In dem Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Köln (5 U 69/08) nahm die Klägerin die Beklagten weiterhin wegen des Vorwurfs von Behandlungsfehlern im Zusammenhang mit der operativen Versorgung eines Oberschenkelhalsbruches im April 2003 auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Anspruch.

Zum Sachverhalt ist auszuführen, daß die Klägerin am 22. April 2003 mit medialer Schenkelhalsfraktur des linken Beines im Hause der Beklagten zu 1. aufgenommen worden war. Die Fraktur war am 23. April 2003 durch eine Schraubenosteosynthese operativ versorgt worden. In der Nacht vom 24. April 2003 auf den 25. April 2003 entwickelte sich eine schmerzhafte Schwellung des linken Beines, die Auswirkung einer Streptokokkeninfektion war, aufgrund derer sich im weiteren Verlauf ein schwerer toxischer Schock ausbildete. Am frühen Morgen des 25. April 2003 traten bei der Klägerin Atembeschwerden auf und sie wurde mit dem Verdacht auf eine Lungenentzündung oder Lungenembolie auf die Intensivstation verlegt. Es wurde eine Niereninsuffizienz und die Absonderung eines grünlichen Sekretes festgestellt. Die Blutwerte waren pathologisch verändert. Es wurde die Gabe eines Breitbandantibiotikums veranlaßt. Im Hinblick auf die Schwellung des Beines erfolgte am 25. April 2003 zunächst unter dem Verdacht auf eine hochakute Wundinfektion mit Ausprägung eines Kompartment-Syndroms bei manifestem septischen Schock eine Operation zur Druckentlastung des Kompartements. Nach dem Eingriff wurde die Klägerin wegen akuter Atemnot beatmet und auf die Intensivstation verlegt, wo sie u. a. mit Penicillin behandelt wurde. Am Morgen des 26. April 2003 wurde eine operative Revision durchgeführt, bei der sich in der gesamten Oberschenkelmuskulatur massive Muskelnekrosen zeigten. Noch am selben Tag wurde die Klägerin in die Universitätsklinik L. verlegt, wo das linke Bein amputiert wurde. Ein bei den Kontaktpersonen der Klägerin im Hause der Beklagten zu 1. genommener Abstrich des Nasen- und Rachenraums erbrachte keinen Streptokokkennachweis.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, vor dem Eingriff am 23. April 2003 sei unzureichend desinfiziert worden, nämlich die Operationsstelle nur ein- bis zweimal anstelle der notwendigen fünf- bis zehnmal abgerieben worden. Hierdurch sei es zu der Streptokokkeninfektion gekommen. Insoweit liege ein Organisationsfehler vor. Zudem behauptete sie, daß der Anästhesist die Spritze bereits im Nebenraum geöffnet und sodann in den Operationssaal verbracht habe. Der Anästhesist habe keinen Mundschutz getragen. Außerdem sei der Toilettenstuhl in ihrem Krankenzimmer über einen Zeitraum von 12 Stunden nicht ausgewechselt bzw. gereinigt worden. In der Nacht vom 23. auf den 24. April 2003 habe sie mindestens sechsmal den Notruf betätigt, weil massive Beschwerden aufgetreten seien, nämlich klopfende Schmerzen im operierten Bein, Durchbluten des Verbandes, der Bettwäsche und der Bettunterlagen, Unmöglichkeit der Blasenentleerung, Nierenschmerzen, stark zunehmendes Fieber und pulsierende Kopfschmerzen. Diesen Symptomen, die auf eine Streptokokkeninfektion hingewiesen hätten, sei unzureichend nachgegangen worden. Hierdurch sei es zu der Streptokokkeninfektion gekommen, die unzureichend behandelt worden sei und zur Amputation des linken Beines geführt habe.

Die Klägerin forderte u. a. ein Schmerzensgeld von mindestens 100.000,00 €.

Das Oberlandesgericht wies die Berufung durch Urteil vom 05.08.2011 als unbegründet zurück und führte aus, daß die Klägerin nicht habe beweisen können, daß den behandelnden Ärzten im Hause der Beklagten zu 1. in der Zeit vom 22. bis 26. April 2003 schadensursächliche Behandlungsfehler unterlaufen seien, die eine Haftung der Beklagten begründen könnten. Und auch die Aufklärungsrüge der Klägerin seu nicht gerechtfertigt.

Der Senat folge bei seiner Beurteilung den Feststellungen des Sachverständigen, weil der Sachverständige seine Feststellungen ausführlich, umfassend und gut nachvollziehbar sowie unter sorgfältiger Auswertung der Krankenunterlagen und unter eingehender Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Parteien überzeugend begründet habe

Die am 23. April 2003 durchgeführte operative Versorgung des Oberschenkelhalsbruches der Klägerin mit drei kanülierten Schenkelhalsschrauben war nach den überzeugenden Ausführungen des erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen medizinisch indiziert.

Außer Streit stehe zwischen den Parteien jedenfalls in der Berufungsinstanz auch, daß die Operation vom 23. April 2003 als solche behandlungsfehlerfrei durchgeführt worden sei, wobei nach der überzeugenden Bewertung des Sachverständigen der Abbruch des Leitdrahtes an der Spitze, die im Knochen verblieben sei, weder für sich genommen einen Behandlungsfehler darstelle noch auf einen solchen schließen lasse und als Komplikation zu bewerten sei, die für die Frakturheilung sowie das später aufgetretene Krankheitsbild keine Relevanz gehabt habe.

Die Klägerin könne ihre Ansprüche auch nicht darauf stützen, daß die Antibiose und insbesondere die Penicillingabe eventuell verspätet eingeleitet worden sei.

Denn der Sachverständige sei zum einen mit überzeugender Begründung zu der Feststellung gelangt, daß die Kausalität einer eventuell verspätet eingeleiteten Antibiose und insoweit insbesondere einer eventuell verspäteten Einleitung der Penicillingabe für den Verlauf der Streptokokkeninfektion mit ihren tragischen Folgen für die Klägerin nicht festgestellt werden könne. Ferner habe der Sachverständige nachvollziehbar erläutert, daß Streptokokken der hier in Rede stehenden Art sich „wie ein Blitz“ außerordentlich schnell und zudem aggressiv vermehren und zu Gewebsuntergang führen, und daß die Antibiotika im Hinblick darauf, daß sie im Körper nur auf dem Blutweg transportiert werden könnten, nicht in der Lage seien, zu den Keimen in dem nekrotischen Gewebe oder im Eiter vorzudringen und den bereits eingetretenen Gewebeverfall oder die bereits eingetretene Vermehrung der Bakterien im Wundgebiet zu verhindern, und nur bewirken könnten, daß sich die Bakterien nicht auf andere noch nicht befallene Gebiete ausweiten würden.

Zum anderen sei nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen davon auszugehen, daß den Behandlern auch
nicht als Behandlungsfehler angelastet werden könne, nicht bereits prophylaktisch perioperativ eine Antibiose eingeleitet zu haben, um damit die Streptokokkeninfektion von vorneherein zu verhindern. Denn der Sachverständige habe in seinem Gutachten die Indikation einer prophylaktischen perioperativen Antibiose zumindest indirekt durch den im Zusammenhang mit der Frage, ob nach Austritt von Sekret aus der postoperativen Wunde bereits sofort ein Antibiotikum hätte gegeben werden müssen, erfolgten Hinweis verneint, daß Antibiotika grundsätzlich nicht blind ohne Sicherung eines mikrobiologischen Befundes gegeben würden. Diese Aussage des Sachverständigen müsse erst recht für eine lediglich prophylaktische Gabe von Antibiotika perioperativ gelten.

Ohne Erfolg erhebe die Klägerin erstmals in der Berufungsbegründung eine Aufklärungsrüge und trage hierzu vor, sie hätte vor der Operation über die Infektionsquote im Hause der Beklagten zu 1. aufgeklärt werden müssen und hätte bei entsprechender Aufklärung ein Krankenhaus mit einer niedrigeren Quote bevorzugt. Denn zum einen handele es sich hierbei um ein neues Angriffsmittel im Sinne von § 531 ZPO, und Gründe, die gemäß § 531 Abs. 2 ZPO eine Zulassung rechtfertigen könnten, seien weder von der Klägerin vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Zum anderen sei die Aufklärungsrüge aber auch in der Sache nicht berechtigt, weil eine Obliegenheit der Behandler, über eine Infektionsquote aufzuklären, nicht bestehe, und weil zudem weder von der Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich sei, daß die Klägerin sich in einem Entscheidungskonflikt befunden haben könnte.

Die Klägerin könne ihre Ansprüche auch nicht darauf stützen, daß im Hause der Beklagten zu 1. im allgemeinen und bei der Behandlung der Klägerin im besonderen gegen Hygienestandards verstoßen worden sei. Denn es könne nicht festgestellt werden, daß es im Hause der Beklagten zu 1. zu schuldhaften Verstößen gegen Hygienestandards gekommen sei, auf denen die folgenschwere Infektion der Klägerin beruhe.

Das Vorbringen der Klägerin bestehe im wesentlichen Kern ausschließlich darauf, daß sie aus dem Umstand, dass sie eine folgenschwere Streptokokkeninfektion erlitten habe, schließe, daß im Hause der Beklagten zu 1. im April 2003 ein angemessener Hygienestandard nicht gewährleistet gewesen sei.

Dabei erfolge das Vorbringen zu den allgemeinen Hygieneverhältnissen im Hause der Beklagten zu 1. letztlich ins Blaue hinein und erschöpfe sich in bloßen Vermutungen und Unterstellungen. Und die von ihr behaupteten konkreten Hygieneverstöße im Rahmen ihrer Behandlung habe die Klägerin nicht beweisen können. Im Hinblick darauf komme auch eine Beweiserleichterung für die Klägerin hinsichtlich der Kausalität unter dem Gesichtspunkt des groben Behandlungsfehlers nicht in Betracht, weil die Klägerin hierfür Verstöße gegen Hygienestandards hätte vortragen und beweisen müssen, die so klar und gravierend seien, daß die Grundsätze zum groben Behandlungsfehler eingreifen. Auf der Basis des Vorbringens der Klägerin und des Akteninhalts im übrigen würde die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu eventuellen Hygienemängeln und zu der Frage der Ursächlichkeit eventueller Hygienemängel für die gesundheitliche Situation der Klägerin eine unzulässige Ausforschung bedeuten.

Auch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Hygienemängeln ergäben sich für die Klägerin keine Erleichterungen hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast. Denn danach könne eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität eines Hygienemangels für eine Infektion und zugleich auch für das Verschulden hinsichtlich des Hygienemangels nur dann angenommen werden, wenn feststehe, daß die Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich hervorgegangen sein müsse. Denn absolute Keimfreiheit gebe es im Operationsbereich nicht. Im Hinblick darauf gehörten Keimübertragungen, die sich aus nicht beherrschbaren Gründen und trotz Einhaltung der gebotenen hygienischen Vorkehrungen ereigneten, zum entschädigungslos bleibenden Krankheitsrisiko des Patienten. Insbesondere reiche es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht vorzutragen, daß der betroffene Patient ohne Infektion eine Behandlung angetreten habe und nach der Behandlung infiziert gewesen sei.

Soweit die Klägerin behauptet habe, der Toilettenstuhl an ihrem Krankenbett sei zwischen dem 24. und 25. April 2003 über einen Zeitraum von zwölf Stunden nicht gereinigt worden, sei sie beweisfällig geblieben. Denn die hierzu benannten Zeugen hätten die Behauptung der Klägerin nicht bestätigt und die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung der Klägerin gemäß §§ 447, 448 ZPO lägen nicht vor.

Soweit die Klägerin behauptet habe, ihr sei unmittelbar vor der Operation eine Spritze von dem Anästhesisten gesetzt worden, die dieser nicht der Üblichkeit entsprechend unmittelbar vor dem Setzen am Körper desterilisiert, sondern in einem Nebenraum aufgezogen und von dort aus offen in den Vorraum gebracht habe, sei die Klägerin ebenfalls beweisfällig geblieben.

Einen konkreten Anhaltspunkt dafür, daß es im Rahmen der Behandlung der Klägerin zu einem Hygienemangel in einem hygienisch beherrschbaren Bereich gekommen sei, der vom Ansatz her die tatsächlich eingetretene Infektion hätte verursachen können, stelle auch die Behauptung der Klägerin nicht dar, dass der Anästhesist bei der Spritze, die er ihr vor der Operation am 23. April 2003 im Vorraum vor dem Operationssaal gesetzt habe, keinen Mundschutz getragen habe. Denn zum einen habe der Zeuge diese Behauptung der Klägerin nicht bestätigt sondern vielmehr lediglich bekundet: „Im OP wird selbstverständlich der Mundschutz getragen. Im Einleitungsraum hat man den Mundschutz auch schon um, man nimmt ihn aber herunter, wenn man mit der Patientin spricht.“

Dieser Anhaltspunkt biete jedenfalls auch keine ausreichende Grundlage für eine weitere Beweisaufnahme zu Hygienemängeln und der Frage ihrer Ursächlichkeit für die Infektion der Klägerin durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Denn hinsichtlich dieses – unterstellten – vermeidbaren Hygienemangels sei davon auszugehen, daß er für die Infektion der Klägerin nicht kausal geworden sein kann.

Von sämtlichen Ärzten und Pflegepersonen, die im Rahmen der Behandlung der Klägerin mit ihr in Kontakt geraten seien, seien Abstriche genommen und – mit negativem Befund – auf Streptokokkenbefall untersucht worden.