Das Landgericht Paderborn (2 O 429/07) befand in seinem Urteil vom 01.09.2009, daß ein Arzt- und Krankenhausverschulden nicht gegeben sei.

In dem Verfahren stritten die Parteien um Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin hatte sich in der Zeit vom 09.10.2006 bis zum 13.10.2006 wegen einer Operation eines Nabelbruchs und seiner Prostata in dem Haus des Beklagten in Behandlung befunden und sich sich am 09.10.2006 der entsprechenden Operationen unterzogen.

Im Anschluß daran stieg der Anteil der Leukozyten in seinem Blut. Außerdem stieg der Kreatininwert des Ehemannes der Klägerin, woraufhin eine Sonographie durchgeführt wurde. Dabei konnte eine Niere nicht aufgefunden werden.

Zuvor hatte ein bei dem Beklagten beschäftigter Arzt einen Wundabstrich genommen. Bei Eingang des Ergebnisses um 20:45 Uhr wurde die Antibiose umgestellt, ein weiteres CT veranlasst und aufgrund des Ausmaßes der Infektion eine weitere Operation vorgenommen.

Am 12.10.2006 zeigte sich der Verband des später Verstorbenen eitrig durchsetzt. Es wurde eine Nachoperation vorgenommen. Der Zustand des Ehemannes der Klägerin verschlechterte sich weiterhin. Er wurde in das Universitätsklinikum Düsseldorf überwiesen, wo eine durch Gasbranderreger (Clostridien) hervorgerufene Sepsis diagnostiziert wurde, die schließlich zum Tod des Ehegatten der Klägerin führte.

Die Klägerin behauptete in dem Verfahren, der Tod ihres Ehegatten sei auf Sorgfaltspflichtverletzungen im Hause des Beklagten zurückzuführen. Bereits die Zustandsverschlechterung nach der ersten Operation hätte auf eine bakterielle Infektion hingedeutet, die von dem Beklagten nicht therapiert worden sei. Gleiches gelte hinsichtlich der erhöhten Leukozytenwerte.

Ihrem Ehemann, so behauptet die Klägerin weiter, sei bereits am ersten postoperativen Tag Nahrung verabreicht worden, obwohl das Pflegepersonal angewiesen gewesen sei, dies erst am vierten postoperativen Tag zu tun. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die Nahrungsverabreichung mitursächlich für die Infektion gewesen sei.

Die Klägerin behauptete ferner, im Krankenhaus des Beklagten hätten hygienische Defizite vorgelegen. Ein ordnungsgemäßes Hygienemanagement hätte die Infektion verhindert. Insbesondere sei die Sepsis bei einer erforderlichen perioperativen Antibiotikaprophylaxe nicht entstanden. Zudem habe die Durchführung zweier Operationen während derselben Narkose das Risiko des Ehegattens der Klägerin erhöht, was man auch daran erkenne, daß die Infektion von der Nabelgegend ausgegangen sei. Es sei anzunehmen, daß die Verbandswechsel nicht ordnungsgemäß erfolgt seien. Der obere und der untere Tupfer seien angenäht gewesen und nur der obere habe ausgewechselt werden können, was zur Sepsis beigetragen habe. Auch wenn die Infektion erst am 12.10.2006 feststellbar gewesen wäre, hätte der Tod verhindert werden können. Die Diagnose der Gasbrandinfektion sei zu spät erfolgt. Jedenfalls hätte sie bereits am Morgen des 12.10.2006 erfolgen müssen, als die Niere bei einer Ultraschalluntersuchung nicht aufgefunden wurde.

Das Landgericht Paderborn befand demgegenüber, daß der Klägerin gegen den Beklagte kein Anspruch auf Schmerzensgeld, weder aus vertraglicher Haftung gemäß §§ 280 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB, noch wegen unerlaubter Handlung nach § 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB oder einer anderen Vorschrift zustehe. Alle diese Haftungstatbestände setzen eine Pflichtverletzung voraus, die hier nun nicht zu bejahen sei.

Es sei der Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gelungen, Pflichtverletzungen, also Behandlungsfehler des Beklagten zu beweisen.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen seien postoperative Wundinfektionen schicksalhaft, wenn nicht Hygienemängel nachgewiesen werden könnten.

Auch bei aseptischen, also keimfreien Eingriffen würden in 2 % bis 5 % der Fälle postoperative Wundinfektionen auftreten. Die Nichteinhaltung der erforderlichen Hygiene würde allerdings einen Behandlungsfehler darstellen.

Hygienemängel im Haus des Beklagten seien jedoch nicht ersichtlich.

Die von der Klägerin aufgestellte Behauptung, ein Hygieneplan existiere bei der Beklagten nicht, sei nicht haltbar.

Der Vortrag der Klägerin bezüglich der Nichteinhaltung des Plans sei unsubstantiiert, die Klägerin hätte an Hand des ihr jedenfalls nachträglich zugestellten Hygieneplans darlegen müssen, welche Hygienemaßnahmen unterlassen worden sein sollen.

Jedenfalls würden die Sachverständigen darin übereinstimmen, daß keine Hygienemängel vorgelegen hätten.

Die gemeinsame Operation des Nabelbruchs und der Prostata stelle entgegen der Behauptungen der Klägerin keinen Behandlungsfehler dar. Davon sei die Kammer nach den Ausführungen der beiden Sachverständigen in ihren jeweiligen Gutachten überzeugt.

Die unterlassene perioperative Antibiotikaprophylaxe stelle keinen Behandlungsfehler dar.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen werde eine perioperative Antibiotikaprophylaxe auch im Zusammenhang mit Operationen an Bereichen, die das Cloristidium perfringens sogar in starkem Maße beherbergen, nicht empfohlen. Der Sachverständige begründe dies nachvollziehbar mit der Seltenheit einer durch dieses Bakterium hervorgerufenen Gasbrandinfektion. Wenn diese Prophylaxe schon bei Operationen in Bereichen, in denen das Bakterium sehr häufig vorkomme, wie dem Dickdarm oder dem weiblichen Genital, nicht erforderlich sei, dann sei es schlüssig, daß eine solche Antibiotikaprophylaxe ebenfalls bei Operationen in Bereichen, in denen das Bakterium kaum vorkomme, nicht erforderlich sei.

Ein Behandlungsfehler – so das Gericht weiter – könne nicht in dem Unterlassen einer von dem Arzt nicht geforderten Behandlungsmaßnahme gesehen werden. Ein Behandlungsfehler bezeichne eine im konkreten Fall – unter Einsatz der von dem handelnden Arzt zu fordernden medizinischen Kenntnisse und Erfahrungen – nicht vertretbare Entscheidung über diagnostische sowie therapeutische Maßnahmen oder eine nicht ausreichend sorgfältige Durchführung dieser Maßnahmen.

Im übrigen könne dahinstehen, ob es sich bei der unterlassenen Antibiotikaprophylaxe und der Art und Weise der Wundversorgung sowie der streitigen Verabreichung von Nahrung am ersten postoperativen Tag um Behandlungsfehler handele. Selbst wenn dies untestellt würde, wäre es der Klägerin nicht gelungen, die Ursächlichkeit möglicher Behandlungsfehler der Ärzte des Beklagten zu beweisen.

Ein grober Behandlungsfehler sei bei einem eindeutigen Verstoß des behandelnden Arztes gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse gegeben, wenn dieser Fehler aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich sei, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen dürfe.

Selbst wenn man somit von einem Behandlungsfehler aufgrund der unterlassenen perioperativen Antibiotikaprophlyaxe ausgehen wollte, hätte die Klägerin nicht die Ursächlichkeit dieses Fehlers für die Gasbrandinfektion ihres Ehemannes bewiesen.

Auf ein Verabreichen von Nahrung am ersten postoperativen Tag, wie von der Klägerin dargelegt, habe sich zufolge in den Unterlagen kein Hinweis gefunden. Außerdem, so habe der Sachverständige ausgeführt, bestehe zwischen Nahrungsverabreichungen und Gasbrandinfektion kein vernünftiger Zusammenhang.

Soweit die Klägerin sich des weiteren auf einen Diagnosefehler wegen verspäteter Feststellung der Infektion berufe, habe sie dies nicht bewiesen. Sie trage schon keine Symptome vor, aus denen die behandelnden Ärzte auf die zum Tode führende Infektion hätten schließen können.

Hinsichtlich der Nichterkennbarkeit einer Niere des Ehemannes der Klägerin anläßlich der Ultraschalluntersuchung, habe der Sachverständige weiter ausgeführt, daß keine Beziehung zu dem Gasbrand bestehen würde.