In dem Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Köln ging es darum, daß die Klägerin über das von der Berufshaftpflichtversicherung der beklagten Gynäkologin bereits gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 4.500,00 € weitere 7.500,00 € wegen behaupteter Behandlungs- und Aufklärungsfehler wegen einer aus medizinischen Gründen ungewollten Schwangerschaft und nachfolgender Abtreibung. Durch Hinweisbeschluß vom 18.04.2011 (5 U 21/11) machte das Oberlandesgericht deutlich, daß es beabsichtige, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Dabei ließ es das Oberlandesgericht – wie auch schon zuvor das Landgericht – offen, ob der Behandlungsfehlervorwurf gerechtfertigt sei und die von der Klägerin zur Bemessung des Schmerzensgeldes angegebenen Beschwerden und Beeinträchtigungen bestehen würden.

Denn all dies als zutreffend unterstellt, rechtfertige sich kein höheres Schmerzensgeld als 4.500 €. Dieser Betrag sei seitens der Berufshaftpflichtversicherung vorprozessual an die Klägerin gezahlt worden, so daß die weitergehende Klage abzuweisen gewesen sei.

Die erste Instanz habe bei der Bemessung des für den Eingriff und seine Folgen angemessenen Schmerzensgeldes das Beschwerdebild durchaus umfassend und hinreichend berücksichtigt. Es habe seiner Einschätzung den gesamten klägerischen Sachvortrag zugrunde gelegt, so daß eine weitere Anhörung der Klägerin zum Ausmaß ihrer Beeinträchtigungen entbehrlich gewesen sei.

Zu Recht habe das Landgericht auch zwischen der generell bestehenden Möglichkeit einer Schwangerschaft trotz Empfängnisverhütung und der im Falle der Klägerin noch hinzukommenden psychischen und traumatischen Erlebnisse wegen der Abtreibung differenziert, letzteres bei der Schmerzensgeldbemessung aber auch berücksichtigt.

Darüber hinaus habe das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise sowohl den Eingriff als auch die von der Klägerin dargestellten weiteren psychischen und in deren Folge auch physischen Beeinträchtigungen angemessen bewertet.

Der Eingriff an sich sei, wie die Klägerin selbst eingeräumt habe, komplikationslos gewesen. Zu ihren psychischen und physischen Beeinträchtigungen habe die Klägerin hingewiesen auf den massiven und belastenden Entscheidungskonflikt vor der Abtreibung, ihren schweren seelischen Konflikt mit ihrem Glauben, die ständige Konfrontation mit dem Geschehen im Alltag beim Anblick von Kindern, Eheproblemen und Selbstzweifel wegen des gestörten Sexuallebens, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Alpträume, starke Schlafstörungen, Erschöpfungszustände und Apathie. Diese Beeinträchtigungen wiegten durchaus schwer.

Andererseits habe die Klägerin Konkretes zum Ausmaß dieser Beeinträchtigungen und den Auswirkungen auf ihre Lebensführung nicht vorgebracht. Die Klägerin selbst habe es offensichtlich auch nicht für erforderlich gehalten sich wegen dieser psychischen Beeinträchtigungen in ärztliche Behandlung zu begeben. Gegenüber ihrer Hausärztin habe sie derartige Störungen ausweislich der von der Ärztin eingereichten Behandlungsunterlagen nicht erwähnt. Ebenso wenig befände die Klägerin sich in fachärztlicher Behandlung.

Hinzu komme, daß die Klägerin ausweislich der Behandlungsunterlagen bereits vor dem Eingriff u.a. an Magersucht, Untergewicht und Müdigkeit gelitten habe, möglicherweise auch bedingt durch das von ihr ständig genommene Medikament Tegretal 200, das einige der von der Klägerin geschilderten Symptome als in unterschiedlichem Ausmaß auftretende Nebenwirkungen aufweise. Daraus folge, daß die jetzt von ihr beklagten Beschwerden nicht gänzlich der Beklagten anzulasten, sondern in gewissem Maße auch Folge ihrer Grunderkrankung seien. Sie seien offenbar auch nicht so sehr schwer, daß sie sich unter dem Leidensdruck wenigstens der Hausärztin anvertraut hätte.

Schließlich entspräche das Schmerzensgeld von 4.500 € in vergleichbaren Fällen zuerkannten Schmerzensgeldbeträgen. Das Oberlandesgericht Frankfurt habe im Jahre 1995 wegen der entstandenen physischen und psychischen Belastungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 DM zugesprochen nach einem operativen Schwangerschaftsabbruch aufgrund unzureichend abgeklärter „verhaltener Fehlgeburt“; ob dabei gleichsam fahrlässig die noch lebende Leibesfrucht abgetrieben worden sei, habe zu Lasten der Patientin nicht mehr geklärt werden können. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes habe das Maß des Verschuldens des Beklagten gewogen – anders als hier – sehr schwer. Das Oberlandesgericht Braunschweig (OLGR 2008, 11 ff.) habe im Jahr 2007 auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 9.000 € erkannt, weil der Behandler trotz bestehender Unsicherheit über das Vorliegen einer Schwangerschaft zu deren Ausschluß vor Beginn der Therapie mit einem Ovulationshemmer-Medikament fehlerhaft keinen Schwangerschaftstest veranlaßt habe; dieser Behandlungsfehler sei ursächlich gewesen für einen drei Wochen später durchgeführten Schwangerschaftsabbruch. Die Patientin habe durch die Abrasio an erheblichen körperlichen und psychischen Belastungen, schweren Depressionen, die zu Weinzuständen, Appetitlosigkeit, starker Gewichtsabnahme, Konzentrationsschwäche gelitten und häusliche Aufgaben sowie ihrer familiären und sonstigen sozialen Beziehungen vernachlässigt. Relevant sei auch gewesen, daß es trotz zwischenzeitlicher psychiatrischer Behandlung noch mehr als zwei Jahre nach dem Eingriff regelmäßig zum Wiederauftreten depressiver Verstimmungen mit Wein- und Zitterattacken gekommen sei.

So schwer wiege der hier zu beurteilende Fall nach den oben dargelegten Gesamtumständen nicht. Insbesondere sei zu berücksichtigen, daß es in dem vom Oberlandesgericht Braunschweig zu beurteilenden Fall – anders als hier – nicht zu einem Abbruch einer an sich ungewollten Schwangerschaft gekommen sei.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken (OLGR 2005, 5 ff.) habe schließlich im Jahr 2004 ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 € zugesprochen für einen aus ärztlichem Verschulden verhinderten Schwangerschaftsabbruch aus embryopathischer Indikation bei Geburt eines behinderten Kindes, was zu schwersten Depressionen bei der Mutter geführt habe. Der Entscheidung hätte – wiederum anders als hier – zum einen mehrere gravierende Versäumnisse der Ärzte zugrundegelegen, des weiteren hätte die seelische Belastung der Mutter ausnahmsweise Krankheitswert erreicht, die zu einem Rentenverfahren geführt habe.

Diese Entscheidungen zeigten, daß im hier zu beurteilenden Fall im Vergleich nicht ein zu niedriges Schmerzensgeld gezahlt worden sei.