In dem Verfahren vor dem Landgericht Kleve ging in dem konkreten Fall darum, ob die Einstellung der küsntlichen Ernährung der gerichtlichen Genehmigung bedurfte. Mit der Entscheidung des Landgerichts Kleve vom 31.05.2010 (4 T 77/10) war das nicht der Fall.

Zwar bedürfe die Erklärung des Betreuers, die künstliche Ernährung mittels Ernährungssonde bei der Betreuten einzustellen, an sich der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Das Genehmigungserfordernis des § 1904 Abs. 2 BGB diene hierbei dem Schutz des Betroffenen. Die Kontrolle durch das Betreuungsgericht werde aber in den beiden folgenden Absätzen von § 1904 BGB wieder eingeschränkt, indem in Abs. 3 die gerichtliche Genehmigung erleichtere und in Abs. 4 sogar gänzlich darauf verzichtet werde.

Dem Gesetzgeber erschien es als ausreichende Sicherung, wenn der genehmigungsbedürftige ärztliche Eingriff oder dessen Unterbleiben bzw. der Widerruf der Einwilligung durch den Betreuer gegebenenfalls obendrein auch noch im Einvernehmen mit dem behandelnden Arzt „dem Willen des Betroffenen entspreche.“

Gemäß § 1904 Abs. 4 BGB sei deswegen die Einschaltung des Betreuungsgerichts nicht erforderlich, wenn zwischen Arzt und Betreuer in dem nach § 1901 b BGB zu führenden Gespräch Einvernehmen darüber erzielt werde, daß die Erteilung, die Verweigerung oder der Widerruf der Einwilligung jedenfalls dem in einer Patientenverfügung niedergelegten Willen des Betroffenen entspreche. Der nicht gänzlich auszuschließenden Mißbrauchsgefahr werde hierbei zum einen dadurch wirksam begegnet, daß jeder Dritte, insbesondere auch andere Vertrauenspersonen, aufgrund des Amtsermittlungsprinzips jederzeit die Entscheidung des Betreuers überprüfen lassen könnten. Zum anderen gehe auch vom Strafrecht eine wirksame Prävention aus; denn bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für ein sachfremdes oder gar kollusives Zusammenwirken müßten Arzt und Betreuer mit einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen eines Körperverletzungs- oder gar Tötungsdelikts rechnen.

Liege kein Verdacht auf einen Mißbrauch vor, solle die Umsetzung des Patientenwillens aber nicht durch ein – sich ggf. durch mehrere Instanzen hinziehendes – vormundschaftsgerichtliches Verfahren belastet werden. Die Durchsetzung des Patientenwillens würde erheblich verzögert oder gar unmöglich gemacht, da für die Dauer des Verfahrens die in Rede stehenden Maßnahmen in der Regel zunächst nicht eingeleitet werden könnten oder eingeleitet oder fortgeführt werden müßten und damit massiv in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen eingegriffen würde.

Komme das Gericht zu dem Ergebnis, daß ein bestimmtes Geschäft nach dem Gesetz keiner Genehmigung bedürfe, habe es einen entsprechenden Antrag abzuweisen bzw. ein Negativzeugnis auszustellen. Darin liege schon deshalb keine konkludente Genehmigung, weil eine Prüfung der Interessen des Betroffenen durch das Gericht in der Regel gar nicht stattgefunden habe.

Das Gericht wies ferner darauf hin, daß ein Leiden mit irreversiblem tödlichen Verlauf nicht nur dann vorliege, wenn der Tod in kurzer Zeit bevorstehe. Insoweit sei vielmehr zwischen Hilfe beim Sterben, kurz: Sterbehilfe, und Hilfe zum Sterben oder Sterbehilfe im weiteren Sinne zu differenzieren.

Sterbehilfe (Hilfe zum Sterben) setze danach voraus, daß das Grundleiden eines Kranken nach ärztlicher Überzeugung unumkehrbar (irreversibel) sei, einen tödlichen Verlauf angenommen habe und der Tod in kurzer Zeit eintreten werde. Doch auch in dem Fall, in dem der Sterbevorgang noch nicht eingesetzt habe, sei danach der Abbruch einer einzelnen lebenserhaltenden Maßnahme bei entsprechendem Patientenwillen als Ausdruck der allgemeinen Entscheidungsfreiheit und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit grundsätzlich anzuerkennen. Für diesen Fall seien jedoch an die Annahme des mutmaßlichen Willens erhöhte Anforderungen zu stellen gegenüber der Sterbehilfe im eigentlichen Sinne. Aus der Differenzierung der Sterbehilfe folge demnach nicht, daß dann, wenn das Kriterium des „unmittelbar bevorstehenden Todes“ fehle, die Genehmigung der Einwilligung in den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen nicht erteilt werden dürfe, sondern es würden lediglich höhere Anforderungen an die Ermittlung und Annahme des mutmaßlichen Willens gestellt.

Daß der Bundesgerichtshof das Kriterium des unmittelbar bevorstehenden Todes nicht für maßgeblich erachte, erhelle die Feststellung, daß das Vormundschaftsgericht der Entscheidung des Betreuers zustimmen müsse, wenn feststehe, daß die Krankheit des Betroffenen einen irreversiblen tödlichen Verlauf genommen habe und die ärztlicherseits angebotene Behandlung dem früher erklärten und fortgeltenden Willen des Betroffenen, hilfsweise dessen (individuell-) mutmaßlichen Willen widerspreche.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall komme allerdings die Einwilligung des Betreuers in den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen nur in Betracht, falls bei dem Betroffenen tatsächlich auch ein irreversibles Grundleiden mit tödlichem Verlauf – gegebenenfalls noch ohne Todesnähe – bestünde und hierüber in dem zwischen Arzt und Betreuer nach § 1901 b BGB zu führenden Gespräch Einvernehmen herrsche.

Von solchen zureichenden tatsächlichen Anhaltpunkten für ein irreversibles Grundleiden der Betroffenen mit tödlichem Verlauf – allerdings ohne Todesnähe – sei hier nach den übereinstimmenden Bewertungen der behandelnden Ärzte auszugehen.