungsbogen, mit dem der Kläger über den Eingriff und dessen Risiken aufgeklärt wurde.

Unmittelbar nach der Injektion trat ein inkomplettes Querschnittssyndrom mit hochgradiger Caudalähmung, Paraplegie der Beine und Verlust der Blasen- und Mastdarmfunktion ein. Nach Erstversorgung im Malteser-Krankenhaus in C. wurde der Kläger noch am 17.02.2004 in die Neurochirurgie der Universitätsklinik C. verlegt. Bei Aufnahme fand sich eine schlaffe Parese beider Beine mit schwachen Hüftbeugern und Kniestreckern. Für Fußheber bzw. -senker fand sich ein vollständiger Kraftverlust. Unterhalb von L3 bestand eine ausgeprägte Hypästhesie, die ab S1 in einen vollständigen Sensibilitätsverlust überging. Der Analsphinkter-Tonus war schwach, die Blasenkontrolle vollständig aufgehoben. Die zunächst bestehende Harninkontinenz änderte sich im Verlauf zu einem Harnverhalt, weshalb der Kläger sich sodann in intermittierenden Abständen einmalkatheterisieren mußte. Eine Stuhlinkontinenz wurde im November 2007 durch einen doppelläufigen Anus praeter sigmoidalis behandelt. Die Ursache für die Lähmung war ungeklärt. Nach mehreren stationären Rehabilitationsaufenthalten und ambulanter Krankengymnastik verbesserte sich der Zustand des Klägers, so daß er ab April 2006 wieder in seinen zuvor ausgeübten Beruf als Bankkaufmann und Filialleiter zurückkehren konnte.

Der Kläger war aber nur für wenige Schritte am Rollator gehfähig und ansonsten auf einen Rollstuhl angewiesen. Aufgrund seines ganztätigen Sitzens im Rollstuhl litt der Kläger an Schmerzen im lumbosakralen Übergang. Der Kläger war mit den Merkzeichen G, aG und B zu 100 % schwerbehindert. Die Voraussetzungen für den Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente lagen vor, wurden vom Kläger jedoch nicht beansprucht.

In erster Instanz unterlag der Kläger wegen eines nicht bewiesenen Arztverschuldens.

Nachdem auch das Oberlandesgericht durch Beschluß vom 09.06.2010 darauf hingewiesen hatte, daß es beabsichtige, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO aus den im wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen, legte der der Kläger ein weiteres Gutachten vor, in dem der Sachverständige im Ergebnis festhielt, daß das im vorliegenden Fall eingetretene Risiko einer dauerhaften Lähmung zum Zeitpunkt des Eingriffs aufklärungspflichtig gewesen sei, da dies bereits Eingang in die medizinische Literatur gefunden habe.

Dazu verwies der Sachverständige darauf, daß bereits im Jahre 2002 Autoren in der amerikanischen Zeitschrift U. K. über das sehr seltene Risiko einer vaskulär bedingten Paraplegie nach lumbosakraler Nervenwurzelblockade hingewiesen und 3 Fälle beschrieben hätten. Ferner habe der Kläger zwei Aufklärungsbögen der Fa. E. über „Injektionen zur Schmerzbehandlung – in die Nervenwurzeln (periradikuläre Therapie, PRT) – in die Wirbelgelenke (Facettenblockade, FB) unter bildgebenden Verfahren“ aus den Jahren 2002 und 2004 vorgelegt bekommen, in denen es jeweils in dem Abschnitt: „Mögliche Komplikationen und Nebenwirkungen“ u.a. mit Fettdruck geheißen habe: „Bleibende Lähmungen (im äußersten Fall Querschnittslähmung) als Folge von Blutergüssen, Entzündungen oder Nervverletzungen sind extrem selten.“

Das Oberlandesgericht gelangte sodann zu seiner Entscheidung, daß die Berufung des Klägers insoweit Erfolghabe, als sie zu einer Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach sowie zur Zahlung eines Schmerzensgeldes und zur Feststellung ihrer Ersatzpflicht für weitere, noch nicht im Wege der Leistungsklage geltend gemachte materielle und immaterielle Schäden führe.

Die Beklagte hafte dem Kläger jedenfalls gemäß §§ 280 Abs. 1, 278, 253 Abs. 2 BGB wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken der am 17.02.2004 durchgeführten CT-gesteuerten periradikulären Lumbalinfiltration unter dem Gesichtspunkt der eigenmächtigen Behandlung, die dann anzunehmen sei, wenn die Einwilligung des Patienten in die Behandlungsmaßnahmen nicht von einer ordnungsgemäßen Risikoaufklärung getragen sei.

Das sei der Fall gewesen, weil der Kläger vor der am 17.02.2004 durchgeführten CT-gesteuerten periradikulären Lumbalinfiltration über das Risiko einer Querschnittslähmung unstreitig nicht aufgeklärt worden sei. Damit sei seine Einwilligung in den Eingriff unwirksam gewesen, so daß die Beklagte der Vorwurf einer rechtwidrigen und schuldhaften Pflichtverletzung im Rahmen des Behandlungsvertrages treffe.

Ärztliche Heileingriffe bedürfen grundsätzlich der Einwilligung des Patienten, um rechtmäßig zu sein. Nur so werde sein Selbstbestimmungsrecht und sein Recht auf körperliche Unversehrtheit gewahrt. Diese Einwilligung könne wirksam nur erteilt werden, wenn der Patient „im Großen und Ganzen“ wisse, worin er einwillige. Dazu müsse er über die Art des Eingriffs und dessen nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein könnten. Dem Patienten müsse eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Die Notwendigkeit zur Aufklärung hänge bei einem spezifisch mit der Therapie verbundenen Risiko nicht davon ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führe. Entscheidend sei vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben könne. Bei einer möglichen besonders schweren Belastung für seine Lebensführung sei deshalb die Information über ein Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirkliche. Die Haftung aus verletzter Aufklärungspflicht setze weiter voraus, daß das Risiko nach damaliger medizinischer Erfahrung bekannt gewesen sei bzw. den behandelnden Ärzten hätte bekannt sein müssen. Sei ein Risiko im Zeitpunkt der Behandlung noch nicht bekannt, bestehe keine Aufklärungspflicht. Sei es dem behandelnden Arzt nicht bekannt und müsse es ihm auch nicht bekannt sein, etwa weil es nur in anderen Spezialgebieten der medizinischen Wissenschaft diskutiert werde, entfalle eine Haftung des Arztes ebenfalls mangels Verschuldens. Zudem seien in aller Regel rein theoretisch bleibende Erörterungen über Risiken, die bei anderer Behandlungsstrategie bekannt seien, für die Entscheidungsfindung des Patienten ebenso wenig von Bedeutung wie allgemeine Überlegungen dazu, daß der Eintritt bislang unbekannter Komplikationen in der Medizin wohl nicht ganz auszuschließen sei

Gemessen daran könne zwar dahinstehen, ob über das Risiko einer nicht nur kurzfristigen, sondern dauerhaften Lähmung, wie sie hier eingetreten sei, als spezifisches Risiko der hier erfolgten CT-gesteuerten periradikulären Lumbalinfiltration grundsätzlich hätte aufgeklärt werden müssen.

Das führe indes nicht zu einem Wegfall der Haftung der Beklagten.

Unter Schutzzweckgesichtspunkten könne es zwar in den Fällen, in denen sich nur ein nicht aufklärungspflichtiges Risiko verwirklicht habe, gelegentlich zu einem Wegfall der Haftung des Arztes kommen. In Betracht kämen aber lediglich solche Fälle, in denen der innere Zusammenhang zwischen dem Schaden und der Zielrichtung der verletzten Aufklärungspflicht fehle, die Entscheidungsfreiheit des Patienten über seine körperliche Integrität zu schützen.

Ein Haftungswegfall komme aber nie in Betracht, wenn der Patient nicht wenigstens eine Grundaufklärung über Art und Schwere des Eingriffs erhalten habe. Eine ausreichende Grundaufklärung sei in aller Regel aber nur dann erfolgt, wenn der Patient auch einen Hinweis auf das schwerste, möglicherweise in Betracht kommende Risiko erhalten habe. Fehle es daran, sei das Selbstbestimmungsrecht des Patienten genauso tangiert, als wenn der Arzt den Eingriff vorgenommen hätte, ohne den Patienten um seine Zustimmung zu fragen.

Der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Körper- und Gesundheitsschaden des Patienten und dem Aufklärungsmangel entfalle bei wertender Betrachtung der Umstände des Einzelfalles damit nur dann, wenn das nicht aufklärungspflichtige Risiko nach Bedeutung und Auswirkung für den Patienten nur den mitzuteilenden Risiken nicht vergleichbar sei und wenn der Patient wenigstens über den allgemeinen Schweregrad des Eingriffs informiert gewesen sei; es beeinträchtige auch nicht den Zurechnungszusammenhang, wenn sich das aufklärungspflichtige, aber verschwiegene Risiko in einer Form verwirklicht habe, mit der nicht zu rechnen und die dem Patienten deshalb so nicht darzustellen gewesen sei

Dies gelte auch in Fällen, bei denen die unterbliebene Aufklärung mangels Kenntnis des spezifischen Risikos nicht zurechenbar sei; die Interessenlage und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten sei in beiden Fällen gleichermaßen tangiert.